Kreml-Kontakte der Trump-Regierung „Das grenzt an Landesverrat“

Donald Trump jr. wusste von den Versuchen des Kreml, seinem Vater zum Wahlsieg zu verhelfen. Das belegen E-Mails mit Angeboten von belastendem Material über Hillary Clinton. Die Affäre erreicht damit eine neue Dimension.

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Donald Trump jr. führt sein Leben als Sohn. Er tut alles für seinen Vater, den US-Präsidenten, bewundert ihn, eifert ihm nach – beruflich und politisch. Er hat mit seinem Bruder Eric die Führung der Trump-Organisation übernommen, er tritt als Wählkampfer auf und betätigt sich im Netz als virtuelle Abwehrkante der Regierungsmannschaft. Spezialisiert ist er aufs Abräumen und Kontern. Wenn es einen neuen Bericht über die Russland-Verbindungen der Trump-Kampagne gibt, schleudert Donald jr. den Medien das Fake-News-Label entgegen. Die Aggressivität seiner Twitter-Botschaften präsentiert den ältesten Sohn des amerikanischen Präsidenten als würdigen Erbfolger der Familiendynastie.

Doch jetzt wird klar: Der leidenschaftliche Einsatz für seinen Vater hat Donald Trump jr. in juristische Schwierigkeiten gebracht. Mit seinem Eingeständnis, dass er sich im Sommer 2016 mit der Kreml-nahen Anwältin Natalja Weselnitzkaja getroffen hatte, um Schmutz über die Demokratin Hillary Clinton zutage zu fördern, ist er zur Schlüsselfigur der Russland-Affäre geworden.

Als „abstoßend“ und „heuchlerisch“ hatte Donald jr. bisher den Verdacht zurückgewiesen, dass es Absprachen zwischen der Wahlkampagne seines Vaters und dem Kreml gegeben habe. Nun steht er selbst als Heuchler da. Die Enthüllungen kommen Schlag auf Schlag. Am Samstag bestätigte Donald jr. einen Bericht der „New York Times“ über sein Treffen mit Weselnitzkaja im New Yorker Trump Tower, stellte es aber als Unterredung über ein Adoptionsprogramm für russische Kinder dar.

Am Sonntag, nach einem weiteren „New York Times“-Bericht, veröffentlichte Donald jr. eine neue Erklärung. Ja, er habe das Gespräch mit Weselnitzkaja vereinbart, weil diese behauptet hatte, belastendes Material gegen Clinton zu besitzen. Allerdings hätten ihre Auskünfte „keinen Sinn ergeben“ und man sei schnell zu anderen Themen übergegangen. Nun kommt heraus, dass auch diese Version des Treffens unvollständig war. Donald jr. soll von einem Vertrauten in einer E-Mail darauf hingewiesen worden sein, dass die Informationen Weselnitzkajas Teil einer Kampagne der russischen Regierung seien, die Präsidentschaftskandidatur seines Vaters zu unterstützen. Kurz nachdem die „New York Times“ aus der E-Mail zitiert hatte, veröffentlichte Donald jr. die gesamte Kommunikation auf Twitter. Ein früherer Geschäftspartner der Trump-Familie schrieb ihm am 3. Juni 2016, er habe Dokumente, die „Hillary Clinton inkriminieren und sehr nützlich für seinen Vater sind“. Donald jr. antwortete: „Ich liebe es.“
Wenige Wochen nach dem Treffen in New York stellte die Enthüllungsplattform Wikileaks interne E-Mails der demokratischen Partei ins Netz. US-Geheimdienste sind sich sicher: Die gestohlenen Daten stammten von russischen Cyberagenten. Hat Trump jr. mit Weselnitzkaja darüber geredet?
Bisher war die Russland-Affäre eine Verschleierungskampagne, ein Netz der Lügen und Halbwahrheiten, ohne belegte Straftat. Die neuen Enthüllungen allerdings kommen der berüchtigten „Smoking Gun“ schon ziemlich nahe: dem konkreten Beweis für illegale Absprachen zwischen Trumps Wahlhelfern und Personen aus dem Orbit des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Eine Verschwörung ist zwar nicht belegt, wohl aber die Bereitschaft, sich auf ein Verschwörungsangebot einer gegnerischen Macht einzulassen.

Projekt „Schwamm drüber“

Einige Rechtsexperten glauben, hier einen Hinweis auf ein schweres Verbrechen zu erkennen. „Das grenzt an Landesverrat“, sagt Richard Painter, Ethikberater der Regierung von Expräsident George W. Bush. „Patriotische Amerikaner nutzen keine russischen Agenten, um Wahlen zu gewinnen.“

Der Geheimdienstausschuss des Senats will Donald jr. möglichst bald vernehmen. Auch Sonderermittler Robert Mueller, der die Affäre aufklären soll, wird sich für die Aussagen des Präsidentensohnes interessieren.
Für Donald Trump senior, den Präsidenten, sollte nach dem G20-Gipfel in Hamburg eigentlich das Projekt „Schwamm drüber“ beginnen. „Es ist Zeit, nach vorne zu blicken“, twitterte er. Putin habe abgestritten, sich in die US-Wahlen eingemischt zu haben.

Damit ist für Trump der Fall erledigt. Zwischenzeitlich brachte er sogar die Idee ins Spiel, mit den Russen seine Einheit zur Abwehr von Cyberangriffen zu gründen.

Immer mehr Republikaner wagen es, Trump öffentlich zu kritisieren. Auch sie kennen die Umfragen: Trump entwickelt sich zur Belastung für die Partei. In einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Marist geben sich 54 Prozent der Befragten überzeugt, dass sich Trump auf illegale oder zumindest anrüchige Deals mit Russland einließ.

Das liegt vor allem daran, dass die Liste der belasteten Trump-Vertrauten beinahe wöchentlich wächst. Sie reicht von Randfiguren wie Carter Page über Vertrauenspersonen wie Paul Manafort und Michael Flynn bis in den engsten Familienkreis, das Machtzentrum der Trump-Regierung. Neben Donald jr. ist auch Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn, tief in die Affäre verstrickt.

Könnte die Russland-Affäre die Regierung Trump zum Sturz bringen? Der Fall Donald jr. zeigt jedenfalls, wie weit die Seilschaften nach Russland reichen. Die Kreml-nahe Anwältin Weselnitzkaja nahm über den Popstar Emin Agalarow Kontakt zur Trump-Kampagne auf. Agalarow und Donald jr. hatten sich 2013 in Moskau kennengelernt, als Donald Trump senior dort den Schönheitswettbewerb Miss Universe veranstaltete. Der Vater des russisch-aserbaidschanischen Sängers ist ein Oligarch und unterhält enge Beziehungen zu Putin. Emin Agalarow beauftragte seinen Musikagenten, den Briten Rob Goldstone, damit, ein Treffen mit Weselnitzkaja im Trump Tower anzusetzen. Goldstone war es auch, der Donald jr. die E-Mail schrieb.

Die Frage lautet jetzt: Was wusste Donald Trump von den Machenschaften seines Wahlkampfteams? Gilt in der Russland-Affäre die Erkenntnis: wie der Sohn, so der Vater? Abschließende Antworten gibt es noch nicht. Doch der Druck auf den Präsidenten steigt von Tag zu Tag.

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