Kritik an Standortpolitik Österreichs Wirtschaft hofft weiter auf die Trendwende

Der Chef der österreichischen Industriellenvereinigung greift die Regierung an: Übertriebene Regelungen lähmten die Unternehmen, der Wirtschaftsstandort bleibe unter seinen Möglichkeiten. Grund dafür sei der Populismus.

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Die Alpenrepublik ist nicht gerade als attraktiver Wirtschaftsstandort bekannt. Quelle: dpa

Wien Die Industrie in Österreich hadert mit den Bedingungen für Investitionen. „Die Gefallsucht hat in der Politik Einzug gehalten, mit fatalen Folgen in der Wirtschaftspolitik. Es kommt zu keiner Entbürokratisierung und zu keinem Ende der Regulierungswut. Das schwächt den Standort Österreich“, sagte Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung, dem Handelsblatt in Wien. „Österreich erscheint mir wie eine Gazelle, die eigentlich sehr schnell sprinten kann, doch deren Beine bislang zugebunden sind.“ Die österreichische Wirtschaft könne sehr schnell und flexibel sein, wenn man sie von politischer Seite nur ließe.

Kapsch, CEO des Technologiekonzerns Kapsch, ist seit 2012 Präsident der Industriellenvereinigung, der Spitzenorganisation der österreichischen Wirtschaft mit 4200 Unternehmen. Der liberale Manager gilt als scharfer Kritiker der Wirtschaftspolitik der rot-schwarzen Bundesregierung in Wien.

„Österreich braucht eine neue Vision, aber auch einen Businessplan“, fordert der 57-jährige Manager. „Ich plädiere für ein Zurückdrängen der Sozialpartnerschaft, um die Erstarrung des Landes zu überwinden.“ In Österreich haben die Arbeiterkammer und die Wirtschaftskammer mit ihren Zwangsmitgliedschaften enormen Einfluss auf die Wirtschaftspolitik. Zuletzt hatten die beiden Standesorganisationen eine Entrümpelung der anachronistischen Gewerbeordnung verhindert.

Ein Dorn ist der österreichischen Industrie auch der mangelnde politische Mut der rot-schwarzen Bundesregierung, neue Wege angesichts von Digitalisierung, Migration und Globalisierung zu gehen. „In Österreich lässt sich die Regierung zu leichtfertig zu Populärem hinreißen, das der Wirtschaft und am Ende der Bevölkerung schadet“, kritisiert Kapsch. Populär sei als Maxime des politischen Handelns immer falsch. Eine Regierung in einer repräsentativen Demokratie sei nach Ansicht des einflussreichen Familienunternehmers dazu da, die Voraussetzungen für eine bestmögliche wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung des Landes zu schaffen.

Ein Ende der wirtschaftlichen Stagnation sieht die Industriellenvereinigung unterdessen noch nicht. „Die leichten Erholungstendenzen in der österreichischen Volkswirtschaft sind aus meiner Sicht noch keine Trendwende“, sagte Kapsch dem Handelsblatt. Das Wiener Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo rechnet für die österreichische Volkswirtschaft in diesem Jahr mit einem Wachstum von zwei Prozent und im nächsten Jahr von 1,8 Prozent. 2016 betrug das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts nur 1,5 Prozent.

Eine neue Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney zum Wirtschaftsstandort stellt Österreich unterdessen kein gutes Zeugnis aus. Eine Umfrage unter 1000 internationalen Unternehmen dokumentiert die Stagnation bei ausländischen Direktinvestitionen. Während beispielsweise Deutschland Platz zwei bei der Studie einnimmt, erreicht Österreich nur einen schwachen 24. Rang. „Während Deutschland immer beliebter wird, tritt Österreichs Wirtschaft auf der Stelle und kann seine Attraktivität als Investitionsziel ausländischer Unternehmen nicht ausbauen“, sagt Matthias Witzemann, Principal bei A.T. Kearney.

Die österreichische Industrie verlangt angesichts des politischen Populismus einen verstärkten Einsatz für Europa und Freihandel. „Ich warne vor einer Renationalisierung in Europa. Viel zu lange, wurde Brüssel fälschlicherweise für alles Böse verantwortlich gemacht, während die nationale Regierung für sich das Gute in Anspruch genommen hat“, sagte Kapsch und gab damit der eigenen Regierung einen Seitenhieb. „Als Unternehmer könnte ich die Entwicklung in den USA gelassen sehen, schließlich produziere ich in den USA und Kanada. Als Wirtschaftsvertreter beunruhigen mich die nationalistischen Tendenzrn diesseits und jenseits des Atlantiks zutiefst“, so der Konzernlenker, dessen internationales Telematikunternehmen auf über eine Milliarde Euro an Erlösen kommt.

Die österreichische Industrie verteidigt den Freihandel, der in Europa immer stärker in die Kritik kommt und im amerikanischen Präsidenten Donald Trump einen Gegner hat. „Freihandel führt, wenn er fair ist, stets zur Steigerung des Wirtschaftswachstums“, sagte Kapsch. Die Unternehmen selbst müssten sich verstärkt für den freien Warenverkehr einsetzen. „Auch wir als Wirtschaft müssen uns noch stärker für den Freihandel einsetzen und dafür werben. Schließlich ist er in unserer exportierenden Wirtschaft der Garant für künftigen Wohlstand“, sagte der österreichische Wirtschaftsvertreter. Auch die österreichische Regierung müsse sich stärker gegen die Kritiker des Freihandels stemmen. Denn sie kämen nicht nur aus der Ecke der Populisten, sondern auch aus Nichtregierungsorganisationen.

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