Donald Trump hat den demokratischen Gedanken der US-Wahl ein weiteres Mal erschüttert. Indem er sich noch in der Wahlnacht, während die Auszählungen noch lange keinen Sieger erkennen ließen, zum Wahlsieger erklärte und ankündigte, die restlichen Auszählungen gerichtlich stoppen zu lassen.
Nicht nur dies lässt viele Beobachter, vor allem in Europa, an dem demokratischen Geist dieser Wahl zweifeln. Wir versuchen die wichtigsten Fragen und Antworten in diesem Zusammenhang zu beantworten:
Sind die US-Wahlen undemokratisch?
Demokratische Wahlen definieren sich nach deutschem Verständnis durch die fünf Wahlrechtsgrundsätze, wonach das Abstimmungsverfahren „allgemein“, „geheim“, „gleich“, „frei“ und „unmittelbar“ sein muss. Klar ist: Die Stimmabgabe in den USA ist „geheim“ (die Stimmabgabe erfolgt unbeobachtet und unbeeinflusst in einer Wahlkabine), „frei“ (die Kandidatenaufstellung ist frei und es gibt mehrere Kandidaten zur Auswahl).
Strittig ist, ob die Abstimmung auch „allgemein“ und „unmittelbar“ und „gleich“ ist. Ein Wahlrecht ist dann allgemein, wenn es grundsätzlich allen Staatsbürgern ab einem gewissen Alter offen steht, ihre Stimme abzugeben. Menschen dürfen nicht aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Berufsgruppe oder ihrer Bevölkerungszugehörigkeit ausgeschlossen werden. Die eklatanten Wahlrechtshürden insbesondere für Schwarze in den Südstaaten wurden mit einem Bundesgesetz 1965 beseitigt. Allerdings geben noch heute deutlich weniger wahlberechtigte Bürger mit Migrationshintergrund ihre Stimme ab, als etwa Weiße. Hintergrund ist das Registrierungsverfahren im Vorfeld der Wahl, das viele Bürger scheuen. Da es in den USA weder ein zentrales Melderegister gibt noch einen Zwang sich bei Einwohnermeldeämtern anzumelden, gibt es kein zentrales Wählerregister. US-Bürger müssen sich registrieren lassen, um wählen zu können, der Staat kommt nicht – wie in Deutschland per Wahlbrief – auf einen zu. Straftäter, die eine Haftstrafe verbüßen, werden in den USA per se aber – anders als in Deutschland – vom Wahlrecht ausgeschlossen.
Demokratiedefizite weist das US-System auch auf, da es am System mit Wahlmännern festhält. Die Bürger stimmen also nicht für einen Kandidaten ab. Ihr Votum wird lediglich den Wahlmännern – jeder Bundesstaat entsendet je nach Bevölkerungsgröße eine bestimmte Zahl an Wahlmännern – mit auf den Weg ins „Electoral College“, dem Gremium der Entsandten, gegeben. Einen Zwang, sich an das Bürger-Votum zu halten, gibt es für die Wahlmänner aus immerhin 24 der 50 Bundesstaaten nicht. Zwar schickt jeder Bundesstaat abhängig von seiner Größe eine unterschiedliche Zahl an „Electorals“ zur Präsidentenwahl. Kleine Staaten aber werden dabei bevorzugt. So repräsentiert ein Wahlmann aus Kalifornien rund 677.000 Bürger, ein Entsandter aus Hawaii aber nur gut 340.000 Bürger. Die Wählerstimmen können so je nach Bundesstaat ein anderes Gewicht haben.
Was passiert bei einer Patt-Situation?
Ein Patt ist dann möglich, wenn weder Joe Biden noch Donald Trump auf die erforderlichen 270 Wahlmännerstimmen kämen. Beiden würde etwa 269 Stimmen auf sich vereinen. In einer Patt-Situation bestimmen die Wahlstatuten, „dass das Repräsentantenhaus aus den drei Kandidaten mit den meisten Wahlmännerstimmen den Präsidenten wählt.“ Jeder Vertreter der zweiten Kammer des Kongresses bekommt eine Stimme. Da voraussichtlich die Demokraten die Mehrheit der Sitze im House of Representatives stellen werden, könnte die Wahl in diesem Fall auf Biden hinauslaufen.
