London Babylondon

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Im Osten liegt die Brick Lane. Dort wohnen arme Einwanderer aus Indien, Pakistan und Bangladesch. „Banglatown“ nennen Einheimische die Gegend. Verschleierte Frauen tuscheln vor dem Halal-Metzger, ein Hauch von Curryduft hängt in der Luft, überall dudeln lang gezogene arabische Klänge. Bärtige Männer in knielangen Hemden, weißen Hosen und muslimischen Gebetskappen (Kufi) schlurfen aus der Moschee. Bis 1976 diente das Gebäude als Synagoge, davor war es eine Methodistenkirche, ganz früher trafen sich hier die Hugenotten zum Gebet.

Wegen ihres geringen Bildungsniveaus haben die 150.000 in London lebenden Bangladescher weniger Erfolg als Inder und Pakistaner. Meist arbeiten sie als Köche, Kellner oder Hilfskräfte in Curryrestaurants. „Es fehlt an Vorbildern für andere Berufe“, meint Misbah Mosobbir, Gründer von „bobNetwork“, einer Vereinigung, die sich um seine Landsleute kümmert. Mosobbir selbst ist die Ausnahme. Er schaffte in Abendkursen die Universitätsqualifikation und ist heute Investmentbanker.

Ins Finanzviertel hat er es nicht so weit. Die City lässt sich von Brick Lane aus zu Fuß erreichen und ist eine völlig andere Welt. In den Auslagen funkelt teurer Diamantenschmuck, schimmert hochwertiges Leder. Männer in Nadelstreifenanzügen, Frauen in gedeckten Kostümen und klassischen Hosenanzügen hasten tagsüber durch die Straßen. Abends wird in den Bars und Restaurants teurer Champagner gereicht. In der Nachbarschaft der Bank of England schlägt das Herz des englischen Kapitalismus – den Gesetzen der Profitmaximierung wird alles andere untergeordnet.

Auch hier hört man häufig Englisch mit Akzent: 27 Prozent aller Beschäftigten in der City sind Ausländer. Amerikaner, Aus-tralier, Inder, Südafrikaner, Schweizer, Franzosen, Italiener. Verantwortlich dafür ist der Big Bang, mit dem die damalige Premierministerin Margaret Thatcher 1986 den Finanzplatz London radikal deregulierte und damit ausländischen Banken und Finanzinstitutionen die gleichen Rechte einräumte wie den einheimischen Häusern. Viele britische Bankhäuser wurden von ausländischen Instituten aufgekauft, die ihre eigenen Leute mitbrachten. Manche, wie der Inder Anshu Jain, wurden Stars. Er ist heute der mächtigste Banker bei der Deutschen Bank in London; der US-Amerikaner Bob Diamond leitet die Barclays Capital, und der in Deutschland weniger bekannte Libanese Walid Chammah steuert als einer von zwei Co-Präsidenten von London aus die Wall-Street-Bank Morgan Stanley.

Das Privatleben der Hochfinanz findet immer noch weitgehend in den westlich gelegenen Edelstadtteilen Kensington und Chelsea, Knightsbridge, Mayfair und Notting Hill statt. Hier leben die begüterten Briten und Ausländer, und hier verschwimmen die Grenzen zwischen den Nationalitäten – die Wohlhabenden und Superreichen bilden eine Multikulti-Klasse für sich. Rund 66 Prozent der Edelimmobilien mit einem Preis von mehr als zwei Millionen Pfund (2,7 Millionen Euro) sind nach Angaben der Maklerfirma Knight Frank im Besitz von Ausländern.

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