Krise im Nahen Osten "Saudis finanzieren mehr Terroristen als Katar"

Katar könnte sich gegen Saudi-Arabiens Isolierungspolitik wehren und seine Gaslieferungen kappen. Nahostexperte Oliver Schlumberger erklärt mögliche Szenarien und warum die USA als Vermittler ausfallen.

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Bei diesen Konzernen hat Katar investiert
Golf-Emirat Katar Quelle: dpa
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WirtschaftsWoche Online: Saudi-Arabien isoliert Katar und US-Präsident Donald Trump gibt seinen Segen. Warum geschieht das gerade jetzt?
Oliver Schlumberger: Das hängt mit Donalds Trumps Auslandsreise nach Saudi-Arabien zusammen, seiner ersten Auslandsreise überhaupt – das war sehr symbolträchtig. Dadurch fühlen sich die Saudis bestärkt, dass sie endlich gegen Katar vorgehen können.

Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabische Emirate werfen Katar vor, Terroristen zu finanzieren. Nach allem, was wir wissen, stimmt das auch.
Es stimmt ganz sicher. Das wissen wir schon länger. Aber: Saudi-Arabien finanziert auch Terroristen. Kataris und Saudis sind etwa beide in Afghanistan aktiv. Global betrachtet unterstützt Saudi-Arabien sogar wohl mehr Terroristen als Katar. Das Argument wird also vorgeschoben.

Was hat Saudi-Arabien dann gegen Katar?
Es geht um drei Dinge. Erstens: Von Katar aus operiert Al Jazeera, der einzige kritische Nachrichtensender in der Region. Der saudische Außenminister hat Al Jazeera wiederholt ein feindliches Medium genannt. Zweitens: Katar soll nicht länger die Muslimbrüder unterstützen. Da sind wir wieder beim Terrorargument. Die Muslimbrüder stellen die Legitimität fast aller Herrscherfamilien in der Region in Frage. Damit sind sie ein natürlicher Feind der Saudis. Das bringt uns – drittens – zum Iran.

Zur Person

Saudi-Arabien und der Iran kämpfen um die Vormachtstellung in der Golfregion.
Und Katar hat das Problem, dass es auf gute Beziehungen mit dem Iran angewiesen ist, denn die beiden Länder teilen sich das weltgrößte Gasfeld. Für Saudi-Arabien aber geht es darum, den Iran zu schwächen. Daher sind ihnen Katars gut-nachbarschaftliche Beziehungen zum Iran ein Dorn im Auge.

Noch eine Sache, die Donald Trump und die Saudis gemeinsam haben.
Die Aversion des US-Präsidenten gegenüber dem Iran kommt den Herrschern in Riad sehr entgegen. Deswegen erwarte ich auch keine Deeskalation durch die Amerikaner. Trump ist in dem Konflikt als Vermittler nicht gut aufgestellt, weil er selbst bereits Position bezogen hat: Der Iran ist für ihn böse. Die Saudis hingegen sieht er als die Guten.

In Katar trifft sind Häfen geschlossen, Landwege gesperrt. Deutsche Firmen vor Ort halten an ihren Geschäften fest und hoffen auf alternative Wege. Doch wer nach Katar liefert, dürfte sich unbeliebt machen.
von Angela Hennersdorf, Matthias Kamp, Peter Steinkirchner

Die Vereinigten Staaten haben 10.000 Mann in Katar stationiert, der größte Militärstützpunkt in der Region. Ist Trumps Schuldzuweisung an Katar nicht gefährlich?
Es ist absurd. Die Amerikaner haben jüngst ihre Angriffe auf die syrische Stadt Raqqa, eine IS-Hochburg, begonnen. Die Luftangriffe laufen von Katar aus. Und gleichzeitig sitzt Trump in Washington und brüskiert einen Verbündeten.

Die USA hätten also etwas zu verlieren, wenn Katar destabilisiert wird.
Ja – wenn die USA beispielsweise ihre Truppen verlegen müssten, weil Katar das so möchte, wäre das sehr kostspielig. Und Katar kann noch mehr tun. Sie könnten Saudi-Arabien und den Emiraten den Gashahn zudrehen. Wenn Katar sich wehrt, verlieren alle.

„Vieles hängt davon ab, ob der US-Präsident weiter Öl ins Feuer gießt“

Manche fürchten, dass der Konflikt dann militärisch eskalieren würde.
Das wäre möglich. Allerdings weiß Katar, dass es militärisch und geografisch winzig ist. Es hätte gegen die Streitkräfte Saudi-Arabiens und der Emirate keine Chance.

Wie geht es jetzt weiter?
Vieles hängt davon ab, ob der US-Präsident weiter Öl ins Feuer gießt, und wie sich Katar verhält. Sollten sie wirklich kein Gas mehr an Saudi-Arabien oder die Emirate liefern, wird es gefährlich.

Wer könnte jetzt vermitteln – die Europäer?
Die Europäer haben nur geringe Eigeninteressen in der Region. Wir sind nicht ausschließlich auf Öl oder Gas von dort angewiesen und haben keine nennenswerten Streitkräfte in der Region. Eigentlich wären wir damit in einer guten Position, zumal Deutschland sehr angesehen ist unter den Golf-Staaten. Die Frage ist nur, wie groß die Spielräume Deutschlands wären. Die Gefahr wäre groß, dass es zu transatlantischen Spannungen kommen könnte. Das wird die Bundesregierung zu vermeiden suchen.

Das ist Katar

Was müssen deutsche Unternehmen fürchten, wenn sich die Krise weiter verschärft?
Wenn Katar ökonomisch in die Enge getrieben wird, hätte das Konsequenzen auf Katars Einnahmen. Dann müssten sie womöglich Auslandsinvestitionen zurückziehen, was wiederum die Deutsche Bank, VW oder Siemens spüren könnten. Ich bezweifle aber, dass Katar sich zuerst aus Deutschland beziehungsweise deutschen Firmen zurückziehen würde. Da ginge es eher um geplante künftige Investitionen, die dann abgesagt werden.

Russische Hacker sollen auf einer katarischen Webseite Fake-News platziert haben, was wiederum Saudi-Arabien provoziert haben soll. Wie plausibel ist das?
Jedenfalls können wir das nicht ausschließen, möglich ist es. Die Frage wäre, welches Interesse Russland daran hätte. Einerseits unterstützt Katar die syrischen Rebellen und will Präsident Baschar al-Assad stürzen. Das hat zu erheblichen Spannungen mit Russland geführt. Andererseits haben sie sich ein Stück weit zusammengerauft. Katar hat etliche Milliarden in russische Infrastrukturprojekte investiert, zuletzt 2,7 Milliarden in Rosneft, das staatlich-russische Ölunternehmen.

Über seinen Staatsfonds ist das Emirat wichtiger Geldgeber von deutschen Konzernen und redet bei Entscheidungen mit. Das ist riskant, sollte Katar im Zuge der Isolation Aufträge aus den anderen Golfländern unterbinden.
von Saskia Littmann, Martin Seiwert, Matthias Kamp, Annina Reimann

Es ist also eher unwahrscheinlich, dass Russland Katar destabilisieren will?
Es gibt durchaus auch Argumente dafür. Russland könnte versuchen, Katar aus der Allianz mit den Vereinigten Staaten herauszubrechen und auf seine Seite zu ziehen.

Das wiederum kann Trump nicht wollen.
Eigentlich nicht. Seine außenpolitische Linie ist aber ziemlich strategiefrei. So warten alle auf seinen nächsten Tweet. Das ist abenteuerlich.

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