Hinzu kommt: Eine Mehrheit im Wahlmänner-Gremium zu haben, bedeutet nicht, auch die Mehrheit der Stimmen bekommen zu haben. Siehe 2000: Damals bekam der demokratische Kandidat fürs Präsidentenamt Al Gore 50,99 Millionen Stimmen. Das waren 48,4 Prozent. Sein Kontrahent George W. Bush erhielt nur 50,54 Millionen Stimmen (47,9 Prozent). Bei den Wahlmännern aber lag Bush mit 271 zu 266 Stimmen vorne – und wurde 43. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.
Trump und die Wirtschaft – Der Schnell-Check
Der Immobilienmogul Donald Trump hat sich im Wahlkampf 2016 als großer „Dealmaker“ inszeniert, der die USA zu einem historischen Wirtschaftsboom führen wird. Die Realität während seiner Amtszeit als Präsident konnte da aber nicht ganz mithalten. Die US-Wirtschaft setzte ihren Aufschwung fort: Die Börse erreichte Rekorde, die Arbeitslosigkeit sank auf das niedrigste Niveau seit Jahrzehnten. Doch die Staatsschulden stiegen rasant an und Trumps Handelskrieg erschütterte die Weltwirtschaft. Letztlich machte die Corona-Pandemie seine Bilanz zunichte. Das Virus ließ sich von ihm nicht über Twitter einschüchtern. Den USA droht 2020 eine schwere Rezession. Hier ein Blick auf seine bisherige Wirtschaftsbilanz:
Trump versprach den Wählern 2016 ein größeres Wirtschaftswachstum als unter seinem Vorgänger Barack Obama. Das BIP solle jährlich um mehr als drei Prozent wachsen, kündigte er an. Erfüllen konnte er dieses Versprechen jedoch nicht: Der unter Obama begonnene Aufschwung nach der globalen Finanzkrise setzte sich auch unter Trump fort – fast im gleichen Tempo. 2017 etwa wuchs die Wirtschaft um 2,3 Prozent. Das höchste Wachstum unter Trump gab es – nicht zuletzt dank massiver Steuersenkungen – mit 2,9 Prozent im Jahr 2018. Im Folgejahr fiel die Zunahme angesichts eines global schwächeren Wachstums und Trumps Handelskonflikten um 0,6 Prozentpunkte geringer aus.
In der Vergangenheit ist die US-Wirtschaft mitunter deutlich schneller gewachsen: Ende der 90er-Jahre etwa gab es unter Präsident Bill Clinton vier Jahre in Folge ein Wachstum von mehr als 4 Prozent. 1984 wiederum waren es sogar 7 Prozent. Infolge der Pandemie wird für 2020 nun eine schwere Rezession erwartet.
Die unter Obama begonnene Verbesserung der Lage am Arbeitsmarkt setzte sich unter Trumps Regierung fort. Vor der Zuspitzung der Pandemie war die Arbeitslosenquote auf 3,5 Prozent gesunken, den niedrigsten Stand seit etwa 50 Jahren. Die von der Pandemie ausgelöste Stilllegung des öffentlichen Lebens ließ den Arbeitsmarkt aber brutal einbrechen. Die Arbeitslosenquote schnellte im April auf fast 15 Prozent, den höchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen. Bis September sank die Arbeitslosenquote wieder auf 7,9 Prozent.
Die Statistik erfasst aber nicht alle Menschen, die keinen Job haben und gerne arbeiten würden. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) geht davon aus, dass die wirkliche Arbeitslosenquote derzeit wohl eher bei 10 oder 11 Prozent liegt. Anfang Oktober bezogen laut amtlichen Daten rund 23 Millionen Menschen eine Form von Arbeitslosenhilfe – im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es nur 1,4 Millionen.
Fast zwei Jahre lang erschütterte der von Trump angezettelte Handelskrieg mit China die Weltwirtschaft. Die USA verhängten Strafzölle auf die Einfuhr chinesischer Waren im Wert von fast 500 Milliarden Dollar. Trump setzte über Twitter immer weitere Drohungen ab, um Druck auf die kommunistische Führung in Peking zu machen. Er wollte ein umfassendes Handelsabkommen erzwingen, doch China verhängte ebenfalls Strafzölle und ließ sich nicht einschüchtern.
