Kredite Kampf um den Traum vom Eigenheim

Aus Angst vor einer Immobilienblase hat die Bundesregierung die Kreditvergabe erschwert. Nach Ansicht einiger Bundesländer ist sie dabei übers Ziel hinausgeschossen. Sie fordern Korrekturen.

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Aus Angst vor einer Immobilienblase hat die Bundesregierung die Kreditvergabe erschwert. Quelle: dpa

Berlin Ein Rentnerehepaar, 72 und 78 Jahre, will sein schuldenfreies Haus altersgerecht umbauen. Dass der Kredit dafür bewilligt wird, da sind sie sich sicher. Das Haus ist schließlich abbezahlt, sie sind ihr Leben lang allen vertraglichen Pflichten nachgekommen. Doch der Kredit wird abgelehnt. Die Gründe: zu niedrige Renten, eine geringe statistische Lebenserwartung – im Ergebnis keine ausreichende Wahrscheinlichkeit, dass sie den Kredit zurückzahlen.

Was klingt wie ein tragischer Einzelfall ist zur Regel geworden, sofern man den Aussagen von Landespolitikern aus Baden-Württemberg und Hessen glauben mag. Mit der Geschichte des Ehepaars versucht Edith Sitzmann (Grüne), Finanzministerin Baden-Württembergs, derzeit für eine Gesetzesinitiative im Bundesrat zu werben. Früher wäre der Kredit in Ordnung gegangen, hätte es bei der Bank des Seniorenpaares geheißen, weil das schuldenfreie Haus als Sicherheit zur Verfügung stand. „Doch all das zählt seit der Umsetzung der Immobilienkreditrichtlinien in deutsches Recht nicht mehr“, sagt Sitzmann.

Noch im März dieses Jahres hatte die Bundesregierung die Richtlinien zur Vergabe von Immobilienkrediten der Europäischen Union (EU) in deutsches Recht umgesetzt. Die neuen Richtlinien aus Brüssel sollen „Verbraucher vor Überschuldung schützen und Banken vor faulen Krediten bewahren“.

Banker sollen demnach gründlicher prüfen, ob ein Kunde den Kredit über die gesamte Laufzeit, also innerhalb der statistischen Lebenserwartng, bedienen kann. Zumindest besage das die Auslegung der Bundesregierung, heißt es im Umfeld der Kritiker im Bundesrat. Hingegen sehe Brüssel durchaus Ausnahmeregelungen vor. Zusätzlich sind bei der Vergabe nicht mehr nur persönliche Verhältnisse des Antragsstellers oder Wert des Grundstücks ausschlaggebend – sondern beides.

Daher haben Baden-Württemberg und Hessen einen Vier-Punkte-Plan ausgearbeitet, der derartige Defizite ausbessern soll. Der unbestimmte Begriff „Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung“ soll eingegrenzt werden. Verbraucher und Banken sollen so an Rechtssicherheit gewinnen. Außerdem will man den Verlust von Eigenheimen verhindern, wenn erneuerte Rechtsvorgaben rückwirkend an der Kreditwürdigkeitsprüfung scheitern ließen. Die statistische Lebenserwartung dürfe in Fällen von altersgerechtem Umbau, Modernisierung und energetischer Sanierung bei der Kredit-Entscheidung nicht weiter ins Gewicht fallen.

Nicht nur Senioren sind betroffen

Zuletzt sollen sogenannte Verzerrkredite von der Umsetzung der Regierung ausgeschlossen werden, wie es auch aus Brüssel vorgesehen sei. Mit einer Ausgliederung aus dem Gesetz besteht mehr Aussicht auf Erfolg bei der Antragsstellung. Derartige Finanzierungen können Senioren mit geringen Renten helfen, ohne dass diese durch Tilgung oder Zinsen zusätzlich belastet werden: Als Rückzahlung dient stattdessen das Wohneigentum des Kunden, sobald dieser verstorben ist. Durch den einfacheren Weg zum Verzerrkredit könnte „der Weg ins Heim vermieden werden“, so Sitzmann.

Dass es knapp ein halbes Jahr schon eine Initiative zur Änderung der Regelungen gäbe, sei durchaus ungewöhnlich, gibt Thomas Schäfer (CDU) zu. Hessens Finanzminister ergänzt: „Das setzt voraus, dass man sich bei der Problemanalyse relativ sicher sein kann.“ Die grüne Finanzministerin und ihr CDU-Kollege sind sich das - und treiben deshalb in ungewohnter Allianz ihre Initiative voran. Mittlerweile liegt der Entwurf zur Beratung in fünf Ausschüssen des Bundesrats vor.

Auch andere Bevölkerungsgruppen als Senioren sind betroffen, heißt es bei Verbraucherschützern: Junge Paare mit Kinderwunsch bekommen keine Finanzierung für ein größeres Eigenheim, da der anstehende Mutterschutz das Einkommen der Familie reduzieren würde. Schäfer bezeichnete die Umsetzungen der Bundesregierung als „Kollateralschaden, der weite Kreise der Bevölkerung erkennbar diskriminiere“.

Reichlich Gegenwehr zum Gesetzentwurf kommt vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz. Dessen parlamentarischer Staatssekretär Christian Lange (SPD) argumentiert, die Richtlinien gingen auf die Erfahrung der Finanzkrise zurück. Damals seien faule Kredite entstanden, da die Kreditwürdigkeit ausschließlich durch das Grundstück bewertet wurde. „Solche Situationen sollen in der Zukunft verhindert werden, ich hoffe wir sind uns da nach wie vor einig“, sagte er. Außerdem sei die Behauptung, ein Kredit müsse innerhalb der statistischen Lebenserwartung zurückgezahlt werden, pauschal nicht richtig.

„Dennoch nimmt die Bundesregierung die Kritik ernst“, verspricht Lange. Das Justizministerium sei gemeinsam mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in einem Dialog mit der deutschen Kreditwirtschaft und Verbraucherschützern, um zu klären, wo genau die Probleme bestehen.

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