Kolumbien Kongress billigt Friedenspakt mit Farc

Mindestens 220.000 Tote, mehr als fünf Millionen Vertriebe. Das ist die Bilanz des über 52 Jahre langen Guerillakrieges in Kolumbien. Nach langem Ringen hat der Kongress nun den Friedenspakt gebilligt.

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Londono Echeverri 'Timochenko' (rechts) und der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos (links) reichen sich vor Kubas Präsident Raul Castro die Hände. Quelle: dpa

Nach einem mehr als fünf Jahrzehnte andauernden Krieg, jahrelangen Verhandlungen und einem gescheiterten Friedensanlauf ist der Weg zur Aussöhnung in Kolumbien endgültig frei: Das Unterhaus billigte am Mittwoch einen überarbeiteten Friedenspakt zwischen der Regierung und der linken Rebellenorganisation Farc - und folgte damit einem Senatsvotum vom Vortag. Die Entscheidung fiel in beiden Kammern einstimmig, doch waren oppositionelle Abgeordnete um Ex-Präsident Álvaro Uribe aus Protest ferngeblieben. Staatschef Juan Manuel Santos feierte den Beschluss des Abkommens indes schon nach der Senatsabstimmung und sprach vom Beginn einer „neuen Ära“.

Der blutige Konflikt in Kolumbien hatte in einem halben Jahrhundert mindestens 220.000 Menschenleben gefordert, mehr als fünf Millionen Menschen wurden vertrieben.

Seit November 2012 hatten Regierungsvertreter und Farc-Gefolgsleute um eine Friedenslösung gerungen. Ein Abkommen fiel in seiner ersten Version bei einem Referendum im Oktober jedoch durch. Danach verständigten sich die Parteien auf mehr als 50 Änderungen am Vertragswerk, damit es auch unter konservativen Kolumbianern Akzeptanz findet. Einen zweiten Volksentscheid soll es nach Angaben von Santos nicht geben.

Zu den Vertragsänderungen zählen ein Ausschluss ausländischer Richter bei Prozessen über Verbrechen der Farc oder der Regierung und ein Verzicht der Rebellen auf durch Drogenschmuggel erworbene Vermögenswerte. Mit ihnen sollen Opfer entschädigt werden. Auf die schärfste Forderungen der Kritiker ließ sich die Farc allerdings nicht ein: Haftstrafen für Rebellenführer, die Gräueltaten verübten, und eine striktere Beschränkung einer im Pakt vereinbarten künftigen Teilhabe der Aufständischen am politischen Geschehen.

Friedensvertrag mit Farc-Rebellen in Kolumbien beschlossen

Zu den führenden Bedenkenträgern gehört Ex-Präsident Uribe, dem die Zugeständnisse im 310 Seiten starken Vertragstext nicht weit genug gehen. „Es muss eine Balance zwischen Frieden und Gerechtigkeit geben, doch in diesem Abkommen herrscht komplette Straflosigkeit“, monierte der jetzige Senator am Dienstag während der hitzigen Debatte im Oberhaus. Andere Senatoren warfen Uribe indes vor, eben jenem Friedensdeal im Wege zu stehen, den er während seiner eigenen Präsidentschaft von 2002 bis 2010 angestrebt habe.

Die Ratifizierung des Friedenspakts läutet eine sechsmonatige Phase ein, in der die mehr als 8000 Guerillakämpfer der Farc sich an rund 20 ländlichen Orten im Land sammeln und ihre Waffen an Beobachter der Vereinten Nationen übergeben sollen.

Doch beharrten die Rebellen darauf, dass einer Demobilisierung zuerst ein Gesetz zur Freilassung von rund 2000 inhaftierten Aufständischen vorausgehen müsse. „Der Tag X beginnt, nachdem die ersten Maßnahmen umgesetzt sind“, stellte Rebellenführer „Pastor Alape“ vergangene Woche nach der Unterzeichnung des neuen Abkommens klar.

Die Amnestie-Debatte wirft ein Schlaglicht auf die ersten Hürden des Friedenspakts: In einigen Punkten wären Verfassungsänderungen für eine Umsetzung des Pakts nötig, die der Kongress noch verabschieden müsste. Zudem müsste er Sonder-Friedenstribunale einrichten. Abseits der rechtlichen Herausforderungen gibt es Sorge, dass Farc-Kämpfer sich kriminellen Banden im Land oder der kleineren Rebellengruppe ELN anschließen könnten. Erst am Mittwoch hatten die Regierung und ELN den Start von Friedensgesprächen bis Januar vertagt.

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