Kreditblase China bedroht die Weltwirtschaft

Seite 3/5

Gefährliche Insolvenzwelle

Hier ist die Luft raus
ChinaChinas Wirtschaft wuchs im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 7,7 Prozent, das war weniger als im Vorquartal und blieb auch unter der Analystenprognose von acht Prozent. "Die allseits erhoffte Beschleunigung der wirtschaftlichen Aktivität in China blieb trotz großzügiger Kreditvergabepolitik aus", sagten Experten. Nun mehren sich die Sorgen, dass die asiatische Konjunkturlokomotive an Schwung verliere, erklärten die Analysten der National-Bank die Reaktion an den Finanzmärkten. Das schwächere Wirtschaftswachstum Chinas hat bereits die Anleger an den Finanzmärkten vergrault, Verschärfungen im Immobiliensektor und eine höhere Inflation führten zu einem Kursrückgang chinesischer Aktien. Moody's senkte den Ausblick für die Chinas Kreditwürdigkeit von positiv auf stabil, woraufhin sich Kupfer und Öl deutlich verbilligten, da Investoren eine schwächere Nachfrage aus der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt fürchteten. Quelle: Reuters
BrasilienBrasilien war 2012 ein beliebtes Investitionsziel: Anleger brachten insgesamt 65,3 Milliarden Dollar in das lateinamerikanische Land. Trotzdem nahm das Wachstum über das gesamte Jahr 2012 um 0,9 Prozent ab. Nur im letzten Quartal stieg das Wachstum um -1,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. In den ersten beiden Monaten 2013 gingen daraufhin die Zuflüsse von neun Milliarden Dollar im selben Zeitraum des Vorjahres auf 7,5 Milliarden Dollar zurück.Auch die Kurse brasilianischer Aktien gingen wegen des schwächeren Real, der höheren Arbeitslosigkeit, der Inflation und des relativ geringeren BIP-Wachstums auf Talfahrt. Quelle: dpa
IndienDie Reserve Bank of India (RBI) hat ihre Wachstumsprognose für 2013 von 5,8 Prozent auf 5,5 Prozent gesenkt. Behalten die Experten Recht, wäre das die niedrigste Wachstumsrate seit 2003. Schon 2012 hatte das Bruttoinlandsprodukt unter der schwächelnden Landwirtschaft und der Schwäche im Dienstleistungssektor zu leiden. Das BIP-Wachstum Indiens ging von 5,3 Prozent im dritten auf 4,5 Prozent im vierten Quartal zurück. Hoffnung ruht jetzt auf dem Vorhaben der Zentralbank, die Richtlinien für Banklizenzen an private und öffentliche Gesellschaften zu vereinfachen. Dadurch könnten weitere Banken gegründet werden. Quelle: AP
Südafrika2012 ist die südafrikanische Wirtschaft um 2,5 Prozent gewachsen, nach 3,5 Prozent im Jahr 2011. Die Kapitalzuflüsse ausländischer Investoren (foreign direct investments) nahmen im Jahr 2012 sogar um 24 Prozent ab. Mit Kapitalzuflüssen in Höhe von 4,5 Milliarden Dollar war das das schlechteste Ergebnis seit dem Jahr 2010. Grund für das rückläufige Wachstum und die daraus resultierende Investorenflucht sollen hohe Treibstoffpreise, Inflation, eine Abwertung des Rand sowie eine schwächere Auslandsnachfrage nach südafrikanischen Exporten sein. Dementsprechend senkte die südafrikanische Regierung auch für 2013 die Prognose: Statt 3,0 Prozent soll das BIP nur um 2,7 Prozent wachsen. Quelle: dpa
TürkeiIn der Türkei schwächelt die Binnennachfrage. Das Wirtschaftswachstum im Jahr 2012 betrug nur noch 2,2 Prozent - das ist der niedrigste Wert seit 2009. In den Jahren 2010 und 2011 erzielte die Türkei noch Wachstumsraten von neun Prozent. Quelle: AP
RusslandAuch in Russland fiel das Wirtschaftswachstum auf den niedrigsten Stand seit 2009 zurück: 2012 erreichte das BIP-Wachstum nur 3,4 Prozent. 2011 waren es noch 4,3 Prozent Wachstum gewesen. Analysten hoffen auf die rund 30 Wirtschaftsabkommen, die die russische Regierung mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping geschlossen hat. Energielieferungen und Militärtechnologie könnten die Wirtschaft beider Länder ankurbeln. Quelle: AP
SüdkoreaInsgesamt ist das südkoreanische BIP im Jahr 2012 um zwei Prozent gewachsen - das ist das schlechteste Ergebnis seit 2009. Schuld an der vergleichsweise mauen Entwicklung sind die schwachen Exportzahlen, der unerwartet schwache globale Aufschwung und geringere Investitionen. Auch 2013 soll es nicht viel besser werden: Das Finanzministerium senkte seine Wachstumsprognose von 3,0 auf 2,3 Prozent. Quelle: AP

Das grundsätzliche Problem aber wurde so nicht gelöst. Im Gegenteil, allen Beteiligten signalisierte das Vorgehen, dass im Notfall die Regierung einspringt, die hinter den namenlosen Investoren gesteckt haben dürfte. Die Aussicht auf Rettung durch den Staat verleitet Trusts und Sparer dazu, immer risikoreichere Kredite zu vergeben, beziehungsweise immer dubiosere WMPs zu zeichnen. Die Kreditspirale dreht sich immer schneller.

