Machtwechsel in Simbabwe Was Mugabes Rücktritt für Afrika bedeutet

Nach dem Rückzug von Diktator Robert Mugabe hofft Simbabwe auf einen Neuanfang. Ob der mit seinem Nachfolger gelingt ist offen. Doch Mugabes Rückzug ist auch ein Signal an andere Machthaber in Afrika. Eine Analyse.

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Kapstadt Fast 40 Jahre, nachdem Rhodesien zu Simbabwe wurde und damit als letzte Kolonie in Afrika die Unabhängigkeit erhielt, gibt Langzeit-Diktator Robert Mugabe die Macht aus der Hand. Sein mehr oder minder freiwilliger Rücktritt ist eine historische Zäsur für das Land und dürfte nicht ohne Folgen für den übrigen Kontinent bleiben. Mit 93 Jahren war Mugabe der Letzte aus der Generation der afrikanischen Gründerväter, die ihren Staat vollkommen dominiert und genau dadurch oft ruiniert haben.

Robert Gabriel Mugabe hatte, wie Jomo Kenyatta für Kenia oder Mobutu Sese Seko für Zaire, für Simbabwe eine ganz andere und viel weitergehende Funktion, als sie etwa das Staatsoberhaupt einer westlichen Nation für das dortige Gemeinwesen hat.

Während Präsidenten und Premiers in Europa nur treuhänderisch regieren, ging die Rolle der afrikanischen Pendants weit darüber hinaus. Fast alle sahen sich nicht nur als temporäre Verwalter des Staats, sondern als dessen Verkörperung – und konnten wegen dieses fatalen Amtsverständnisses kaum von der Macht lassen.

Ihr Amt füllten sie auf eine Weise aus, die nichts mit der Auffassung des Staatschefs als oberstem Diener der Allgemeinheit zu tun hat. Im Gegenteil: In vielen Ländern Afrikas ist es gesetzlich vorgeschrieben, das offizielle Porträt des Staatschefs in jedem Laden, Büro, Hotel und Restaurant zur Schau zu stellen. Simbabwe ist solch ein Land. In jedem Etablissement hing hier bis zur Wochenmitte ein Bild Mugabes mit strengem Blick, dicker Hornbrille und seinem Namenszug.

So sehr die Figur Mugabes auch die Spezies des zum Staat gewordenen Potentaten noch übersteigert haben mag, so sehr hat sie dennoch etwas typisch Afrikanisches. Gerade die Rolle des vermeintlichen Einheitsstifters, die Mugabe zunächst ein paar Jahre lang durchaus erfolgreich spielte, ist leicht abgewandelt in vielen Teilen des Kontinents noch immer beispielhaft für diese Art politischer Führung.

So hilfreich es einst auch gewesen sein mag, dass der Präsident anfangs als personelle Klammer eines jungen, zersplitterten Gemeinwesens fungierte, so stark wiegen die Nachteile einer solchen Stellung. Denn sie führt zu starkem Autoritarismus, der später wiederum fast immer und überall in eine kaum verbrämte Diktatur mündet – mit den bekannten Folgen für die Menschenrechte, aber auch für die Privatkonten des Amtsinhabers und seiner großen Entourage.

Gerade weil Korruption und Amtsmissbrauch so tief verwurzelt sind und mit Emmerson Mnangagwa nun auch noch ein alter Kampfgefährte Mugabes die Macht übernimmt, ist der Neubeginn in Simbabwe besonders schwierig. Mugabe hat dem von ihm befreiten Land politisch wie ökonomisch immensen Schaden zugefügt. Die Wirtschaft schrumpft, viele Banken sind vermutlich insolvent, es fehlt akut an Devisen. Auch regiert noch immer eine Partei, die unter Mugabe systematisch Wahlen manipulierte und jedwede Opposition zu ersticken suchte, während sich die politische Elite unverfroren an den Bodenschätzen und anderen Ressourcen des Landes bereicherte.

