Macron und das Militär Ein Flirt mit den Bombern

Macron steht vor seiner ersten Niederlage: Im Streit mit dem französischen Militär geben viele dem Präsidenten die Schuld an der Eskalation. Doch die Franzosen haben ein seltsames Verhältnis zur Armee. Ein Kommentar.

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Frankreichs Präsident kämpft um die Sympathie des Militärs. Quelle: Reuters

Paris Mit einem Besuch auf der strategischen Luftwaffenbasis Istres bei Marseille versucht Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron am Donnerstag, das gespannte Verhältnis zu der Militärführung des Landes zu entkrampfen. In Istres ist ein Teil der strategischen Bomberflotte stationiert, die zur nuklearen Abschreckung gehört.

Mehrfach versicherte der Staatschef in seiner Ansprache auf dem Rollfeld: „Sie haben mein volles Vertrauen, das sind nicht nur Worte, sondern das bedeutet meine Präsenz an Ihrer Seite und eine tägliche Entschlossenheit.“ Er wisse, „was die Nation Ihnen schuldet“, sagte Macron, er beglückwünsche „Sie zu Ihrem täglichen Engagement“ und es sei ihm „wichtig, dass die nötigen Ressourcen zur Verfügung stehen, damit wir militärische Operationen da führen können, wo sie nötig sind und die Armee modernisieren können.“

Unter Anspielung auf den seit Tagen andauernden Konflikt um die Einsparungen in diesem Jahr fügte er hinzu, dass die Kürzungen in der zweiten Jahreshälfte den ursprünglich beschlossenen Etat nicht beeinträchtigen würden und im nächsten Jahr die Ausgaben von 32,7 auf 34,2 Milliarden Euro gesteigert würden: „Nur der Verteidigungsetat wird ansteigen, kein anderer.“ Seit 15 Jahren habe es eine solche Steigerung des Militäretats nicht mehr gegeben. Dann fügte er knapp hinzu: „Ich werde keine defätistischen Reden dulden.“

Seit einer Woche hat sich die Krise zwischen der politischen und militärischen Macht auf eine Art hochgeschaukelt, wie es in der Fünften Republik bislang noch nicht vorgekommen ist – abgesehen natürlich vom gescheiterten Putschversuch mehrerer Generäle 1961 in Algerien gegen General de Gaulle. Aus Protest gegen Einsparungen im Verteidigungsetat dieses Jahres hatte Generalstabschef Pierre de Villiers in Gesprächen mit der Regierung, vor dem Verteidigungsausschuss der Nationalversammlung und zuletzt auch in der Öffentlichkeit das Wort ergriffen, unterstützt von einigen seiner Kollegen.

Wie in jeder anderen Demokratie auch: Es ist unüblich bis unzulässig, dass ein Militär öffentlich Kritik an einer Entscheidung der Politik übt, umso mehr, wenn er sich wie de Villiers völlig in seiner Wortwahl vergreift und zumindest indirekt die Glaubwürdigkeit des Präsidenten in Frage stellt. Macron hatte gar keine andere Wahl, als den obersten Militärführer öffentlich zu rüffeln und mit seiner Entlassung zu drohen.

Der ist De Villiers am Mittwoch zuvorgekommen, indem er zurückgetreten ist. Sehr knapp ging Macron darauf ein: „General de Villiers hat seine Wahl getroffen, ich respektiere das.“ Er sei ein brillanter Kommandeur gewesen. Den Nachfolger, General François Lecointre, stellte er als Mann vor, der eine „außergewöhnliche operative Karriere“ hinter sich habe. Der General war an zahlreichen brandgefährlichen Einsätzen im Irak, in Serbien, im Kosovo und in Afrika beteiligt, auch an vorderster Front.

Macron hat das Kräftemessen gewonnen, scheint aber merkwürdigerweise die Schlacht um die öffentliche Meinung zu verlieren. Die Mehrzahl der Medien lastet ihm die Zuspitzung des Konfliktes zwischen Politik und Militärs an. Er habe den Generalstabschef brüskiert oder gar öffentlich gedemütigt, habe die Krise unnötig verschärft, heißt es. Politiker von den Konservativen bis zum Front National sehen plötzlich die Chance, dem beliebten Präsidenten eins auszuwischen und beschimpfen ihn als herrschsüchtigen sowie selbstverliebten Mann, der der Situation nicht gewachsen sei und komplett überreagiere.

Diese Interpretation ist mit den Fakten schlichtweg nicht zu vereinbaren. Die eine oder andere Formulierung Macrons mag etwas scharf ausgefallen sein, doch ist völlig klar, dass de Villiers den Staatschef provoziert hat. Darauf musste Macron klar und hart reagieren. Umso erstaunlicher, dass viele Medien die Schuld nun bei ihm sehen. Zu erklären ist das wohl nur mit einer gewissen Militärhörigkeit eines großen Teils der französischen Öffentlichkeit, kombiniert mit einem schlechten Gewissen.

Frankreich zelebriert seine Streitkräfte auf eine Art, wie es in Deutschland undenkbar wäre. Das gilt nicht nur für die große Militärparade am 14. Juli, dem Nationalfeiertag. Auch bei anderen Gelegenheiten lässt man gerne die Panzer rollen oder die Kampfflugzeuge über die Köpfe hinweg donnern. Zugleich aber wissen die Franzosen, dass sie ihrer Armee sehr viel abverlangen. Sie haben sich daran gewöhnt und sind ein wenig stolz darauf, dass Soldaten unter der Trikolore von Syrien bis zur Zentralafrikanischen Republik im Einsatz sind und in vielen Ländern der Erde Krieg führen.

Doch gleichzeitig berührt das die Gesellschaft kaum noch, weil Frankreich seit Jahren eine Berufsarmee hat. Das Gros der Truppen wird von Migrantenkindern gestellt. Die Mittel- und Oberschicht schaut zu, schickt ihre Kinder aber nicht ins Feuer. Außerdem: Die Konservativen haben zur Zeit von Nicolas Sarkozy die Armee nicht gerade fürstlich bedient, sondern ihre Kapazitäten heruntergefahren. Dem öffentlichen Feiern des Militärs steht also deren Geringschätzung in den praktischen finanziellen Entscheidungen gegenüber.

Vor diesem Hintergrund ist es mehr als absurd, das dieselben Politiker, die für die Verteidigungsbudgets der vergangenen Jahre verantwortlich sind, nun dem kritischen Ex-Generalstabschef applaudieren, wenn der sich über zu geringe Mittel und eine veraltete Ausrüstung beklagt.

Macron droht die Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit auch deshalb zu verlieren, weil er schlecht kommuniziert hat. Die Kürzungen im Haushalt 2017 kamen völlig aus heiterem Himmel und wurden politisch nicht gut vorbereitet. Gleichzeitig haben er und die Verteidigungsministerin zu wenig darüber gesprochen, dass bereits 2018 der Verteidigungsetat angehoben werden soll. Mit seinem mehrstündigen Besuch auf der Luftwaffenbasis hat Macron nun versucht, verlorenes Terrain zurückzugewinnen.

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