Macrons umstrittene Arbeitsmarktreform Der erste Test für den Erneuerer

Präsident Macron steht sein erster großer Test als Reformer bevor: Er bringt seine Arbeitsmarktreform auf den Weg. Doch Frankreich ist für seine protestfreudigen Gewerkschaften bekannt – eine Kraftprobe bahnt sich an.

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Werden die Gewerkschaften dem Präsidenten eine Kraftprobe um seine Arbeitsmarktreform aufzwingen? Quelle: Reuters

Paris Er regiert wie ein Monarch, hieß es in den letzten Wochen oft über Emmanuel Macron. Nun muss der französische Präsident zeigen, ob er ein mächtiger Monarch ist. Sein erster großer Test als Erneuerer und Reformer steht bevor. Die umstrittene Arbeitsrechtsreform wurde auf den Weg gebracht, als erster Schritt wird sie am Mittwoch im Kabinett vorgestellt. Damit packt die junge Regierung eins der wichtigsten und konfliktträchtigsten Projekte des neuen Staatschefs an: die Lockerung der Schutzrechte für Arbeitnehmer. Daran wird Macron gemessen werden.

Die Reform soll Frankreichs Wirtschaft wieder in Schwung bringen und die hohe Arbeitslosigkeit, die zuletzt bei 9,5 Prozent lag, senken. Doch die Gewerkschaften sehen das anders, sie fürchten vor allem, dass die sozialen Rechte geschwächt werden. Die Gewerkschaften in Frankreich sind klein, aber schlagkräftig. Die CGT kündigte sogar schon einen Aktionstag an – allerdings erst am 12. September. Vorher sind Ferien, und Schüler und Studenten, die sich leicht mobilisieren lassen, schon längst an den Stränden. Zu vereinzelten Protesten kam es allerdings schon jetzt in Paris.

Frankreich hat seinen eigenen Rhythmus, das weiß Macron. Deshalb hat er diese erste Reform geschickt auf den Sommer gelegt, in dem das Land lahmliegt. Strategisch kommt dazu, dass er die Reform per Verordnung besonders schnell durchsetzen will. Damit kann er den üblichen langwierigen Weg mit Beratungen und Änderungsanträgen im Parlament umgehen. Bei einer Verordnung entscheidet das Parlament nicht über jedes Detail, es legt nur Leitlinien fest. Im Kabinett wird dann über den Gesetzesentwurf entschieden, das Parlament stellt der Regierung eine Art Vollmacht aus. Das soll zwischen dem 24. und 28. Juli geschehen, mitten in der Urlaubszeit. 

Schon um den 20. September soll die Reform vom Ministerrat angenommen werden. Dann soll das Gesetz auch sofort zur Anwendung kommen, betonte Arbeitsministerin Muriel Pénicaud. Es bleibt also kaum Zeit für Proteste. Zum Schluss muss das Parlament noch einmal das Gesamtwerk ratifizieren, damit die Reform Gesetzeskraft erlangt, Details kommen nicht mehr zur Diskussion.  

Aber das dürfte bei Macrons breiter Parlamentsmehrheit ohnehin kein Thema sein. Kritiker, darunter die Gewerkschaften, halten das Verfahren, das in der französischen Verfassung in Paragraph 38 verankert ist, aber für undemokratisch.

Doch Macron hat aus den Erfahrungen des vergangenen Jahres gelernt. Die erste Arbeitsmarktreform unter seinem Vorgänger Francois Hollande wurde von monatelangen Protesten begleitet. Macrons Reform geht noch viel weiter, hätte also viel Protestpotenzial auf Frankreichs Straßen. Er will unter anderem den Unternehmen mehr Gewicht bei Personal- und Arbeitszeit-Entscheidungen einräumen, diese sollen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Betrieb verhandelt werden können, Branchenabkommen sollen weniger gelten als bisher. Entschädigungen nach einer Entlassung sollen gedeckelt werden, was erst im vergangenen Jahr zurückgenommen wurde.

Betriebsbedingte Kündigungen sollen erleichtert werden. Die 35-Stunden-Woche soll zwar offiziell nicht angetastet, könnte aber ausgehöhlt werden. Details sind allerdings noch nicht bekannt, die Regierung diskutiert noch mit den Sozialpartnern. Klar ist aber: Die Reform bedeutet weniger Macht für die Gewerkschaften. Es könnte deshalb zu einem riskanten Kräftemessen kommen.

Mit der Reform muss sich Macron nicht nur in Frankreich behaupten. Ob er sie umsetzen kann, hat auch Auswirkungen auf ganz Europa. Frankreichs Präsident hat Reformen versprochen, um Vertrauen in der Europäischen Union (EU) wiederzugewinnen. Dafür erhofft er sich im Gegenzug Unterstützung für sein Europaprojekt, das eine stärkere finanzielle Verknüpfung der Mitgliedsstaaten und mehr Investitionen vorsieht.

In den letzten Wochen hat er sich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel im Tandem gezeigt, um in Europa für die neue starke Rolle Frankreichs an der Seite von Deutschland zu werben. Doch nur wenn er in seinem eigenen Land die Zügel in der Hand behält, kann er auch Europa für sich gewinnen.

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