Krieg in Syrien Teherans blutiger Machtpoker

Der Krieg in Syrien hat die Machtverhältnisse in der Region kräftig durchgeschüttelt. Der Einflussbereich des Iran reicht nun bis ans Mittelmeer. Das ist vor allem Erzfeind Saudi-Arabien ein Dorn im Auge.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der Fall Ost-Aleppos ist nicht nur für Assad ein Erfolg. Quelle: AP

Beirut Nicht nur für Syriens Machthaber Baschar al-Assad ist der Fall Ost-Aleppos der wichtigste Sieg seit Ausbruch des Bürgerkriegs 2011. Auch für die iranische Führung ist dies ein Erfolg. Ohne die Unterstützung schiitischer Kämpfer aus der Islamischen Republik wäre Assads Rückeroberung der Rebellen-Enklave kaum möglich gewesen.

Mit dem militärischen Erfolg ist der Iran seinem Ziel, den Erzrivalen Saudi-Arabien im Wettstreit um die Vorherrschaft in der Region hinter sich zu lassen, einen Schritt näher gekommen. Im Westen wird dies mit Argwohn betrachtet. Die Schar der Iran-Kritiker im Westen wächst, mit noch unabsehbaren Folgen für die nach dem Atomabkommen erreichte Annäherung, von der sich unter anderem Deutschland auch große Geschäfte erhofft.

Mit seiner Einmischung in den Syrien-Konflikt hat der schiitische Iran seine Einflusssphäre von der afghanischen Grenze bis zum Mittelmeer ausgeweitet. Der Krieg hat die Machtverhältnisse kräftig durchgeschüttelt. Nicht nur Syrien ist auf die militärische Hilfe aus Teheran angewiesen. Auch im benachbarten Irak, wo die Schiiten nach dem Sturz des sunnitischen Machthabers Saddam Hussein die Oberhand gewonnen haben, geht ohne die im Iran ausgebildeten Milizen nichts mehr.

Bei der Offensive irakischer Streitkräfte zur Rückeroberung der IS-Bastion Mossul spielen die von Iranern ausgebildeten Kämpfer eine wichtige Rolle. Derzeit kämpfen sie um die Kontrolle von Tal Afar, das zwischen der Hochburg der Extremistenmiliz und Grenze zu Syrien liegt. Mit der Eroberung Tal Afars wäre dem Iran ein militärischer Zugang bis zum Mittelmeer sicher. Auch im Libanon hat der Iran entscheidenden Einfluss – dank historischer Verbindungen zur schiitischen Gemeinschaft und der großzügigen finanziellen Unterstützung der Hisbollah, der bedeutendsten politischen und militärischen Bewegung des Landes. Hisbollah-Einheiten kämpfen auch in Syrien aufseiten der Assad-Truppen.


„Schiitischer Halbmond“ lässt Alarmglocken schrillen

„Es besteht kein Zweifel, dass ein schiitischer Bogen oder Halbmond entsteht“, sagt der Politikwissenschaftler Hilal Khashan von der Amerikanischen Universität in Beirut. „Die Iraner weiten ihren Einflussbereich vom Irak bis in den Libanon aus. Dabei gehen sie mit Ausdauer vor, um schließlich die Früchte ihrer Geduld zu ernten.“

Ein „schiitischer Halbmond“ könnte Experten zufolge eine größere militärische Bedrohung für Israel darstellen, das sich ohnehin durch das iranische Atomprogramm in seiner Existenz gefährdet sieht. Die israelische Regierung ist gegen das Atomabkommen des Westens mit der Islamischen Republik Sturm gelaufen und rennt mit ihrer Kritik offene Türen bei dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump ein. Dieser hat angekündigt, die Vereinbarung neu auszuhandeln.

Auch in anderen westlichen Ländern macht sich zunehmend Unmut über den Iran und sein militärisches Engagement breit. Die Bundesregierung äußerte erst in dieser Woche harsche Kritik an der iranischen Unterstützung für die syrischen Einheiten in Aleppo. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach von Verbrechen des syrischen Regimes, an denen iranische Kämpfer und vom Iran finanzierte schiitische Milizen beteiligt seien.

Besonders im überwiegend sunnitischen Saudi-Arabien lässt der wachsende iranische Einfluss die Alarmglocken schrillen. Diplomaten zufolge hat der Iran bereits 2012 damit begonnen, Tausende Afghanen, Pakistaner und Hisbollah-Kämpfer für einen Einsatz in Syrien auszubilden. Unter dem Kommando von erfahrenen Befehlshabern der Revolutionsgarden haben diese Einheiten den Vormarsch der Rebellen vielerorts aufgehalten. Die Aufständischen in Syrien haben festgestellt, dass die Assad-Einheiten immer dann Erfolge erzielten, wenn auch iranische Kommandeure involviert waren, wie jüngst ein westlicher Diplomat in der Region berichtete.

Saudi-Arabien habe es hingegen versäumt, sich militärisch einzumischen, und die Opposition lediglich mit Geld und Waffen versorgt. „Sie haben Geld geschickt. Sie haben gedacht, das reicht, aber es hat nicht gereicht.“ Analysten gehen davon aus, dass neben den vom Iran trainierten Ausländern auch Hunderte Iraner in Syrien kämpfen.

Die Führung im Iran nennt das Engagement in Syrien nötig, um einen vergleichbaren Konflikt im Inland zu verhindern. Die Propaganda scheint zu greifen: Sehr populär in der Islamischen Republik sind derzeit religiöse Lieder, in denen die Heldentaten schiitischer Kämpfer in Syrien und im Irak gepriesen werden. Auf einer Buchmesse in Teheran standen jüngst Besucher Schlange, um mit Helm und Munitionsgürtel vor einer Fotokulisse zu posieren, die stark an das zerbombte Aleppo erinnerte.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%