Die beiden größten Volkswirtschaften einigten sich im Januar schließlich auf eine im Umfang begrenzte „erste Phase“ eines größeren Handelsabkommens. Seit diesem Deal herrscht Waffenstillstand, doch das von Trump angestrebte umfassende Abkommen, das China in die Schranken weisen sollte, blieb ein Wunschtraum. Der Handelskrieg und die Restriktionen gegen Hightech-Unternehmen wie den Telekomriesen Huawei haben zudem dazu geführt, dass China stärker als je zuvor auf heimische Nachfrage, Technologien und Innovationen setzt.
Trumps Steuerreform sollte die größte „Revolution“ seit Ronald Reagans starken Steuersenkungen 1981 werden. Der fiskalpolitische Kraftakt gilt zwar als eine der bedeutendsten Errungenschaften in Trumps Amtszeit, die versprochenen Erfolge für die US-Wirtschaft hielten sich jedoch in Grenzen. Die Senkung der Unternehmensteuern von 35 auf 21 Prozent im Jahr 2017 etwa riss zwar riesige Löcher in den Staatshaushalt, führte aber nicht zum erhofften Investitionsboom. Stattdessen befeuerte die Reform Aktienrückkäufe und Dividenden von US-Konzernen, was vor allem Investoren zugute kam.
Trumps Republikaner gelten traditionell als die Partei, die Defizite und Schulden gering halten will. Als Wahlkämpfer versprach Trump 2016, den US-Schuldenberg „innerhalb von acht Jahren“ abzutragen. Als Präsident macht er aber trotz florierender Wirtschaft das Gegenteil: immer mehr Schulden. Bei Trumps Amtsantritt lag die öffentliche Verschuldung bei 14,2 Billionen US-Dollar, inzwischen sind es rund 21 Billionen. Die Verschuldung liegt damit bei rund 100 Prozent der Wirtschaftsleistung - der höchste Stand seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Das Haushaltsdefizit betrug 2016 knapp 590 Milliarden Dollar, 2019 waren es bereits 984 Milliarden Dollar. Für die Zunahme machten Experten vor allem Steuersenkungen verantwortlich. Das Defizit für das Haushaltsjahr 2020 betrug bisher wegen der Corona-Konjunkturpakete sogar 3,1 Billionen Dollar.
Der Blick auf die US-Börsen bereitet Trump viel Freude, immer wieder erklärt er die Kursentwicklung zum Gradmesser seines persönlichen Erfolges. Tatsächlich ist seine Zeit als Präsident abgesehen vom zwischenzeitlichen Absturz aufgrund der Corona-Krise von einer beeindruckenden Börsenrally begleitet. „Bekomme ich keine Anerkennung hierfür?“, lamentierte Trump Mitte Oktober und beschwerte sich über die Medien: Die „Fake News“ würden ihm seine Meriten verweigern.
Allerdings sehen Ökonomen weniger Trump als Grund für den Boom. Als entscheidend gelten andere Faktoren wie die niedrigen Zinsen und eine enorme Flut an billigem Geld, die Notenbanken in die Finanzmärkte pumpen. Die boomenden Aktienmärkte hat Trump zudem von Obama geerbt, unter dem die Kurse im Schnitt noch stärker stiegen.
Ein wesentlicher Teil von Trumps Wirtschaftspolitik bestand aus dem Zurückdrehen, Lockern und Abschaffen angeblich wachstumshemmender Vorschriften. Von lascheren Abgasstandards für die Autobranche über die Verkleinerung von Naturschutzgebieten zugunsten der Fracking-Industrie über die Befreiung des Bankensektors von Zügeln, die nach der Finanzkrise 2008 auferlegt worden waren – Trumps Regierung deregulierte, was das Zeug hielt. Der langfristige wirtschaftliche Nutzen ist häufig umstritten. So ging die Aufweichung der künftigen Emissionsstandards für Neuwagen sogar Teilen der Autoindustrie zu weit, die eigentlich davon profitieren sollte.
