Am frühen Freitagmorgen zeigt sich im Haus der deutschen Wirtschaft, wie die Krise des Osthandels auch eine Krise der einst mächtigen Russland-Lobby geworden ist. Da erzählt der neue Ostausschuss-Vorsitzende und Linde-Chef Wolfgang Büchele, in München habe der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew „vehement neue Allianzen eingefordert“ und die „Isolation Russlands beklagt“.
Da spürt Rainer Seele, ein Topmanager der Gasindustrie im Gewand des Präsidenten der Moskauer Auslandshandelskammer (AHK), dass „uns“ aus Russland „eine Hand gereicht wird“ und es Signale für eine Entspannung gebe. Erst wenn einer nachfasst zeigt sich, wie merkwürdig unkonkret derlei Signale sind. Russland sei ja weiter an deutscher Technologie interessiert, sagt Seele. Sicher, aber das ist Nordkorea auch.
Landwirtschaftliche Exporte, meint Büchele, würden nach dem Ende der Sanktionen rasch wieder anziehen. Ja, aber nur wenn sich die Russen die teuren Importe dann auch noch leisten können. Vorher müssen sie die schwerste Rezession seit 1998 in den Griff kriegen, die vor allem eine Folge des niedrigen Ölpreises und verschleppter Reformen ist.
Irgendwie ratlos wirken die Lobbyisten des Osthandels. Auch sie haben mit besten Kontakten nach Moskau nicht verhindern können, dass deutsche Exporte nach Russland seit 2012 um mehr als die Hälfte eingebrochen sind. Büchele erwartet, dass sie weiter sinken und sich unter 20 Milliarden Euro einpendeln werden. Reflexhaft verteufeln viele Unternehmer die EU-Sanktionen gegen Russland als Grund allen Übels. In einer AHK-Umfrage fordern 60 Prozent deren sofortige und 28 Prozent deren schrittweise Aufhebung.
Dies zwingt die Lobbyisten in einen schwierigen Spagat. Sie müssen die Sanktionen schlecht finden, weil es ihre Kundschaft so will. Aber sie können ohne Schritte der Russen zur Beendigung des Ukraine-Konflikts nicht deren Aufhebung fordern – sonst gäbe es Rüffel aus dem Kanzleramt, wo man in dieser Frage das „Primat der Politik“ einfordert. Natürlich kann dieser Spagat nicht gelingen.
Die Akteure im Syrien-Konflikt
Anhänger von Präsident Baschar al-Assad kontrollieren weiter die meisten großen Städte wie Damaskus, Homs, Teile Aleppos sowie den Küstenstreifen. Syriens Armee hat im langen Krieg sehr gelitten, konnte aber infolge der russischen Luftunterstützung seit September 2015 wieder Landgewinne verzeichnen. Machthaber Assad lehnt einen Rücktritt ab.
Die Terrormiliz beherrscht im Norden und Osten riesige Gebiete, die allerdings meist nur spärlich besiedelt sind. Durch alliierte Luftschläge und kurdische Milizen mussten die Islamisten im Norden Syriens mehrere Niederlagen einstecken. Unter der Herrschaft der Miliz, die auch im Irak große Gebiete kontrolliert, verbleibt die inoffizielle Hauptstadt Raqqa, die bedeutende Versorgungsstrecke entlang des Euphrat und ein kleiner Grenzübergang zur Türkei. Offiziell lehnen alle lokalen und internationalen Akteure den IS ab.
Sie sind vor allem im Nordwesten und Süden Syriens stark. Ihr Spektrum reicht von moderaten Gruppen, die vom Westen unterstützt werden, bis zu radikalen Islamisten.
Die zu Beginn des Kriegs bedeutende Freie Syrische Armee (FSA) hat stark an Einfluss verloren. Sie kämpft vor allem gegen Diktator Assad.
In der „Islamischen Front“ haben sich islamistische Rebellengruppen zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist der Sturz Assads und die Errichtung eines „Islamischen Staates“ – die gleichnamige Terrormiliz lehnen sie jedoch ab. Sie werden von Saudi-Arabien unterstützt und sind ideologisch mit al-Qaida zu vergleichen. Militärisch untersteht ihr auch die „Dschaisch al-Fatah“, die von der Türkei unterstützt wird. Teilweise kooperieren sie mit der al-Nusra-Front, Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida.
