Medien in Russland Kampf den Auslandsagenten

Der russische Sender RT landet in den USA auf der Liste der Auslandsagenten. Nun zieht die Duma nach. Ins Visier gerät neben US-Medien auch die Deutsche Welle. „Propagandafeldzug gegen Russland“, lautet der Vorwurf.

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Ein neues Gesetz in Russland könnte dafür sorgen, dass Mitarbeiter des Senders als Auslandsagenten eingestuft werden. Quelle: dpa

Moskau Auge um Auge: Das US-Justizministerium hat den russischen Staatssender RT trotz massivem Widerstand aus Moskau als „foreign agent“ registriert. RT ist damit einer von vier russischen „Auslandsagenten“. Der Sender habe keine andere Wahl gehabt, als die Registrierungsunterlagen einzureichen, ansonsten hätte ein Strafverfahren gedroht, klagte RT-Chefin Margarita Simonjan, die die Einstufung als „diskriminierend“ und Zensur bezeichnete. 

RT muss nun jedes Halbjahr Rechenschaft über seine Finanzen ablegen und – sollte das US-Justizministerium die RT-Tätigkeit als politische Propaganda einschätzen – seine Berichte mit dem Vermerk „Vertreter einer ausländischen Organisation“ markieren.

Propagandavorwürfe, die vor allem nach der US-Präsidentenwahl laut geworden waren, hat RT stets bestritten: Der Kanal sehe seine Aufgabe darin, „zu informieren, nicht zu beeinflussen“, heißt es in der Selbstbeschreibung. Woher das Geld für den Sendebetrieb kommt, konnte RT nicht genau darlegen. Finanziert wird RT in den USA über das Konstrukt einer autonomen Mediengesellschaft „TV Novosti“. Diese wiederum erhalte ihr Geld aus Russland, RT wisse aber nicht genau, „wer sie reguliert, besitzt, steuert, kontrolliert oder sponsert“, teilte der Sender in den Registrierungsunterlagen mit.

Russlands Botschafter in Washington, Anatoli Antonow, sprach nach der Registrierung von einem „unfreundlichen Schritt.“ Er habe das RT-Büro besucht und den dort arbeitenden „Kollegen“ seine Unterstützung ausgesprochen. Moskaus Antwort beschränkt sich nicht auf symbolische Gesten. Der Kreml hatte schon im Vorfeld mit symmetrischen Gegenmaßnahmen gedroht. Diese laufen nun an.

Die vier Duma-Fraktionen haben über ein Gesetz abgestimmt, das es erlaubt, nun auch in Russland Medien als Auslandsagenten einzustufen. Unter dieses Gesetz können alle juristischen Personen oder anderen Strukturen fallen, die im Ausland registriert sind, oder von dort– sei es von einer Regierung oder auch internationalen Organisationen – finanziert werden, heißt es in der Gesetzesnovelle. In seiner endgültigen Lesung soll es bereits am morgigen Mittwoch verabschiedet werden.


„Deutsche Welle führt Propagandafeldzug gegen Russland“

Duma-Vizechef Pjotr Tolstoi, selbst bis 2016 TV-Moderator, erklärte, das Gesetz habe keine Auswirkungen auf Korrespondentenbüros oder ausländische Korrespondenten, da diese ohnehin beim Außenministerium akkreditiert sein müssten und deren Arbeit folglich auch vom Ministerium reguliert werde. Auch soziale Netzwerke sind laut Tolstoi vorläufig von der Regelung ausgenommen.

Als Ziel hat die Duma in erster Linie die staatlichen US-Auslandssender Voice of America und Radio Liberty ins Auge gefasst. Beide senden seit Jahren auch in russischer Sprache. Laut dem Vizefraktionschef der Kremlpartei „Einiges Russland“, Andrej Isajew, sollen aber auch die Deutsche Welle (DW) und CNN unter diese Regelung fallen. „Es gibt noch eine Reihe anderer“, sagte Isajew.

Der Chef des Duma-Informationsausschusses, Leonid Lewin, betonte, dass es nicht um eine Einschränkung der Pressefreiheit gehe und es sich um eine Ausnahmemaßnahme als Reaktion auf die Beschränkungen in den USA handle. Mit der Erweiterung des Auslandsagentenregisters auf nichtstaatliche und nichtamerikanische Medien geht Moskau über die angekündigten „spiegelgleichen“ Sanktionen hinaus. Der russische Politologe Vitali Tretjakow begrüßt die Maßnahme trotzdem: „Deutsche Welle gehört zweifellos zu den Medien, die einen Propagandafeldzug gegen Russland führen.“ Eine Begrenzung dieser Tätigkeit sei daher – unabhängig von der Lage um RT – aus russischer Sicht notwendig, meinte er.

Den Vorwurf der Propagandatätigkeit wies DW-Sprecher Christoph Jumpelt gegenüber dem Handelsblatt als „sachlich völlig falsch“ zurück. Sein Sender stehe für den freien Austausch von Informationen. Da der Sender noch keine offizielle Benachrichtigung über eine bevorstehende Aufnahme auf eine Schwarze Liste habe, wolle man erst einmal abwarten. Jumpelt wertete die Aussagen Isajews als „Meinung eines russischen Abgeordneten.“

Deutsche Welle ist in Russland über Kabel zu empfangen, sendet sein Fernsehprogramm aber nur in deutscher und englischer Sprache. Im Internet hat der Sender allerdings auch einen russischsprachigen Auftritt.

Bislang wurden in Russland schon Dutzende NGOs als „ausländischer Agent“ zwangsregistriert. Die Aufnahme in das Register ist mit ähnlichen Restriktionen wie in den USA verbunden: Eine verschärfte finanzielle Kontrolle und die Markierung eigener Materialien mit dem Vermerk „Auslandsagent“. Sollten sich die Medien dieser Registrierung verweigern, drohen ihren Vertretern die Abschiebung aus Russland.

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