Knauß kontert

Deutsche Dividenden finanzieren indirekt den Terror

Ferdinand Knauß Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche
Ferdinand Knauß Reporter, Redakteur Politik WirtschaftsWoche Online Zur Kolumnen-Übersicht: Anders gesagt

Scheichs scheinen vor deutscher Empörung seltsam sicher zu sein. Es wäre an der Zeit, sich Gedanken zu machen über die Folgen arabischer Investments in Deutschland.

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Was die Katar-Krise mit der deutschen Wirtschaft zu tun hat. Quelle: dpa Picture-Alliance

Erinnert sich noch jemand? Die öffentliche Empörung in der westlichen Welt und vor allem in Deutschland war gewaltig, als der amerikanische Präsident ein Einreiseverbot gegen Menschen aus einigen islamisch geprägten und von Staatsverfall und Terror zerrütteten Ländern erlies, das sofort von Bundesrichtern gestoppt wurde. Die Bundeskanzlerin zeigte sich „überzeugt, dass auch der notwendige entschlossene Kampf gegen den Terrorismus es nicht rechtfertigt, Menschen einer bestimmten Herkunft oder eines bestimmten Glaubens unter Generalverdacht zu stellen". Martin Schulz sah Trump „mit der Abrissbirne durch unsere Grundwerteordnung“ laufen.

Und die Journalisten waren zu 99 Prozent ebenso empört.

Seltsamerweise ist von solcher Empörung gegen Saudi-Arabien und seine Vasallen-Staaten nun nicht viel zu lesen. Obwohl der Bann gegen den Nachbarstaat Katar radikaler ist, als alles, was Trump vorhatte: Nicht nur darf von dort keine Person mehr in die Nachbarstaaten reisen, auch der Warenverkehr ist völlig gekappt, nicht mal katarische Flugzeuge dürfen über saudischen Boden fliegen. Mit einem Generalverdacht hat man in Riad also keine Gewissensprobleme.

Das ist Katar

Für Sigmar Gabriel ist klar, wer die Schuld trägt. Nicht der saudische König Salman ibn Abd al-Aziz (laut Wikipedia der 32. von über 50 Söhnen des 300-fach verheirateten Reichsgründers Abd al-Aziz ibn Saud) oder Kronprinz Mohammed, sondern: Trump. „Eine solche Trumpisierung des Umgangs miteinander ist in einer ohnehin krisengeschüttelten Region ganz besonders gefährlich", sagte Gabriel. Als ob die Saudis erst durch Trump zu Übeltätern geworden wären! Ansonsten sind aus Berlin und anderen westlichen Staaten nur neutrale und samtweich formulierte Aufrufe zum Dialog zu vernehmen.

Keine Frage, Trump hat der Saudi-Dynastie grünes Licht gegeben für den feindlichen Akt gegen die Nachbarn. Es ist die vielleicht bislang gefährlichste und dümmste Tat des Präsidenten. Er scheint zu glauben, was die Saudis und ihre Vasallen in Bahrain und den Emiraten öffentlich zu ihrer Rechtfertigung behaupten: dass Katar den Terrorismus fördere. Zumindest behauptet Trump, dass er das glaubt.

Dabei ist der Terror-Vorwurf aus Riad gegen Katar reinster Zynismus. Es ist längst Allgemeinwissen in- und außerhalb der Geheimdienste, dass aus Saudi-Arabien vermutlich noch mehr Geld in die Kassen islamistischer Terroristen fließt als aus Katar. Saudi-Arabien ist die wohl wichtigste Keimzelle des islamistischen Terrorismus. Der Wahhabismus des Herrscherhauses in Riad ist um keinen Deut humaner oder gemäßigter als die Ideologie ihrer Erzfeinde, der Muslimbrüder.

Der zweite Feind, dem die ganze politische Leidenschaft der Saudis gilt, sind die Schiiten, weil diese glauben, dass Mohammeds Schwiegersohn Ali dessen legitimer Nachfolger gewesen sei und nicht Abu Bakr - im 7. Jahrhundert! Katar, dessen Herrscherfamilie al-Thani nicht weniger anachronistisch ist als die der Saudis, hat immerhin versucht, mit dem schiitischen Iran halbwegs gedeihliche Beziehungen zu pflegen. Das allein ist der Grund für die Strafaktion der Saudis .

Mercedes und Mittelalter

Die Verschonung der Scheichs vor deutscher und westlicher Empörung hat Tradition. Auch die 68er demonstrierten lieber gegen den zwar despotisch regierenden, aber immerhin westlich-säkular gesinnten Shah in Persien. Der ließ nämlich Kommunisten einsperren. In Saudi-Arabien oder Katar gab es weder damals noch heute nennenswerte Kommunisten oder sonstige Linke.  

Vermutlich ist es gerade der Anachronismus der Scheich-Diktaturen, der sie vor westlicher Kritik schützt – neben ihrem Öl-Reichtum. Für die Europäer des 21. Jahrhunderts sind diese Herrscherfamilien nicht wirklich begreifbar, die auf der Düsseldorfer Königsallee in Mercedes-Limousinen bei Armani vorfahren, sich von deutschen Bauunternehmen gigantische Glitzer-Hochhäuser errichten lassen – und gleichzeitig in Glaubensvorstellungen des Mittelalters befangen sind, die die einzige Quelle ihrer Legitimation und zentraler Antrieb des politischen Handelns sind.

Auch der deutsche Staat hat mit den Wüstenkönigen kein Problem. Gegenüber der WirtschaftsWoche hieß es 2016 aus dem Auswärtigen Amt, man werde „die Öffnung dieses Landes nicht erreichen, wenn man Saudi-Arabien nur auf die Anklagebank setzt“. Schon klar. Aber warum eigentlich hatte unser Staat, der mittlerweile gegen den Hass eigener Bürger auf Facebook eifrig kämpft, überhaupt nichts dagegen, als eine Herrschersippschaft vom Golf mit Terror-Affinität riesige Aktienpakete an deutschen Konzernen, an VW, der Deutschen Bank und Hapag-Lloyd erwarb? Übrigens investieren auch die Saudi-Herrscher und ihre Vasallen in den Emiraten bekanntlich eifrig in deutschen Konzernen.

Sollten sich die Stakeholder der Unternehmen, zum Beispiel ihre Angestellten, aber auch die Wirtschafts- und Außenpolitiker des deutschen Staates nicht doch spätestens jetzt angesichts der Katar-Krise den einen oder anderen Gedanken um die langfristigen Folgen dieser Besitzverhältnisse machen? Am Golf ist kaum zwischen Staat, Herrscherfamilien und Privatwirtschaft zu unterscheiden. Die Gewinne deutscher Unternehmen, die als Dividenden in die Golf-Monarchien fließen, dienen unmittelbar zwei Zwecken: Erstens die Scheich-Herrschaften abzusichern. Denn die beruhen vor allem darauf, dass die Untertanen mit gnädigen Gaben ruhiggestellt werden.

Zweitens aber dienen deutsche Unternehmensgewinne damit zumindest mittelbar wohl auch der Finanzierung des Terrors. Seltsam, dass das bislang niemanden zu stören scheint.

Wie fände man das eigentlich, wenn Kim Jong-Il, der Diktator von Nordkorea, zehn Prozent der Aktien eines deutschen Konzerns erwürbe? Läge in Nordkoreas Boden Öl und Gas, wäre die Frage vielleicht gar nicht so abwegig.

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