Bei 1,25 Prozent werde der Leitzins Ende 2016 stehen, prognostizierte die Commerzbank vor einem Jahr. Damals hatte die US-Notenbank Fed gerade zum ersten Mal seit dem Ausbruch der Finanzkrise die Zinsen erhöht, von fast null auf eine Spanne zwischen 0,25 bis 0,5 Prozent. Vom Beginn einer neuen Ära sprachen die Beobachter der großen Häuser an der Wall Street. Doch noch ehe die Zinswende so richtig angefangen hatte, bremste sich die Fed selbst aus. Mal verhinderten Ängste um die chinesische Konjunktur eine weitere Zinsanhebung, mal Zahlenmaterial zu Inflationserwartungen und Wirtschaftsentwicklung in den USA. Es dauerte bis zum Mittwoch, und damit fast genau ein Jahr, bis die Fed die zweite Erhöhung durchsetzte: Der Leitzins steigt um 0,25 Prozentpunkte.
Der zentrale Zinssatz, zu dem sich US-Banken untereinander Geld leihen, ist damit noch immer deutlich von der Commerzbank-Prognose von Dezember 2015 entfernt. Allerdings: Vieles spricht dafür, dass die USA nun ernstmachen mit der Zinswende und schon im kommenden Jahr weitere Anhebungen folgen werden. Die Rückkehr des Zinses – spürbar, nachhaltig – ist sehr wahrscheinlich. Jedenfalls in den USA.
„Wir gehen von zwei weiteren Zinserhöhungen im kommenden Jahr aus – mindestens“, sagt Jeffrey Hussey, Global Chief Investment Officer bei der US-amerikanischen Investment- und Beratungsfirma „Russell Investments“. Die Fed deutete am Mittwoch an, sich gar drei Erhöhungen im nächsten Jahr vorstellen zu können. Der Grund: Die amerikanische Wirtschaft ist robust. Im kommenden Jahr werden die USA um über zwei Prozent wachsen, glauben Großbanken und Anleger an der Wall Street unisono. Die Arbeitslosenquote liegt derzeit bei gerade einmal 4,6 Prozent – und auch die Inflation nähert sich der Zielmarke von zwei Prozent.
Der Leitzins und die Fed
Leitzinsen sind ein bedeutendes Instrument von Zentralbanken. Über die Veränderung der Leitzinsen, zu denen sich Geschäftsbanken Zentralbankgeld leihen können, versuchen Notenbanken das allgemeine Zinsniveau, die Kreditvergabe, die Inflation und teils die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu beeinflussen. Niedrige Leitzinsen wie derzeit in vielen Staaten weltweit spüren Verbraucher etwa, weil ihr Erspartes bei der Bank kaum verzinst wird und Kredite wie Immobiliendarlehen günstig zu haben sind. Im Euroraum fungiert der Hauptrefinanzierungssatz der Europäischen Zentralbank (EZB) als Leitzins, in den USA die Federal Funds Rate der Notenbank Federal Reserve (Fed).
Die Federal Reserve oder kurz Fed ist die Notenbank der USA. Die 1913 vom amerikanischen Kongress gegründete staatliche Organisation leitet die Geldpolitik in den Vereinigten Staaten und kontrolliert wichtige wirtschaftliche Stellschrauben: Sie beeinflusst etwa das allgemeine Zinsniveau, die Kreditvergabe und die Entwicklung der Verbraucherpreise. Zudem kontrolliert und reguliert sie die Banken des Landes. Leitziele der Fed sind eine möglichst hohe Beschäftigung, stabile Preise sowie günstige Zinsen.
Die Entscheidungen der Fed haben oft unmittelbaren Einfluss auf die weltweite Geld- und Wirtschaftspolitik - und bewegen die Börse rund um den Globus. Präsidentin der Fed ist seit 2014 Janet Yellen (70). Sie ist die erste Frau an der Spitze in der Geschichte der Notenbank.
Und dann ist da noch Donald Trump. Der neue US-Präsident will die Wirtschaft ankurbeln, mit Steuererleichterungen und massiven Investitionen in die Infrastruktur. Dies könnte Staatsverschuldung und Inflation dramatisch anfachen – und weitere Zinsschritte zwingend nötig machen.
So lange werden Anleger nicht warten. Schon jetzt fließt Kapital aus Schwellenländern und Europa Richtung USA. So wie Mücken vom Licht angezogen werden, folgt das Geld der Spur des Zinses. Und die führt in die USA, Anlagen in Dollar sind plötzlich wieder attraktiv. Für zehnjährige US-Staatsanleihen gibt es über 2,4 Prozent. Die US-Währung wird in den kommenden Monaten höchstwahrscheinlich zu allen wichtigen
Währungen der Welt zulegen. Schon in den vergangenen zwei Jahren hat der Greenback im Vergleich zum Euro um gut ein Fünftel aufgewertet. Das kommt Europa gerade recht, verbilligt es doch die Exporte von Deutschland, Spanien, Finnland und Co. in den wichtigen Absatzmarkt in Übersee.