Konjunktur Platzt in China die nächste Blase?

Schneller als andere Länder lässt China die Krise hinter sich. Auch der Westen profitiert vom neu entfachten Boom. Doch der Aufschwung ist mit billigem Geld teuer erkauft – und das könnte die Wirtschaft in neue Turbulenzen stürzen.

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Exporte: Der billige Yuan lässt die Ausfuhren steigen Quelle: Laif/Gamma

Einmal im Jahr, meist im November, lädt Frank-Jürgen Richter Chinas Wirtschaftselite nach Europa. Chefs chinesischer Rohstoffkonzerne, CEOs von Fluggesellschaften, Banken, aber auch Gründer von Startup-Unternehmen aus dem Reich der Mitte folgen dem Ruf des Chefs und Gründers des Genfer Unternehmernetzwerks Horasis. Gemeinsam mit Wirtschaftsvertretern aus Europa diskutieren die Chinesen den ökonomischen Fortgang in ihrem Land. Vergangene Woche, beim diesjährigen Treffen in Lissabon, mischte sich neben anderen westlichen Wirtschaftsgrößen auch BASF-Asienvorstand Martin Brudermüller unter Chinas Unternehmenselite. Richters „Global China Business Meeting“ gilt in der Branche auch als hochkarätige Kontaktbörse.

Fast euphorisch war die Stimmung diesmal in Lissabon, kein Vergleich zum Treffen des vergangenen Jahres in Barcelona, wo Klagen über die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise das Treffen dominierten. „Es ist, als habe es in China nie eine Krise gegeben“, rief Richter den rund 500 Zuhörern in Lissabon zu. Die angereisten Chinesen nickten zustimmend.

Der Optimismus ist nach China zurückgekehrt, das Land ist aus seiner kurzen, aber heftigen Starre erwacht. Das milliardenschwere Konjunkturprogramm der Regierung und die boomende Kreditvergabe wirken wie ein Adrenalinstoß. Während sich die USA, Europa und Japan nur mühsam aus dem Tal der Rezession emporarbeiten, stürmt Chinas Wirtschaft voran, als habe es keine Krise gegeben. Im dritten Quartal legte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um knapp neun Prozent zu – so stark wie seit dem Lehman-Schock nicht mehr.

China als Lokomotive für die USA?

Einige Experten hoffen nun sogar, China könne die Rolle der Lokomotive für die Weltwirtschaft von den USA übernehmen. Die US-Konsumenten hatten jahrelang auf Pump gelebt – und ihr Importhunger dem Rest der Welt blendende Geschäfte beschert. Doch nach dem Platzen der Blase am Immobilien- und Kreditmarkt ist es damit vorbei. Hohe Schulden und steigende Arbeitslosigkeit zwingen die US-Bürger, beim Geldausgeben mehrere Gänge zurückzuschalten.

Übernähmen jetzt die Verbraucher in China die Staffel von den Amerikanern, wäre die Fortsetzung des globalen Aufwärtstrends gesichert – eine gute Nachricht gerade auch für den Exportweltmeister Deutschland. Zudem würden die weltweiten Handelsungleichgewichte abnehmen und mit ihnen das Risiko protektionistischer Konflikte. Doch die Hoffnungen auf Chinas Wirtschaft als Retter in der Not könnten sich als Schimäre erweisen. Die Binnennachfrage ist noch zu schwach, um der Weltwirtschaft nennenswerte Impulse zu geben. Und die Konjunkturprogramme der Regierung sowie die Geldspritzen der Notenbank haben Blasen erzeugt, deren Platzen nicht nur China wirtschaftlich zurückwerfen könnte.

Wie schnell allzu hoch fliegende Erwartungen im Hinblick auf Chinas ökonomische Stärke enttäuscht werden können, haben Ökonomen im vergangenen Jahr erfahren. Als die Lehman-Pleite die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrunds drängte, glaubten viele, Asien und vor allem China könnten sich abkoppeln. Doch es kam anders. Die für Chinas Wirtschaft so wichtigen Exporte brachen zeitweise um mehr als 25 Prozent ein, weil die Konsumenten in Amerika und Europa streikten. Hunderttausende Spielzeug-, Elektro- und Textilhersteller in den großen Produktionszentren im Osten und Süden Chinas machten dicht. Über Nacht stellten Zehntausende Baustellen den Betrieb ein, weil den Immobilienfirmen das Geld ausgegangen war – Haus- und Wohnungsverkäufe waren eingebrochen.

Bis März dieses Jahres hatte sich Chinas Wirtschaftswachstum auf 6,1 Prozent abgekühlt. Doch das Land benötigt mindestens acht Prozent Zuwachs, um genug Jobs für all die Millionen zu schaffen, die jedes Jahr neu auf den Arbeitsmarkt drängen. Die Furcht vor sozialen Unruhen griff um sich, weil Chinas Unternehmen binnen weniger Wochen mehr als 20 Millionen Wanderarbeiter auf die Straße setzten. In manchen Städten kam es gar zu Ausschreitungen zwischen entlassenen Arbeitern und ihren Bossen.

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