Welche Auswirkung hat Trumps Siegerbehauptung?
Umfragen zufolge haben mehrheitlich Bidens Anhänger von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, per Briefwahl abzustimmen. In umkämpften Bundesstaaten wie Pennsylvania und Nevada können Briefwahlstimmen noch Tage nach der Wahl ausgezählt werden. Das könnte dazu führen, dass dort die Entscheidung für oder gegen Trump erst in den nächsten Tagen fällt. Dann würden die Wahlleute in den Bundesstaaten, in denen sich das Ergebnis dreht, doch nicht Trump, sondern Biden zugesprochen. Trump behauptet seit Monaten ohne jeden Beleg, die Stimmabgabe per Briefwahl begünstige Wahlbetrug. Das sorgte für Verunsicherung.
Trumps Aussagen haben zunächst einmal keinerlei rechtliche Wirkung, es handelt sich um einen politischen Schachzug. Er sät damit vor allem Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl. Er scheint darauf abzuzielen, einen womöglich später verkündeten Wahlsieg Bidens leichter angreifbar zu machen.
Trump kann die Auszählung der verbleibenden Stimmen jedoch nicht durch eine Siegeserklärung stoppen. Um die Auszählung oder einzelne Wahlergebnisse anzufechten, muss er vor Gericht ziehen. Genau das kündigte er im Zusammenhang mit der andauernden Stimmauszählung am Mittwochmorgen (Ortszeit) an. Er dürfte sich dabei auf Bundesstaaten konzentrieren, die den Wahlausgang beeinflussen dürften und in denen ein knappes Ergebnis erwartet wird – wie Pennsylvania.
Was hat das mit der Briefwahl zu tun?
Wegen der Coronapandemie hatten viele Staaten nur Monate vor der Abstimmung die Regeln für die Briefwahl geändert, entweder Abläufe oder Fristen. Grob gesagt wollten die Demokraten das Abstimmen möglichst einfach machen, um eine hohe Wahlbeteiligung zu erreichen. Die Republikaner lehnten das ab.
Bereits vor der Wahl hatte es daher zahlreiche Klagen gegeben, die in mehreren Fällen beim Obersten Gericht in Washington landeten. Dort hat Trump einen Heimvorteil: Sechs der neun Richter gelten als konservativ, drei davon hat der Republikaner selbst nominiert. Nach dem Wahltag dürften Trump für solche Klagen Verzögerungen bei der Auszählung der Briefwahlstimmen gelegen kommen. Umfragen vor der Wahl legten nahe, dass die in den Wahllokalen abgegebenen Stimmen wohl eher zugunsten Trumps ausfallen würden, die Briefwahlstimmen eher für Biden. Nach dieser Logik wäre klar: je länger gezählt wird, desto enger könnte es für Trump werden.
Was, wenn Trump eine Niederlage nach der Auszählung nicht einräumt?
Sind solche Verzögerungen bei der Auszählung in den USA normal?
Sie sind nicht ungewöhnlich. In diesem Jahr hatten wegen der Zunahme der Briefwähler bereits mehrere Bundesstaaten davor gewarnt. Die Auszählung der Stimmen ist wegen zusätzlich nötiger Arbeitsschritte komplexer als das Zählen der in Wahllokalen abgegebenen Stimmen. Der Gouverneur von Pennsylvania, Tom Wolf, etwa hatte die Bürger aufgefordert, sich zu gedulden. Die Auszählung könne etwas länger dauern als gewohnt, „sogar ein paar Tage, aber das ist in Ordnung“, sagte Wolf in einem Werbespot. „Denn es ist entscheidend, dass Ihre Stimme ausgezählt wird – und das wird sie auch.“ Jeder Bundesstaat hat andere Fristen, bis wann die Stimmen ausgezählt sein müssen, meist ist dafür aber reichlich Zeit eingeplant. Spätestens bis 8. Dezember müssen die Staaten dann ihre beglaubigten Wahlergebnisse nach Washington melden.
Wie kann es einen Wahlsieger geben, wenn das Zählen so lange dauert?
