Meinung Auf Trump-Amerika ist kein Verlass

Unter der Führung Donald Trumps muss Europa sein Schicksal selbst in die Hand nehmen – es muss schneller werden, wendiger, entschlossener. Uneinigkeit kann es sich nicht leisten. Ein Kommentar.

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„Europa muss sein Schicksal selbst in die Hand nehmen“, findet „Handelsblatt“-Autor Till Hoppe. Quelle: dpa

Berlin Auf das Amerika von Donald Trump kann sich Europa nicht mehr verlassen, so viel scheint schon nach zwei Wochen Amtszeit klar. Zu erratisch ist der Stil des neuen Präsidenten, zu radikal seine Agenda, zu egozentrisch seine Perspektive. Auf dem einen oder anderen Themenfeld werden beide Seiten vermutlich noch zusammenfinden – der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus etwa liegt offensichtlich im gemeinsamen Interesse. Auf vielen anderen Gebieten aber, sei es freier Handel, Klimaschutz oder Pressefreiheit, wird die Trump-Regierung eher gegen als mit der EU arbeiten.

Europa bleibt also wenig anderes übrig, als „sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen“, wie es Kanzlerin Merkel ausdrückte. Als seinen Weg ohne den großen Bruder weiterzugehen, sich auf unsicheren Beinen voranzutasten.

Die auf diesem Weg liegenden Hindernisse waren auch ohne Trump schon groß genug: Terrorismus, Flüchtlingskrise, Wachstumsschwäche, eine explosive Nachbarschaft, der Vertrauensverlust der eigenen Bürger in ihre politische Führung. Die Liste ließe sich fortsetzen.

In ihrer heutigen Form wird die Europäische Union all diese Hürden kaum überwinden. Sie muss schneller werden, wendiger, entschlossener. Das kann schwerlich gelingen, wenn sie immer auf das langsamste von 28 Mitgliedern warten muss. Darauf aber läuft das bislang in der EU hochgehaltene Modell der Integration im Gleichschritt hinaus.

Diese Einsicht scheint auch bei den Staats- und Regierungschefs zu reifen. Bis zu den 60-Jahr-Feierlichkeiten der Römischen Verträge am 25. März wollen sie eine Vision für die Union entwerfen. Merkels Äußerungen über ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten deuten darauf hin, wohin die Reise geht: integrationswillige Staaten sollen vorangehen können, ohne auf die zögerlichen warten zu müssen.

Die rechtlichen Vehikel dafür halten die europäischen Verträge schon länger bereit, die Mitgliedsstaaten machten aber bislang selten Gebrauch davon. Zu groß war die Sorge, die Gemeinschaft könnte an ihren Rändern immer stärker ausfransen. Dass die Regierungschefs nun offenbar bereit sind, die Uniformität der Wendigkeit zu opfern, zeigt, wie groß der Druck auf sie ist.

Eine Gemeinschaft der unterschiedlichen Geschwindigkeiten wäre flexibler, aber auch unübersichtlicher. Wie praktikabel das Modell ist, muss sich erst erweisen. Dennoch wäre es richtig, es zu versuchen. Der derzeitige Gleichschritt geht, etwas vereinfacht gesprochen, vielen osteuropäischen Mitgliedern zu schnell, anderen wie den Benelux-Staaten oder Deutschland aber viel zu langsam. Die Notwendigkeit des Ausgleichs, des Kompromisses würde durch die unterschiedlichen Geschwindigkeiten nicht verschwinden. Aber er würde weniger als Zwang empfunden.

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