Andy Xie, ein unabhängiger Analyst, hofft deswegen geradezu auf die Pleite eines Trusts: „Die Investoren spekulieren auf Bailouts der Regierung“, sagt er. Eine Reihe von Pleiten hätte einen reinigenden Effekt auf die Realwirtschaft. Mit einem Großteil des Geldes werde ohnehin auf steigende Immobilienpreise spekuliert. Ein anderer Teil diene dazu, ineffektive und unproduktive Projekte der Lokalregierungen zu finanzieren. „Wenn China nachhaltiger und qualitativer wachsen will, ist es gesund, einige dieser Produkte platzen zu lassen“, sagt Xie. „Auch wenn das kurzfristig zu Problemen führt.“

Nur weiß niemand genau, wie groß die Turbulenzen im Fall einer Pleite wären. Verlieren Anleger erst einmal Geld bei einem als sicher angepriesenen Produkt, könnte das eine verheerende Signalwirkung haben. „Erlaubt man eine Pleite, wird das Geld von vielen WMPs in einer Geschwindigkeit abgezogen, die auch gesunde Verleiher stark unter Druck setzt“, sagt Michael Pettis, Professor für Finanzwesen an der Peking-Universität.

Gefährliche Insolvenzwelle

Die darauffolgende Geldknappheit werde auch gesunde Unternehmen treffen. Die Kreditkrise könnte sich zu einer Wirtschaftskrise auswachsen. Denn schon jetzt ist Geld knapp in China. „Viele unserer Kunden berichten von Problemen bei chinesischen Banken, langfristige Kredite zu bekommen“, sagt Edith Weymayr von der Commerzbank. Niemand weiß, wie eng die Verflechtungen zwischen Fondsanbietern und Banken sind. Auch Lokalregierungen haben in die Produkte investiert. Am wahrscheinlichsten ist eine Kettenreaktion, die zu massiven Zahlungsausfällen führt. Indirekt hätte das auch Folgen für ausländische Unternehmen in China, warnt Weymayr: „Eine Kreditkrise beträfe deutsche Unternehmen insbesondere dann, wenn deren chinesische Geschäftspartner in Zahlungsschwierigkeiten gerieten oder keine Bestellungen mehr tätigen, da ihre Finanzierung nicht gewährleistet ist.“

Die Kreditexzesse in China... haben zu gefährlichen Blasen am Immobilienmarkt geführt (zum Vergrößern bitte anklicken)

Bisher versucht die Regierung, sich durchzuwursteln: Sie springt für angeschlagene Trust-Produkte ein und versucht gleichzeitig, den Sektor auszutrocknen. Im vergangenen Juni entzog die Zentralbank den Geschäftsbanken schlagartig Liquidität. Das Vorgehen sollte die Banken dazu anhalten, ihre Kreditvergabepraktiken zu überdenken. Doch weniger Geld im Markt treibt nur noch mehr Unternehmen zu den Schattenbanken.

Die Freigabe der Zinsen könnte den wuchernden Schattenbankensektor zurückdrängen. Denn der Wettbewerb dürfte die Banken zwingen, mit höheren Zinsen um die Spareinlagen der Kunden zu werben. Legen diese ihr Geld bei den Banken an, statt WMPs zu kaufen, müssen auch die Trusts ihren Sparern höhere Zinsen bieten. Die steigenden Finanzierungskosten dürften sie an ihre Kreditkunden weitergeben.

Das könnte manche Unternehmen in Schwierigkeiten bringen. „Investitionsprojekte könnten in der Schublade bleiben“, urteilt UniCredit-Ökonom Keis. Zwar will die Regierung die starke Abhängigkeit des Landes von Investitionen und Exporten reduzieren. Doch dabei könnte ihr die Kontrolle entgleiten. „Je stärker die Regierung die Finanzmärkte und die Zinsen liberalisiert, desto stärker entziehen sie sich der direkten Steuerbarkeit“, sagt Keis. So könnte ausgerechnet die Einführung von Marktwirtschaft im Finanzsektor einen Crash auslösen.

Dessen Nachbeben würden die gesamte Weltwirtschaft erschüttern. Das Krisenvirus dürfte sich in Windeseile über die Finanz- und Gütermärkte weltweit ausbreiten. Zwar sind die chinesischen Banken international nicht so stark vernetzt wie ihre Konkurrenten aus Amerika und Europa. Eine Banken- und Kreditkrise in Fernost würde jedoch massiv auf die Stimmung der Börsianer in New York, Tokio und London drücken. Eine globale Abwärtsspirale an den Börsen verschlechterte die Finanzierungsbedingungen für Unternehmensinvestitionen dramatisch.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%