Leben auf der Krim „Putin-Paradies“ wird zum ökonomischen Niemandsland

Vor knapp einem Jahr wurde die Krim von Russland annektiert, seitdem hat sich viel verändert auf der Halbinsel. Nicht unbedingt zum Besseren: Lebensmittel werden immer teurer, westliche Unternehmen sind geflüchtet.

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Russland-Fahne an der Promenade in Sewastopol. Quelle: dpa

Knapp ein Jahr nach der russischen Annexion der Krim widmet sich der Moskauer Statthalter Oleg Saweliew eher banalen Aufgaben. Er muss Rechnungen bezahlen. Wie alle anderen Einwohner auf der territorial umstrittenen Schwarzmeerhalbinsel hadert der vom russischen Präsidenten Wladimir Putin eingesetzte Krim-Minister dabei mit den Verhältnissen in einem ökonomischen Niemandsland.

Ob internationale Banken wie UniCredit, die Kreditkartenunternehmen MasterCard und Visa, oder auch globale Ketten wie McDonald's - sie alle haben sich nach der russischen Einverleibung von der Krim verabschiedet. Geblieben ist eine Gesellschaft, in der ausschließlich Bares gilt, und die geprägt ist von einer galoppierenden Inflation, chronischen Versorgungsengpässen und wachsenden Kriegsängsten. Selbst russische Unternehmen bleiben weg.

Vor jedem Flug von Moskau auf die Krim rüstet sich Saweliew mit etlichen Rubelbündeln aus, um für das Hotelzimmer bezahlen zu können. Auf der Krim geht das seit vielen Monaten nur noch mit Bargeld, und das gilt auch für Minister.

Der 49-jährige Saweliew nennt das am Tisch in seinem Amtszimmer auf der Krim „erstaunlich”. Die von Moskau eingesetzte Regierung in der Krim-Hauptstadt Simferopol sitzt direkt neben dem Parlamentsgebäude, über dem maskierte Bewaffnete vor einem Jahr die russische Trikolore gehisst hatten. Wie die Mehrheit der Bewohner auf der Krim macht Saweliew vor allem die Ukraine und den Westen für die selbst für russische Verhältnisse ausgeprägt desolate wirtschaftliche Lage verantwortlich.

Die ehemalige Sommerfrische der russischen Zaren könnte allerdings wirtschaftlich vorwegnehmen, was der gesamten Russischen Föderation unter der Politik von Wladimir Putin noch blühen kann, sollten die USA sowie die Europäische Union die Sanktionen gegen Russland weiter verschärfen.

Noch im Februar letzten Jahres waren die rund zwei Millionen Einwohner der Krim Bürger der Ukraine. Nach überwältigender Zustimmung in einem Referendum, das von der Ukraine und im Westen nicht anerkannt wird, leben sie nun in Russland. Und nicht zuletzt wirtschaftlich im Alltagschaos.

Die Straßenschilder sind weiterhin in ukrainischer Sprache. Die alte ukrainische Telefonvorwahl 380 gilt im Festnetz weiter. Allerdings wurde die Zeitzone geändert; auf der Krim gehen die Uhren jetzt nach Moskauer Zeit. Die galt bis 1991 auch, als die seinerzeit neu gegründete Ukraine sich von der bröckelnden Sowjetunion abspaltete und die Halbinsel im Süden mitnahm.


Moskaus Geld ist bald schon aufgebraucht

Jetzt machen den Einwohnern der klimatisch begünstigten Halbinsel vor allem die steigenden Lebensmittelpreise zu schaffen. Früher wurde die Krim von der Ukraine aus versorgt, aber die legale Ausfuhr über die international nicht anerkannte und inzwischen auf beiden Seiten schwer bewachte Grenze ist nicht mehr möglich.

Allenfalls etwas lokales Obst und Gemüse wird angeboten, und der gesamte Handel basiert auf Bargeld. Die meisten anderen Waren kommen mit der unzuverlässigen Fähre aus Russland. Schlechtes Wetter kann die Versorgung um Tage verzögern. Entsprechend eingeschränkt sind auch die Reisemöglichkeiten der Krimbewohner. Das Flugticket nach Moskau kostete im letzten Sommer umgerechnet bereits mehr als 1000 Euro.

Nach der Annektion hatte Putin zwar die Zahlungen an 560.000 Rentner und 200.000 Staatsbedienstete verdoppelt, aber die Preissteigerungen fressen das meiste davon auf. Zwischen März und Dezember betrug die Inflation 38 Prozent und die Preise für Lebensmittel sind nahezu um 50 Prozent gestiegen, wie aus Daten der Regionalregierung hervorgeht.

Damit könnte auch die von Putin unter anderem für Infrastrukturausgaben bis 2020 freigegebene Summe von 681 Milliarden Rubel (knapp zehn Milliarden Euro) nicht ausreichen, wie Krim-Minister Saweliew selbst zugibt. Überdies bleibt unklar, wo diese Summe überhaupt herkommen soll. Mit der von Ökonomen vorhergesagten Rezession ist Moskau bereits jetzt zu einschneidenden Sparmaßnahmen gezwungen.

Der regionale Vizepremier der Krim, Mikhail Scheremet, knüpft die Hoffnung auf bessere Zeiten an eine dieser entscheidenden Infrastrukturprojekte - den Bau einer 19 Kilometer langen Verbindung über die Straße von Kertsch auf russisches Gebiet. Derzeit wird die Eröffnung frühestens für 2018 erwartet. Das Warten werde sich lohnen, sagt der Politiker.

„Für die Krim wird die neue Brücke eine Lebensader sein, wie zur Leningrader Blockade die vereiste Strecke über die See”, sagte Scheremet und meinte die einzige Verbindung zum heutigen Sankt Petersburg während der 872 Tage andauernden Blockade durch die Deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg: „Wir werden dann für immer mit dem Rest von Russland verbunden sein”.

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