Nach über 52 Jahren Guerillakrieg haben sich die kolumbianische Regierung und die Farc auf einen Friedensvertrag geeinigt. „Wir haben die schönste aller Schlachten gewonnen: den Frieden in Kolumbien“, erklärte der Chefunterhändler der linken Rebellengruppe, Ivan Márquez, am Mittwoch bei der Bekanntgabe der historischen Übereinkunft in Havanna. Den Pakt müssen die Bürger noch in einer Volksabstimmung billigen, die Präsident Juan Manuel Santos für den 3. Oktober ansetzte.
Der Staatschef feierte die Übereinkunft als Chance, nach Jahrzehnten der politischen Gewalt mit mehr als 220.000 Toten ein neues Kapitel aufzuschlagen. Auch US-Präsident Barack Obama begrüßte die Einigung zur Beilegung eines der ältesten bewaffneten Konflikte der Welt.
Seit November 2012 hatten Regierungsvertreter und Farc-Gefolgsleute um eine Friedenslösung gerungen. An den Verhandlungstisch zwangen die Farc schwere Verluste binnen eines Jahrzehnts: Eine Reihe ranghoher Kommandeure der Rebellenorganisation wurde unter Mithilfe der USA vom kolumbianischen Militär getötet. Schließlich dünnten sich die Reihen der Farc stark aus, zuletzt verfügte sie über 7000 Kämpfer.
Der Durchbruch bei den Verhandlungen kam im September vergangenen Jahres, als Präsident Santos nach Havanna reiste, um mit Farc-Kommandeur Rodrigo Londono Rahmenbedingungen für die Ermittlungen zu Gräueltaten der Rebellen und Entschädigungen für Opfer abzustecken.
Was Sie zu den Farc-Rebellen wissen müssen
Die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens - Volksarmee (Farc-EP) sind die größte und älteste Guerillaorganisation Lateinamerikas. Gemeinsam mit anderen Rebellengruppen kontrollierten sie einst große Teile von Kolumbien. Seit 2002 drängte das Militär die Farc immer weiter zurück. Nach Einschätzung von Experten hat die Guerilla derzeit noch rund 8000 Kämpfer unter Waffen.
Die Ursprünge liegen im Bürgerkrieg zwischen der liberalen und konservativen Partei in Kolumbien in den 1950er Jahren. Später diente die Guerilla der Kommunistischen Partei als militärischer Arm. Mit der Partei Unión Patriótica (UP) versuchte die Farc ab 1984, in die Politik einzusteigen. Rechte Paramilitärs töteten daraufhin Tausende Anhänger und Politiker der UP. Auf dem Höhepunkt ihrer Macht führten die Farc von 1998 bis 2002 bereits einmal Friedensgespräche mit der Regierung. Damals wurde ihr eine demilitarisierte Zone von der Größe der Schweiz eingeräumt. Allerdings nutzten die Rebellen das Gebiet als Rückzugsort nach Angriffen und die Verhandlungen scheiterten.
Die Farc finanzieren sich durch den Drogenhandel, den illegalen Bergbau und Entführungen. Eines der prominentesten Opfer war die frühere kolumbianische Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt, die bis zu ihrer Befreiung 2008 über sechs Jahre in ihrer Gewalt war.
Der Schritt galt jedoch als äußerst umstritten. Gegner von Santos und einige Menschenrechtsgruppen stießen sich vor allem an dem Kernstück des Deals, wonach geständige Guerillakämpfer von einer Haftstrafe befreit werden. Stattdessen werden sie für maximal acht Jahre dazu verpflichtet, beim Aufbau der unter dem Konflikt leidenden Gegenden zu helfen. Während des Guerillakriegs waren mehr als fünf Millionen Menschen vertrieben worden.
Nicht weniger umstritten war ein Zugeständnis Santos', das Farc eine politische Teilhabe in Kolumbien garantiert. Danach bekommen frühere Rebellenführer Sitze im Kongress zugesprochen, die eigens für den noch unbenannten politischen Arm der Farc reserviert sind. In dem Friedensvertrag wurde festgelegt, dass die linke Bewegung für zwei Legislaturperioden bis 2026 fünf Mandate im Unterhaus sowie fünf weitere im Senat erhält. Danach müssen die einstigen Aufständischen an der Wahlurne ihre politische Relevanz unter Beweis stellen.
Der Friedenspakt verpflichtet die Regierung zu einer umfangreichen Landreform. Zudem soll sie ihre Anti-Drogen-Politik überarbeiten und eine stärkere Rolle in traditionell vernachlässigten Gegenden Kolumbiens einnehmen. Die Farc war massiv in den Kokainhandel in Kolumbien verstrickt, etliche ihrer Führungsmitglieder wurden daher in den USA angeklagt.
US-Präsident Obama sprach in einer Reaktion auf den Deal von einem „einem wichtigen Augenblick in einem langen Prozess“ auf dem Weg zu einer „gerechten und nachhaltigen Friedensvereinbarung.“ Diese könne Sicherheit und Wohlstand des kolumbianischen Volkes mehren.
In Bogotá verfolgten rund 400 Menschen vor einem großen Fernsehbildschirm die Bekanntgabe der Einigung. „Ich kann nun in Frieden sterben, weil ich endlich mein Land ohne Gewalt mit einer Zukunft für meine Kinder erlebe“, sagte einer der Teilnehmer, Orlando Guevara.