Massenproteste in Hongkong Chinas Angst vor dem demokratischen Funken

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Wie groß ist der Einfluss Chinas in Hongkong?

Das Gebiet ist seit 1997 eine Sonderwirtschaftszone und ein autonomes Zoll- und Steuergebiet mit eigener Währung.

Die Internetzensur ist bisher nicht so stark wie in Festlandchina. Trotzdem hat Peking seit 1997 ein umfassendes Informations- und Überwachungssystem in Hongkong aufgebaut. Es soll sich laut Sebastian Heilmann, Direktor des Mercator-Instituts in Berlin, auf eine große Zahl von Agenten, Informanten und Spezialeinsatzkräften in Zivil stützen können, die außerhalb Hongkongs stationiert sind.

„Diese verdeckt operierenden Kräfte werden versuchen, die Demonstrationsbewegung durch Agents provocateurs zu infiltrieren, zu spalten und durch gewaltsame Aktionen zu diskreditieren“, sagt er. Eine solche verdeckte Konfliktführung hat für die Zentralregierung den Vorteil, dass sie dafür nur schwer verantwortlich gemacht werden kann.

Hier hat sich die Pressefreiheit verschlechtert
Mali (Rang 99, minus 74)Kein anderes Land ist im Ranking zur Pressefreiheit der Reporter ohne Grenzen so stark abgestürzt wie Mali, das viele Jahre einer der Vorreiter der Pressefreiheit in Afrika war. Nach dem Militärputsch im März sowie der Machtübernahme im Norden durch Tuareg und Islamisten mussten viele Radiosender im Rebellengebiet ihren Betrieb einstellen. Auch in der Hauptstadt seien Zensur und gewaltsame Übergriffe auf Journalisten an der Tagesordnung, so Reporter ohne Grenzen. Quelle: dpa
Tansania (Rang 70, minus 36)In dem ostafrikanischen Staat sind im vergangenen Jahr mindestens zwei Reporter ums Leben gekommen. Ein Journalist wurde bei einer Demonstration getötet, ein anderer Berichterstatter wurde tot aufgefunden. Die Polizei geht auch hier von einem Gewaltverbrechen aus. Quelle: dpa
Japan (Rang 53, minus 31)Japan rutschte vor allem wegen seiner restriktiven Informationspolitik im Gefolge der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 um 31 Plätze ab und rangiert nur noch auf Platz 53. Zudem versuchte der Staat direkt in die Berichterstattung der Medien einzugreifen, freie Journalisten wurden von der Polizei eingeschüchtert. Quelle: dpa
Griechenland (Rang 84, minus 14)In Griechenland leiden immer mehr Reporter unter der Schuldenkrise. Sie bekommen den Frust der Bürger zu spüren und werden immer häufiger von extremistischen Gruppen oder der Polizei angegriffen.  Die Kollegen arbeiten in einem "desaströsen Umfeld", so Reporter ohne Grenzen. Quelle: REUTERS
Ungarn (Rang 56, minus 16)Verschlechtert hat sich die Situation auch in Ungarn, wo seit den umstrittenen Mediengesetzen Selbstzensur in den Redaktionen weit verbreitet ist. Die nationalkonservative Regierung kontrolliert den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, während das linksliberale Klubradio seit mehr als einem Jahr um den Erhalt seiner Sendelizenz kämpft. Quelle: REUTERS
Russland (Platz 148, minus 6)Die Staatsspitze behinderte die Berichterstattung über Großdemonstrationen gegen die umstrittene Wiederwahl Wladimir Putins. In überraschender Eile wurde im Sommer die  Gesetzgebung zur Verleumdung verschärft, die erst kurz zuvor liberalisiert worden waren. Seit September 2012 existiert eine "Schwarze Liste" blockierter Internetseiten, die Kinder vor Pornografie oder anderen schädlichen Inhalten schützen und "Hochverrat" verhindern soll. Aber: Die Überwachung des Internets sei in hohem Maße intransparent, da eine kleine Expertengruppe darüber entscheidet, welche Seiten blockiert werden, kritisieren die Reporter ohne Grenzen. Quelle: AP
Türkei (Platz 154, minus 6)In der Türkei saßen seit dem Ende des Militärregimes 1983 nie so viele Journalisten im Gefängnis wie heute. Vielen werden Straftaten nach dem umstrittenen Antiterrorgesetz zur Last gelegt. Oft erhalten weder Angehörige noch Anwälte Informationen über die Anklage und Zugang zu den Akten. Weil sie Gefangene übermäßig lange in Untersuchungshaft hält, wurde die Türkei wiederholt international kritisiert. Eine Reform des Antiterrorgesetzes im Juli 2012 brachte jedoch nur geringfügige Verbesserungen. Quelle: AP

Was würde bei einem militärischen Eingriff passieren?

Hongkong ist schon einigen Jahren nicht mehr der wichtigste Wirtschaftsstandort in China. Shanghai hat mittlerweile einen vergleichbaren Finanzmarkt, andere Städte vergleichbar große Häfen. „In wirtschaftlicher Hinsicht wäre ein militärisches Eingreifen in Hongkong mit den damit verbundenen wirtschaftlichen Rückschlägen für China verkraftbar“, sagt Sebastian Heilmann.

Sollten die Polizeikräfte aus Hongkong die Demonstrationen nicht in den Griff bekommen, könnte China also mit eigenen Truppen eingreifen. Dies gilt allerdings als letzter Schritt, da China mit weltweiten Protest und Sanktionen rechnen müsste.

Was kann das Ausland tun?

Die Sonderverwaltungszone Hongkong ist durch die „Gemeinsame Erklärung“ des Vereinigten Königreichs und der Volksrepublik China, die bei den Vereinten Nationen hinterlegt ist, völkerrechtlich geschützt. Der Schutz der Sonderrechte und Sonderbedingungen kann von Großbritannien eingefordert werden. Die Einforderung wäre allerdings schwierig. Die Zentralregierung verbietet sich eine Einmischung in innerchinesische Angelegenheiten. Sie besteht auf seine Souveränität in Hongkong. Diese ist völkerrechtlich auch nicht anzuzweifeln.

Wie ist die aktuelle Situation in Hongkong?

Nach Ausschreitungen am Wochenende blieb es in den vergangenen Tagen weitestgehend ruhig. Hunderte Demonstranten versammelten sich zu Nachtwachen, bei der sie ihre erleuchteten Handys in der Luft schwenkten und mit Gesängen ihren politischen Forderungen Ausdruck verliehen: „Hongkong beugt sich nicht! Ich liebe und verteidige meine Stadt!“ Oder: „Hört Ihr die Bürger singen? Bloß nicht aufgeben! Wir wollen echte Wahlen!“ Und: Kein Tränengas, wir können alleine weinen“ – stehen auf Spruchbändern, teils auf Englisch, teils auf Chinesisch.

In einigen Bezirken der Stadt blieben die Schulen aus Sicherheitsgründen geschlossen. Mittwoch und Donnerstag waren Feiertage, so dass die Menschen sowieso nicht zur Arbeit oder Schule mussten. Auf Dutzenden Busrouten wurde der Betrieb eingestellt, die Eingänge einiger U-Bahnschächte waren versperrt. Das große Feuerwerk zum Nationalfeiertag am Hafen wurde abgesagt.

Zu Beginn der Demonstrationen am Wochenende waren Sicherheitskräfte massiv mit Pfefferspray gegen die Protestierenden vorgegangen. Da sie sich mit Regenschirmen vor dem Reizgas schützten, sprechen einige bereits von der "Regenschirm"-Revolution.

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