In den USA ist es üblich, dass die Präsidentenwahl auf der Basis von Prognosen großer Medienhäuser meist noch in der Wahlnacht entschieden wird. Eine herausragende Stellung kommt dabei der Nachrichtenagentur AP zu: Das Unternehmen steckt viele Ressourcen in die Wahl und wird für seine Unabhängigkeit und Genauigkeit geschätzt. Sobald AP den Gewinner vermeldet, gilt die Wahl eigentlich als entschieden. Bislang haben weder AP noch Fernsehsender wie CNN oder Fox News das Rennen um die Präsidentschaft für entschieden erklärt.
Bei den meisten vergangenen Wahlen räumte der unterlegene Kandidat aufgrund der Prognosen und interner Informationen aus umstrittenen Bundesstaaten meist noch in der Wahlnacht seine Niederlage ein, spätestens am nächsten Morgen. Die eigentliche Auszählung der Ergebnisse und deren Beglaubigung zog sich indes immer länger hin.
Wäre das nicht die Sache eines Bundeswahlleiters?
Es gibt in den USA auf Bundesebene kein Wahlamt und keinen Bundeswahlleiter, der als verbindliche und unabhängige Autorität zeitnah das letzte Wort hätte. In den USA gibt es 51 Wahlleiter: Die Bundesstaaten und die Hauptstadt Washington sind jeweils mit eigenen Gesetzen und Vorschriften für die Organisation der Wahl und das Auszählen der Stimmen verantwortlich. Streitfälle landen daher zunächst in den jeweiligen Bundesstaaten vor Gericht.
Könnten am Schluss also Richter auch diese Wahl entscheiden?
Bei einem knappen Wahlausgang könnte alles an ein oder zwei Bundesstaaten hängen. Wegen des Mehrheitswahlrechts könnten dort letztlich jeweils ein paar Hundert oder Tausend Stimmen entscheidend sein. Ein Rechtsstreit in einem Bundesstaat könnte bei einem knappen Ergebnis daher theoretisch zum Zünglein an der Waage werden. Richter, selbst jene am Supreme Court in Washington, können nicht über den Ausgang der Wahl an sich entscheiden, aber sie können zum Beispiel über Fristen, Auszählungsregeln und die Zulassung von Stimmen befinden – in Einzelfällen könnte das ein Ergebnis kippen. So wie eben 2000.
Bis wann muss Klarheit herrschen?
Die Bundesstaaten müssen ihre Endergebnisse bis zum 8. Dezember beglaubigen und nach Washington melden. Diese Frist, als „safe harbor“ bezeichnet (sicherer Hafen), war zum Beispiel im Jahr 2000 bei Gores Entscheidung, seine Niederlage einzuräumen, entscheidend. Die Frist ist die Voraussetzung für die Abstimmung der 538 Wahlleute. Das soll dieses Jahr am 14. Dezember passieren. Das Ergebnis wird dann am 6. Januar im Kongress bekanntgegeben, am 20. Januar wird der Wahlsieger mit der Vereidigung ins Amt eingeführt.
Was passiert, wenn Trump das Weiße Haus nicht räumen möchte?
Zwischen der Wahl und der Amtsübergabe im Januar werden mehr als zwei Monate vergehen, es gibt also hinreichend Zeit, Konflikte auszutragen und zu lösen. Trotzdem könnte es theoretisch zu einem Szenario kommen, in dem Trump sich trotz Ausschöpfung des Rechtswegs und einer Wahlniederlage weigert, abzutreten. In so einem Fall befänden sich die USA in einer Verfassungskrise ohne Gleichen. Es gibt dafür keinen klaren Fahrplan.
Für die ganz pessimistischen Beobachter gibt es auch noch das Katastrophenszenario: Trump mauert sich im Weißen Haus ein, es kommt zu Protesten und Ausschreitungen im ganzen Land. Trump könnte dann mit Unterstützung republikanischer Gouverneure die Nationalgarde mobilisieren, schließlich könnte er sogar das Kriegsrecht ausrufen („insurrection act“), um das Militär einzusetzen. Demonstranten könnten ebenfalls zu Waffen greifen, es drohten Chaos und Gewalt. So etwas ist in der US-Geschichte aber noch nie vorgekommen.
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