Libyens Spaltung Ölanlagen als Schlachtfeld

In dem nordafrikanischen Land Libyen herrscht nach dem Sturz von Machthaber Gaddafi seit Jahren Chaos. Um die Macht kämpfen Parteien aus dem Osten und Westen des Landes. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Rohstoff Öl.

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Der ehemalige CIA-Agent gilt als mächtigste Figur in Libyen. Die amtierende Regierung will er jedoch nicht anerkennen. Quelle: picture-alliance/ dpa

Kairo An den wichtigsten Ölhäfen und -lagern in Libyen sammeln sich derzeit Hunderte, womöglich Tausende Kämpfer. Rivalisierende Kräfte aus dem Westen und dem Osten des Landes streben nach der Kontrolle. Bei den bislang blutigsten Gefechten der beiden Lager starben vergangene Woche Dutzende Menschen. Vom Westen unterstützte Truppen hatten die Raffinerie Ras Lanuf und das Öldepot Sidr gestürmt. Nun zieht der abtrünnige General Chalifa Haftar Soldaten für einen möglichen Gegenschlag zusammen. Es droht eine Eskalation.

Haftar, ehemaliger CIA-Agent und US-Bürger, ist die mächtigste Figur im Osten des Landes. Er selbst bezeichnet sich als wichtigste Kraft im Kampf gegen die Islamisten in Libyen. Seine Gegner werfen ihm jedoch vor, er wolle ein Diktator wie der im Jahr 2011 gestürzte und getötete Muammar al-Gaddafi werden. Haftar hat angekündigt, in Tripolis einzumarschieren, um das Land zu einen, was einen Hinweis auf seinen Machtanspruch gibt. Die Regierung, die über ein UN-Friedensabkommen 2016 eingesetzt wurde, erkennt er nicht an, weil das bedeuten würde, dass er nicht mehr das Militär befehligen würde.

Ägypten und Russland unterstützen ihn, Washington unter der Obama-Regierung hielt ihn dagegen auf Distanz. Eine entscheidende Frage für seine Zukunft wird sein, wie sich der neue US-Präsident Donald Trump zu ihm stellt. Der hat angedeutet, dass er offener für Deals mit regionalen Machthabern ist.

Haftar kommandiert eine Mischung aus Milizen und Stammeskräften aus dem Osten des Landes sowie die Überbleibsel der libyschen Armee inklusive einiger Offiziere aus der Gaddafi-Zeit. Haftar sieht sich dem gewählten Parlament verbunden, das im Jahr 2014 nach der Machtübernahme westlicher Kräfte in den Osten des Landes fliehen musste.

Im vergangenen Jahr besetzten seine Kämpfer die Öleinrichtungen. Die Vereinten Nationen forderten ihn auf, die Anlagen zurückzugeben. Zeitweise sah es so aus, als würde er diese als Faustpfand für Änderungen am Friedensabkommen verwenden. Doch da ihm dieses Pfand nun entrissen wurde, könnte er es auf eine Alles-oder-nichts-Konfrontation mit Tripolis ankommen lassen. Seine Armee erklärt, sie ziehe Kräfte zusammen und erwarte Befehle. Wie stark diese Kräfte sind, ist jedoch unklar.

Die Regierung in Tripolis wurde im Zuge des UN-Friedensabkommens eingesetzt, um die Ost-West-Spaltung des Landes zu beenden. Doch nun ist sie in dem Konflikt nur ein weiterer Akteur geworden, der abhängig von seinen Verbündeten ist, um sich Autorität zu verschaffen.

Eine Führungsrolle unter den Verbündeten haben die Milizen aus der Nachbarstadt Misrata. Sie sorgen für die Sicherheit der Regierung und nahmen in diesem Jahr auch die Hochburg der Terrormiliz Islamischer Staat in Sirte ein. Die internationale Gemeinschaft hat versucht, die Regierung in Tripolis zu stärken - besonders Italien, das viel Geld in die libysche Ölindustrie gesteckt hat.


Die wichtige Rolle des Öls

Die Ölanlagen in Ras Lanuf und Sidr wurden von einer neu formierten Kraft eingenommen - den Bengasi-Verteidigungsbrigaden. Diese stammen ursprünglich aus dem Osten des Landes, bekennen sich jedoch zum Westen. Sie haben auch einige Misrata-Kämpfer in ihren Reihen. Die Brigaden übergaben die eroberten Anlagen der Kontrolle der Regierung in Tripolis.

Dabei ist das Öl ein wichtiger Wirtschaftsfaktur, es ist die einzige wirkliche Einnahmequelle Libyens. Deswegen bemüht sich das Land auch, die Ölindustrie wieder aufzubauen. Vor dem Sturz Gaddafis produzierte das Land 1,6 Millionen Barrel pro Tag. Zuletzt war die Tagesproduktion gerade erst wieder auf 700.000 Barrel gestiegen. Obwohl die Aufsicht über die Ölanlagen in den vergangenen Jahren mehrfach gewechselt hat, ist das Geld kontinuierlich an die Zentralbank in Tripolis geflossen, die bislang von allen Seiten akzeptiert wird.

Der Ball zur Lösung des Konflikts liegt nun wohl bei Haftar. Bei einem Angriff auf Ras Lanuf und Sidr ist mit relativ wenig Gegenwehr zu rechnen. Aber die Folgen wären gravierend. Bislang haben die Kräfte aus dem Westen und Osten direkte Gefechte weitgehend vermieden.

Ein Sturm auf die Ölanlagen wäre jedoch ein offener Angriff Haftars auf die international unterstützte Regierung in Tripolis. Es wäre zugleich ein Affront gegen die Vereinten Nationen und die europäischen Länder, die zu einer Waffenruhe aufgerufen haben.

All das würde die Tür für weitere Eskalationen öffnen. Wie weit Haftar geht, hängt auch davon ab, ob er internationale Unterstützung findet. Möglich ist auch, dass er seine Drohung wahrmacht und auf Tripolis marschiert, um so die mächtigen Misrata-Kämpfer zu schwächen.

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