Symptomatisch dafür ist der Aufstieg von Mugabes rechter Hand zum neuen Präsidenten. Das Militär stürzte den Despoten nicht etwa, um dem geplagten Volk zu helfen. Der Grund war die willkürliche Entlassung Mnangagwas als Vizepräsident und Mugabes Versuch, stattdessen die eigene Frau zur Nachfolgerin zu machen. Gerade weil es sich hier um einen Machtkampf innerhalb der Regierungspartei, nicht jedoch um einen Volksaufstand handelte, ist die Gefahr groß, dass das Militär seinen Wunschkandidaten nun auch fest installiert sehen will.


Signal an die Machthaber in Südafrika, Kongo und Kenia

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat den neuen Präsidenten bereits wissen lassen, dass Simbabwe nun zügig handeln müsse, um seine zerrüttete Wirtschaft zu beleben. Das Land hat seine internationalen Schulden mehrfach nicht bedient, was ihm nun den Zugang zu neuen Krediten stark erschwert. Auch dürfte der IWF Kredite nur dann zur Verfügung stellen, wenn die neue Regierung mehr Transparenz schafft.

Jede wirtschaftliche Hilfe darf künftig auch nur gegen eine minutiöse Prüfung der Verwendung der gewährten Gelder erfolgen, zudem unter der Bedingung, dass führende Oppositionspolitiker in die für die nächsten Tage erwartete Übergangsregierung aufgenommen und die Menschenrechte respektiert werden. Zu schnelle und bedingungslose Hilfe, wie sie die EU bereits 2014 mit der überstürzten Aufhebung der Sanktionen gewährte, würde falsche Anreize setzen.

Dem neuen Präsidenten sei geraten, einen Blick auf das gut regierte Nachbarland Botswana zu werfen. Dieses ist ein Musterbeispiel für vorausschauende Politik, etwa durch die kluge Nutzung der Rohstoffe. Befanden sich die beiden Länder 1980 etwa auf dem gleichem Niveau, ist Botswana heute siebenmal reicher als Simbabwe.

Die Folgen des Diktatorensturzes in Simbabwe mögen nicht die Bedeutung des Aufstands von 2011 in Nordafrika haben, wo ein Funke zum Feuerball wurde und die ganze Region, von Tunis bis Damaskus, in Brand setzte. Ein paar Funken dürften jedoch schon über den Limpopo nach Süden ans Kap driften; sie könnten dort, nach dem seit langen zehn Jahren andauernden Niedergang unter Jacob Zuma, schon bald für den womöglich nächsten veritablen Brandherd sorgen, wenn der regierende ANC vom 16. bis 20. Dezember seinen Parteitag abhält, um Zumas Nachfolge zu regeln.

Der mit schweren Korruptionsvorwürfen überhäufte Präsident wird mit einigem Entsetzen beobachtet haben, wie schnell sich eine Partei von einem Führer abwenden kann, dem sie noch kurz zuvor scheinbar sklavisch zu Füssen lag. Nachdem er 2019 nicht wieder kandidieren darf, versucht Zuma gerade, seine Ex-Frau Nkosazana Dlamini-Zuma als Nachfolgerin zu installieren. Von ihr erhofft er sich den notwendigen Schutz vor einer sonst fast unvermeidlichen Verfolgung durch die Justizbehörden. Die Parallelen zu den jüngsten Geschehnissen in Simbabwe sind offenkundig.

Das schnelle Aus für Mugabe  könnte, neben Zuma, auch eine Reihe weiterer Potentaten in anderen afrikanischen Staaten unter Druck setzen, allen voran Joseph Kabila im Kongo oder Uhuru Kenyatta in Kenia, wo die jüngsten Wahlen das Land tief entzweit haben. Unter der Oberfläche rumort es jedenfalls vielerorts beträchtlich. Noch befinden sich die meisten Länder im Würgegriff ihrer oft verantwortungslosen politischen Eliten. Doch das Schicksal Mugabes zeigt: ihr Griff wird schwächer.

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