Sie ist zersplittert. Das wichtigste Oppositionsbündnis ist die Syrische Nationalkoalition in Istanbul. Diese wird von zahlreichen Staaten als legitim anerkannt, von vielen lokalen Akteuren wie al-Nusra oder der kurdischen PYD jedoch abgelehnt.
In Damaskus sitzen zudem Oppositionsparteien, die vom Regime geduldet werden. Bei einer Konferenz in Riad einigten sich verschiedenen Gruppen auf die Bildung eines Hohen Komitees für Verhandlungen, dem aber einige prominente Vertreter der Opposition nicht angehören.
Kurdische Streitkräfte kontrollieren mittlerweile den größten Teil der Grenze zur Türkei: Sie sind ein wichtiger Partner des Westens im Kampf gegen den IS.
Dabei kämpfen sie teilweise mit Rebellen zusammen, kooperieren aber auch mit dem Regime. Führende Kraft sind die „Volksverteidigungseinheiten“ YPG der Kurden-Partei PYD, inoffizieller Ableger der verbotenen türkisch-kurdischen Arbeiterpartei PKK. Diese streben einen eigenen kurdischen Staat an – die Türkei lehnt das vehement ab.
Washington führt den Kampf gegen den IS an der Spitze einer internationalen Koalition. Kampfjets fliegen täglich Angriffe. Beteiligt sind unter anderem Frankreich und Großbritannien. Deutschland stellt sechs Tornados für Aufklärungsflüge über Syrien, ein Flugzeug zur Luftbetankung sowie die Fregatte „Augsburg“, die im Persischen Golf einen Flugzeugträger schützt. Washington unterstützt moderate Regimegegner.
Die Türkei setzt sich für den Sturz Assads ein und unterstützt seit langem Rebellengruppen wie die islamistische Dschaisch al-Fatah. Neben der Sicherung ihrer 900 Kilometer langen Grenze ist die Türkei seit August 2016 auch mit Bodentruppen in Syrien vertreten. Ziel ist neben der Vergeltung für Terroranschläge des IS auch, ein geeintes Kurdengebiet im Norden Syriens zu verhindern.
Der Abschuss eines russischen Flugzeugs über türkischem Luftraum im November 2015 führte zu Spannungen zwischen Russland und der Türkei.
Seit September 2015 fliegt auch Russlands Luftwaffe Angriffe in Syrien. Moskau ist einer der wichtigsten Unterstützer des syrischen Regimes: Rebellenorganisationen werden pauschal als „Terroristen“ bezeichnet und aus der Luft bekämpft. Der Kampf gegen islamistische Rebellen soll auch ein Zeichen an Separatisten im eigenen Land senden.
Geostrategisch möchte Russland seinen Zugriff auf den Mittelmeerhafen Tartus nicht verlieren.
Teheran ist der treueste Unterstützer des Assad-Regimes, auch aus konfessionellen Gründen. Iraner kämpfen an der Seite der syrischen Soldaten. Die von Teheran finanzierte Schiitenmiliz Hisbollah ist ebenfalls in Syrien im Einsatz. Sie fürchten die Unterdrückung der schiitischen Minderheit im Falle eines Sieges sunnitischer Rebellen, aber auch den Verlust von regionalem Einfluss.
Riad ist ein wichtiger Unterstützer vornehmlich islamistischer Rebellen. Sie fordern, dass Assad abtritt. Saudi-Arabien geht es auch darum, den iranischen Einfluss zurückzudrängen. Der Iran ist der saudische Erzrivale im Nahen Osten.
Trotz religiöser Ähnlichkeiten zwischen IS und dem saudischen Wahabismus engagiert sich Saudi-Arabien im Kampf gegen den IS.
Die Cheflobbyisten im Osthandel sehen nicht gut aus. Nicht vor den Mitgliedern, da sie nichts gegen die Sanktionen unternehmen (können). Nicht in weiten Teilen der Öffentlichkeit ob des Geschmäckles, dass sie Geschäftsinteressen über die Sicherheit des Landes und den Frieden in Europa stellen. Aus dem Dilemma gibt es für die Verbandsherrschaften einen naheliegenden Ausweg, und der zeigt sich wenig später auf einer Mittelstandskonferenz drei Stockwerke tiefer: Man beschwört die Kooperation.