Lawrow lädt zu Jahrespressekonferenz An allem ist der Westen schuld

Glaubt man den Worten von Außenminister Sergej Lawrow, war 2016 ein erfolgreiches Jahr für Russland– trotz der westlichen Sanktionen. Donald Trump, Brexit, Syrien: Der Kreml sieht sich in der Führungsposition.

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Ängste zu einer möglichen Cyber-Einmischung in die Bundestagswahlen nimmt Lawrow nicht ernst: „Ich dachte, in Deutschland gilt, wie in anderen Ländern auch die Unschuldsvermutung.“ Quelle: dpa

Moskau Neues Jahr, alter Streit: Die Jahrespressekonferenz von Russlands Außenminister Sergej Lawrow wurde zu einer Generalabrechnung mit dem Westen. Gewohnt ohne jegliche diplomatische Zurückhaltung kritisierte der russische Chefdiplomat am Dienstag europäische „postchristliche Werte“ sowie die „zerstörerische“ Einmischung des Westens in fremde Angelegenheiten scharf. Zugleich prognostizierte er das Ende der „Allmacht der Liberalen“.

In dieser Frage setzt Moskau ganz offensichtlich auf den neuen US-Präsidenten Donald Trump, den Lawrow von allen Anschuldigungen der Presse sowie der US-Geheimdienste freisprach. Der Vorwurf, dass Moskau Erpressungsmaterial gegen Trump in der Hand habe, stamme von einem „flüchtigen Gauner“, desavouierte Lawrow den untergetauchten MI6-Agenten Christopher Steele, der die Geschichte über Trumps Moskau-Kontakte lanciert haben soll.

Auch deutsche Ängste zu einer möglichen Einmischung in den bevorstehenden Wahlkampf für den Bundestag wischte Lawrow fort: „Ich dachte, in Deutschland gilt, wie in anderen Ländern auch die Unschuldsvermutung“, sagte er. Es müsse also nicht Russland etwas beweisen, sondern diejenigen, die von Hackerangriffen sprächen, müssten Beweise dafür liefern, dass sie von Moskau gesteuert würden. „Das Gezeter um die Gefährdung der Cybersicherheit sind ein Zeichen für doppelte Standards“, Russland habe schließlich schon vor langer Zeit internationale Kooperation vorgeschlagen, während die NSA noch mit dem Abhören von Angela Merkel beschäftigt war, so Lawrow.

Zusammenarbeit könne es aber nur auf Augenhöhe geben, so ein sichtlich selbstbewusster Minister. Für die russische Führung war 2016, das konnte man dem Ton der Pressekonferenz schnell entnehmen, ein erfolgreiches Jahr: In Syrien fühlt sich Moskau mit der harten Gangart bestätigt, der Brexit schwächt die EU, für die Lawrow nur Spott übrig hatte, und Trump soll für die Rückkehr der Realpolitik auf der Weltbühne sorgen. Bei Außenpolitik gehe es nicht um „Missionarismus“, sondern um die Wahrung staatlicher Interessen, dozierte Lawrow.

Auch wenn sich die russische Führung mit einer Bewertung Trumps zurückhalten will, so lange sie ihn nicht hat im Amt agieren sehen: „Man muss betonen, dass Trump will, dass jedes Land selbst für seine eigene Entwicklung verantwortlich ist. Diese Position vertritt auch Russland“, verteilte der russische Außenminister trotzdem ein paar Vorschusslorbeeren. Trump habe eben andere Ansichten von Außenpolitik als seine Vorgänger, fügte er hinzu. Das ist durchaus als Lob gemeint, denn bei der Pressekonferenz ließ Lawrow kaum eine Möglichkeit aus, auf das Team des scheidenden Präsidenten Barack Obama einzuschlagen.


Einen „Maidan in Washington anzetteln“

So werde Trumps Ansatz bei der Terrorbekämpfung „von Russland begrüßt“. Schließlich rücke Trump dabei verbal von den Doppelstandards ab, die die bisherige US-Administration verwendet habe. Gegen Terroristen helfe nur die Demonstration von Stärke, das habe das Eingreifen der russischen Luftwaffe in Syrien gezeigt, so Lawrow.

Auch der russische Staatschef Wladimir Putin hat Trump in Schutz genommen. Die scheidende Regierung von Barack Obama versuche mit Unwahrheiten, die Legitimität des Wahlsiegers Trump zu untergraben, sagte Putin am Dienstag. Er zog Parallelen zwischen dem Aufstand gegen den russlandfreundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch in der Ukraine im Jahr 2014 und der aktuellen Lage in den USA. Mit Blick auf die angebliche Beteiligung der USA an der Revolte sagte er, einige wollten nun einen „Maidan in Washington anzetteln“.

Übereinstimmung bei Lawrow und Trump gibt es – kein Wunder – bei der Bewertung der Nato, die der designierte Präsident gerade als „obsolet“ bezeichnet hat und deren Osterweiterung seit langem Aversionen in Moskau hervorruft. Eine zusätzliche US-Brigade in Osteuropa sei „eine schlechte Idee“, sagte Lawrow.

Über das von Trump angekündigte mögliche Ende der Sanktionen spekulierte er hingegen nicht, stellte lediglich klar, dass dies nicht an die Reduzierung von Atomwaffen gekoppelt sein könne. Auch dies ein Zeichen der Stärke, denn im Kreml demonstriert man gern, dass Sanktionen keinen Effekt haben.

Eine Steilvorlage dazu lieferte gerade erst Donald Trumps Berater Anthony Scaramucci: Der kritisierte in Davos die Sanktionen als kontraproduktiv. Die Russen könnten Schnee essen, um zu überleben, sagte Scaramucci. Das sei im Prinzip richtig, „aber trotz allem bevorzugen die Russen keinen Schnee, sondern leckere heimische Delikatessen, die es dank der Sanktionen mehr und mehr gibt“, frotzelte nun Kremlsprecher Dmitri Peskow. Es scheint, dass der Westen laut Moskauer Interpretation zumindest eine gute Sache verschuldet hat.

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