Bagdad Der junge Extremist ist ein Stümper: Erst lässt er seinem Boss den Raketenwerfer auf den Fuß fallen, dann feuert er - und trifft statt des anvisierten irakischen Checkpoints leider seinen Kommandanten. Es ist eine Satire auf den Islamischen Staat - eine, bei der manchem angesichts des blutigen Vormarschs der Terrormiliz im Irak und in Syrien das Lachen im Halse stecken bleibt. Die Dschihadisten brüsten sich im Internet mit Exekutionen, sie erregen Aufsehen mit Terror und diktatorischen Regeln in ihren Herrschaftsgebieten. Und doch ziehen sie in arabischen Fernsehsendern auch zunehmend Hohn und Spott in Cartoons und Kabarettsendungen auf sich.
„Diese Leute sind keine wahren Vertreter des Islam, und sich über sie lustig zu machen, ist ein Weg zu zeigen, dass wir gegen sie sind“, sagt Nabil Assaf, einer der Macher der „Ktir Salbe Show“ im Libanon, die den Islamischen Staat kritisiert. „Natürlich ist das eine heikle Sache. Aber es ist eine Art, sich gegen den Extremismus zu stellen und dazu beizutragen, dass die Leute sich nicht fürchten.“
Satire hat seit den Zeiten der althergebrachten Dichtkunst eine lange Tradition in der arabischen Kultur. Bis zum Arabischen Frühling wurde Kritik oft nur indirekt geäußert, dann brach sie sich im Zuge der Rebellion Bahn. In Syrien etwa ist der berühmte schwarze Humor des Landes selbst im Gemetzel des Bürgerkriegs nicht unterzukriegen. Nun trifft er auch den Islamischen Staat, der seine Macht in den Wirren des Syrien-Kriegs begründete und ausbaute. Auf den Schlachtfeldern macht die Extremistengruppe Geländegewinne, doch in der kulturellen Auseinandersetzung gibt es zumindest Widerworte.
In Ägypten forderte der islamische Klerus kürzlich in einer Internet-Kampagne Journalisten auf, für die Gruppe nicht deren selbst gewählten Namen Islamischer Staat zu nutzen. Komiker sind diesem Aufruf bereits gefolgt und treiben ihre bitteren Späße mit den Herren des angeblichen Kalifats im Nahen Osten.
„Satire ist eine Art, das Bewusstsein zu schärfen“
In einem Sketch der „Ktir Salbe Show“ etwa nimmt sich ein Dschihadist ein Taxi. Erst blafft er den Fahrer an, er solle das Radio ausstellen, das es in den guten alten Zeiten des Islam ja noch nicht gegeben habe. Dann kritisiert er mit dem gleichen Argument die Klimaanlage und das Handy des Fahrers. Schließlich fragt der Chauffeur: „Gab es eigentlich Taxis in der guten alten Zeit?“. Er schmeißt seinen Fahrgast raus und rät ihm zu warten, bis ein Kamel vorbei kommt.Ganz angstfrei und harmlos ist der Spaß allerdings nicht immer. In Syrien verkleiden sich die Moderatoren in Comedy-Sendungen über den Islamischen Staat, weil sie Vergeltung fürchten.
Das irakische Staatsfernsehen verbreitet mit lustigen Zeichentrickfilmen eine eher staatstragende Botschaft: Alle laufen vor dem irakischen Militär davon, vom jungen Dschihadisten bis zu ehemaligen Anhängern des gestürzten Machthabers Saddam Hussein. In einem Cartoon über den saudischen König Abdullah wird nahe gelegt, dass das sunnitische Königreich die sunnitischen Extremisten des Islamischen Staats unterstützt.
Alaa al-Madschedi vom Staatssender Al-Irakija betont aber vor allem den Protestgedanken. „Wir sind gegen diese Terror-Organisationen“, sagt er. „Satire ist eine Art, das Bewusstsein zu schärfen.“
Sogar die Massenexekutionen des Islamischen Staats werden satirisch aufs Korn genommen. Der palästinensische Sender Al-Falastinija etwa zeigte einen Sketch, in dem zwei Extremisten Muslime dafür erschießen, dass sie nicht wissen, wie oft man sich während der Gebete hinknien muss. Gleichzeitig schwelgen die beiden Gotteskrieger in Erinnerungen an die schönen Frauen und die Partymeilen von Beirut.
Als ein jordanischer Christ vorbeikommt, geraten sich die beiden darüber in die Haare, wer ihn erschießen und sich diese „segensreiche“ Tat ans Revers heften darf. Das Opfer erleidet aus Angst einen Herzinfarkt - und lässt die beiden Extremisten am Boden zerstört zurück.