Landwirtschaft Nordkorea setzt auf mehr Eigeninitiative

Seit Jahren leiden Nordkoreaner unter Nahrungsknappheit und Wirtschaftsmisere. Doch es gibt Anzeichen für einen Wandel. In einigen Projekten können die Menschen als Nebenerwerbsbauern dazuverdienen.

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Aufgrund von Misswirtschaft und Naturkatastrophen wie Überschwemmungen ist Nordkorea auf Hilfe von außen angewiesen. Quelle: Reuters

Pjöngjang Fährt man aus Pjöngjang hinaus, werden die Straßen deutlich leerer, aber auch holpriger. Das Auto muss zahlreichen Schlaglöchern ausweichen. Entlang der fast schnurgeraden Straße von der nordkoreanischen Hauptstadt in Richtung Hyangsan in der Provinz Nord-Pyongan fallen zu beiden Seiten die zumeist kahlen Hügel auf. In Nordkorea wurden viele Jahre lang Bäume willkürlich gefällt und zu Brennholz verarbeitet, weil Energie fehlt. Und Felder werden teilweise unerlaubt bewirtschaftet, weil es an Nahrungsmitteln mangelt.

Die Bodenerosion ist ein riesiges Problem, das auch das kommunistische Regime des Machthabers Kim Jong Un erkannt hat. In den Landesmedien werden die staatlichen Zentren zur Waldbewirtschaftung offen kritisiert, das Volk zum „Wiederaufbaukampf für die Wälder“ aufgerufen.

Hyangsan liegt etwa 140 Kilometer nördlich der Hauptstadt. Hier und in den anderen Landkreisen Unsan und Kujang unterstützt die deutsche Welthungerhilfe seit drei Jahren ein neuartiges Projekt, das den Menschen größere Ernährungssicherheit bringen soll. Zweck ist allerdings nicht nur die Verbesserung der Anbaumethoden auf Berghängen, sondern auch die Aufforstung mit unterschiedlichen Baum- und Straucharten. Auch werden Pläne für die Katastrophenvorsorge entwickelt.

Sieben Bundestagsabgeordnete der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe machten sich vor Ort ein Bild von dem Hanglagenprojekt. „Wenn Du einen Baum fällst, pflanze drei neue!“, nennt der Biologe von der Kim-Il-Sung-Universität in Pjöngjang, Jo Song Ryong, das Motto. Er besucht zweimal monatlich Hyangsan. „Früher gab es keinen Erosionsschutz; durch das Projekt wird auch die landwirtschaftliche Produktion erhöht.“ Kahlschlag hat in einigen Gegenden zu großflächigen Erosionen geführt. Fällt starker Regen, wird wertvoller Mutterboden weggeschwemmt.

Auf den in Parzellen aufgeteilten Hängen arbeiten vor allem Hausfrauen und ältere Menschen, die sich neben den bestehenden Kooperativen zu Landnutzungsgruppen zusammenschließen, erläutert Jo. Durch die Hangbewirtschaftung verdienen sie für ihre Familien ein zusätzliches Einkommen.


Keine Reformen, sondern Innovationen

Die Nebenerwerbsbauern verkaufen ihre Produkte selber auf den Märkten. „Die Menschen übernehmen Verantwortung“, sagt Jo. Auch der Projektleiter der Welthungerhilfe, Lars Düerkop, sieht darin ein beispielhaftes Projekt: „Es ist eine Heidenarbeit, die Hänge zu bearbeiten, dadurch wurden aber bereits über 60 Prozent Bodenerosion verhindert.“ Die Welthungerhilfe unterstützt dadurch 1500 Familien.

Aber Reform würde er das nicht nennen, eher eine „Innovation“, sagt Jo vorsichtig. Solche Landnutzungsgruppen gebe es jetzt im ganzen Land. Das Regime stärkt seit wenigen Jahren ganz allgemein private Initiativen stärker und lässt auch marktwirtschaftliche Mechanismen zu. Doch die Fortschritte seien langsam, sagen westliche Beobachter. Nordkorea ist ein zentralistisch geführter Staat. Die Arbeit der nicht-staatlichen Organisationen und Stiftungen aus Deutschland und anderen Ländern ist oft kompliziert.

In Deutschland sei man sehr bestürzt gewesen, als Anfang dieses Jahres zwei Mitarbeiter der Welthungerhilfe das Land verlassen mussten, sagt der Vorsitzende der Parlamentariergruppe, Hartmut Koschyk (CSU). „Die Welthungerhilfe braucht verlässliche Rahmenbedingungen“, fordert er in seinen Gesprächen.

Aufgrund der Misswirtschaft und Naturkatastrophen wie Überschwemmungen ist das Land auf Hilfe von außen angewiesen. Jetzt im Winter wird die Mangelernährung zu einem größeren Problem. Das Landwirtschaftsministerium bewertet die diesjährige Ernte als schlecht. 26 Prozent der Anbaufläche seien wegen der langen Dürre in diesem Jahr beschädigt worden.

„Etwa 200 000 Tonnen Reise gingen verloren“, sagt ein Vertreter den deutschen Abgeordneten. In der Landwirtschaft seien in den vergangenen Jahren gewisse Fortschritte erzielt worden. Doch befinde man sich eigentlich seit den 1990er Jahren in einer schwierigen Lage. Der Beamte spielt dabei auf die große Hungersnot an, der damals Hunderttausende Nordkoreaner zum Opfer fielen.

„Nordkorea sagt, wir brauchen Hilfe, um die eigene Bevölkerung ernähren zu können“, sagt die stellvertretende Vorsitzende der Parlamentariergruppe, Bärbel Höhn (Grüne). Das Problem komme aber auch daher, „dass natürlich alles Geld in die militärische Option geht und auch in die Kontrolle und Überwachung“. Damit hemmten sie die eigene wirtschaftliche Entwicklung.

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