London-Anschlag Der Mann, der die Moschee nicht mehr betreten sollte

Zwei Tage nach der Terrorattacke von London nennt die britische Polizei die Namen von zwei der drei mutmaßlichen Täter. Die Informationen der Ermittler bringen Premierministerin Theresa May in Erklärungsnot.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Besonders Khuram Shazad Butt beschäftigt die britische Öffentlichkeit, nachdem die Polizei einräumen musste, dass er den Sicherheitsbehörden bereits bekannt war. Quelle: dpa

London Er wiederholte immer wieder diesen einen Satz: „Nur Gott hat das Sagen.“ So soll Khuram Shazad Butt regelmäßig Predigten eines moderaten Imam in einer Moschee im Osten Londons unterbrochen haben. Man habe Butt daher aus der Gemeinde ausgeschlossen und ihm nahegelegt, die Moschee nicht mehr zu betreten, berichten britische Medien.

Der 27-Jährige war einer der drei mutmaßlichen Attentäter, die in der Nacht zu Sonntag den Anschlag in London verübt haben sollen. Die britische Polizei hatte die Namen am Montagabend veröffentlicht. Bei dem zweiten Täter sei Rachid Redouane alias Rachid Elkhdar, den die Polizei nicht nur mit zwei verschiedenen Namen, sondern auch zwei Geburtsdaten und Nationalitäten benannte. Ob Redouane 30 Jahre oder nur 25 Jahre alt war und aus Marokko oder aus Libyen stammte, ist noch ungeklärt. Den Namen des dritten mutmaßlichen Angreifers haben die Ermittler bisher nicht bekannt. Sie haben die Bevölkerung aber zur sachdienlichen Hinweisen aufgerufen.

Besonders Khuram Shazad Butt beschäftigt die britische Öffentlichkeit, nachdem die Polizei einräumen musste, dass er den Sicherheitsbehörden bereits bekannt war. Er war den Menschen in einer Umgebung nicht nur mit seinen Zwischenrufen in der Moschee als radikal aufgefallen, sie haben ihre Beobachtungen und Sorgen Medienberichten zufolge auch an Sicherheitsbehörden weitergegeben.

Diese müssen sich jetzt verteidigen, warum sie sich Butt zwar vor zwei Jahren schon genauer angeschaut haben, er zuletzt offenbar aber vom Radar des Inlandsgeheimdienst und der Antiterroreinheit verschwunden war. Es habe keine Informationen gegeben, die auf einen Anschlag hingedeutet hätten, sagte Mark Rowley, Leiter der Antiterroreinheit bei der Londoner Polizei, und weiter: Er habe bisher nichts gesehen, dass darauf hingedeutet hätte, dass in dieser Angelegenheit eine falsche Entscheidung getroffen worden wäre.

Butt war in einer Anfang 2016 ausgestrahlten Fernsehdokumentation „The Jihadis Next Door“ zu sehen, wie er eine Flagge einer Terrororganisation in einem Londoner Park entrollt. Ein Mann, der Butt kannte, soll die Antiterror-Hotline der Polizei verständigt und den Behörden gesagt haben, dass sich dieser radikalisiert haben soll. „Ich hab meinen Teil getan“, sagte der Mann einer britischen Zeitung. Die Sicherheitsbehörden hätten dagegen nichts unternommen, so sein Vorwurf.

Butt hatte aus seinen radikalen Ansichten auch kein Geheimnis gemacht. In einer Moschee in Barking, im Osten Londons, hat er angeblich gegen die britischen Parlamentswahlen gewettert. Die Teilnahme an diesem demokratischen Prozess sei „unislamisch“, soll er gesagt haben.

Wenige Tage vor dem Anschlag habe er eine Grillparty veranstaltet, berichten Nachbarn. Einer von ihnen sagte, dies habe ihn an eine Art Abschiedsparty erinnert. Nach Informationen des „Evening Standard“ soll die Polizei im vergangenen Monat Gespräche von IS-Sympathisanten in Barking aufgezeichnet haben, die angeblich über eine mögliche Attacke mit einem Minibus und mit Messern gesprochen haben sollen.

Nach Angaben einiger von Butts Nachbarn, die mit dem „Guardian“ gesprochen haben, war Butt ein „freundlicher, geselliger“ Mann, der gelegentlich Tischtennis oder Fußball mit Bekannten gespielt habe. Eine andere Sache hat eine Nachbarin aber offenbar beunruhigt: Er habe viel Zeit mit Kindern und Teenagern verbracht. Und einmal sei einer ihrer Söhne nach Hause gekommen und habe gesagt: „Mutti, ich will Moslem werden“, erzählte Erica Gasparri dem „Guardian“. Sie habe Butt daraufhin zur Rede gestellt.

All diese Informationen über einen der mutmaßlichen Täter könnten jetzt den Druck auf Premierministerin Theresa May erhöhen. Sie war vor ihrem Einzug in die Downing Street Innenministerin und damit für den Sicherheitsapparat verantwortlich. In dieser Zeit gab es massive Stellenkürzungen bei der Polizei. Angesichts ihrer Bilanz als Innenministerin sei sie als Premierministerin eigentlich nicht wählbar und komme für das Amt nicht in Frage, sagte Labour-Chef Jeremy Corbyn bereits Anfang dieser Woche.

May verteidigte sich und griff wiederum Corbyn an: Angesichts seiner Vergangenheit sei er als Regierungschef ungeeignet, denn er habe in der Vergangenheit unter anderem mit der nordirischen Terrorgruppe IRA sympathisiert. May ist bereits in den vergangenen Wochen massiv in die Defensive geraten. Wegen umstrittener Reformvorschläge in ihrem Wahlprogramm, hat sie in Meinungsumfragen ihren ursprünglich komfortablen Vorsprung gegenüber Corbyn eingebüßt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%