Macrons Gesetz zur Moralisierung Mit der Moral ist es nicht weit her

Die Regelung zur „Moralisierung der Politik“ zeigt: Mit der Moral in der Politik war es bislang nicht weit her, wenn man sie ausdrücklich in einem Saubermann-Gesetz verankern muss. Das soll sich nun ändern.

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So langsam verändert sich etwas in der französischen Gesellschaft und das Moralisierungsgesetz könnte Macrons erster Pluspunkt der Amtszeit werden. Quelle: dpa

Paris Nach den Finanzaffären des Republikaners François Fillon um Scheinarbeit seiner Frau Penelope soll Abgeordneten die Beschäftigung von Familienmitgliedern untersagt werden. Mit dem Gesetz zur „Moralisierung der Politik“, sollen genau solche Interessenkonflikte im öffentlichen Leben eingedämmt werden. Nebenjobs als Berater für Politiker sollen untersagt werden. Außerdem sollen Politiker mehr Auskunft über ihre Verbindungen zu Institutionen, Vereinen oder Firmen geben müssen. Das Gesetz dürfte ohne Schwierigkeiten vom neuen Parlament verabschiedet werden, denn es kam überall gut an. Widerstand ist deshalb auch von der Opposition nicht zu erwarten.

Bisher war es in Frankreich gang und gäbe, dass die politische Klasse vorhandene Privilegien ausnutzt, und man ging allgemein sehr großzügig mit öffentlichen Geldern um. Die Franzosen halten ihre Volksvertreter - egal welcher Partei - deshalb schon lange für korrupt. Inzwischen geraten immer mehr Politiker unter Druck. Darunter ausgerechnet Justizminister François Bayrou von der Zentrumspartei Modem, der das Gesetz als Bedingung für eine Allianz mit Macron gemacht hatte.

Die Pariser Staatsanwaltschaft ermittelt gegen seine Partei. Sie wird verdächtigt, EU-Gelder für Parteiangelegenheiten ausgenutzt zu haben. Auch die Ministerin für europäische Angelegenheiten Marielle de Sarnez, eine enge Vertraute von Bayrou, soll in die Affäre um fiktive Tätigkeiten von Modem verwickelt sein. Journalisten recherchierten darüber und Bayrou beschwerte sich. Wollte er Enthüllungen vermeiden? Diese Art von Druck auf die Medien war bisher häufig, auch Nicolas Sarkozy nutzte seine Kontakte. Doch in Macrons Regierung kommt das nicht gut an.

Mehrere Medien stellten darauf die Frage, ob die Regierung ein Problem mit der Pressefreiheit hat. Premierminister Edouard Philippe distanzierte sich von Bayrou: „Wenn man Minister ist, kann man nicht wie ein einfacher Bürger reagieren.“ Bayrou wehrte sich, er habe immer die Pressefreiheit verteidigt. Offenbar soll schon über eine Absetzung von ihm diskutiert werden. Die Affäre macht wieder einmal klar, wie neu diese Moralvorstellung in der französischen Politik ist. Denn nach Fillon kamen noch zahlreiche Affären ans Licht. Auch gegen den rechtsextremen Front National wird wegen Scheinarbeit ermittelt, weil EU-Abgeordnete Assistenten für die Parteiarbeit ausgenutzt haben sollen.

Die Reform ist für die Regierung keineswegs unproblematisch. Wohnungsminister Richard Ferrand, einer der engsten Vertrauten von Macron, ist in eine undurchsichtige Immobilienaffäre verstrickt und die Staatsanwaltschaft in Brest hat schon Vorermittlungen eingeleitet. Der Verdacht auch hier wieder: Vetternwirtschaft. Oppositionspolitiker forderten seinen Rücktritt und auch in den eigenen Reihen wurde Kritik laut.

Dabei ließ Macron die Finanzverhältnisse seiner zukünftigen Minister extra vorher durchleuchten. Sie mussten eine Erklärung unterzeichnen, dass sie nicht in gesetzwidrige Aktivitäten verstrickt sind. Denn in den vergangenen Jahren mussten mehrere Regierungsmitglieder wegen Finanzaffären oder Interessenkonflikten zurücktreten. So musste etwa Budgetminister Jérôme Cahuzac aus der Regierung von François Hollande gehen, weil er Schwarzgeldkonten hatte. Macron wollte sich absichern, gelungen ist es ihm nicht. Die schlechten Angewohnheiten sind ganz offensichtlich zu tief verwoben mit dem Politikerdasein.

Aber das Gesetz rüttelt Frankreichs Gesellschaft auf, und was früher beinahe als normal galt, ist heute anrüchig geworden. Die Maßstäbe haben sich unter moralischen Standpunkten verändert. Sehr symbolisch benutzt Marcon deshalb diese Reform als politischen Auftakt für seine Regierung. Er will zeigen : Unter seiner Herrschaft ändert sich die Sichtweise.

Geschickt ist es auch deshalb, weil dieses Initiative überall konsensfähig ist, Macron kann erst mal einen Pluspunkt verbuchen – trotz der Affären in den eigenen Reihen - bevor es gleich danach an die umstrittene Arbeitsmarktreform geht, gegen die Gewerkschaften auf die Straße gehen wollen.

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