Meinungsfreiheit in Thailand Ein falsches „Like“ reicht für den Knast

Während sich Thailands politische und wirtschaftliche Zukunft entscheidet, schränken die Machthaber die Meinungsfreiheit entschieden ein. Selbst ein Wort kann Nutzer ins Gefängnis bringen – oder der Hund des Königs.

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Regierungskritische Kommentare und Nachrichten werden in Thailand streng verfolgt – und hart sanktioniert. Im Zweifelsfall genügt sogar ein „Like“. Quelle: Imago

Bangkok Ein einziges Wort könnte Patnaree Chankij eine langjährige Haftstrafe einbringen. Ein saloppes „Jo“ hat die Thailänderin ihren Anwälten zufolge in einem privaten Facebook-Chat geschrieben. Doch weil ihr Chat-Partner zuvor den König beleidigt haben soll, wurde ihr das zur Verhängnis: Jetzt ist Patnaree, die Mutter eines prominenten Aktivisten, wegen Majestätsbeleidigung angeklagt. Ein schweres Vergehen in Thailand – ihr drohen bis zu 15 Jahre Haft.

Die Militärregierung in Thailand erhöht den Druck auf ihre Kritiker. Insbesondere für Kommentare und Nachrichten auf Facebook werden Regierungsgegner zur Rechenschaft gezogen – selbst wenn die Äußerungen nicht einmal öffentlich sind. Brad Adams, Asien-Chef der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch spricht von einem „neuen Tiefpunkt“, was die Menschenrechtspolitik der Thai-Junta betrifft.

Dass die thailändische Militärregierung die Meinungsfreiheit gerade jetzt weiter eingeschränkt, ist kein Zufall. Zwei Jahre nach dem Putsch tritt das Land in eine entscheidende Phase. 2017 soll erstmals wieder gewählt werden, davor sollen die Thailänder noch im kommenden August über einen Verfassungsentwurf der Junta abstimmen. 

Doch der Vorschlag ist umstritten. Wichtige Vertreter der beiden größten Parteien des Landes kritisieren, der Entwurf würde dem Militär weiterhin zu viel Macht einräumen. Was passiert, wenn der Vertragsentwurf scheitert, ist völlig unklar.

Dabei wird immer deutlicher, dass die nun schon seit einem Jahrzehnt andauernde politische Krise die Wirtschaft immer stärker belastet. Nur die Urlauber, die von den politischen Machtkämpfen und Repressalien nichts mitbekommen, strömen weiter ins Land.

Für dieses Jahr rechnet die Regierung mit rund 32 Millionen Gästen und damit mit einem neuen Rekord. Doch das reicht nicht: Erst kürzlich hat Thailands Notenbank ihre Wachstumsprognose auf 3,1 Prozent nach unten korrigiert – zu wenig für ein Land, das rasch zu den entwickelten Industriestaaten aufschließen will.  

Das Versprechen, die Wirtschaft schnell wieder auf Wachstumskurs zu bringen, konnten die Generäle nicht einlösen. „Es gibt keinen Zweifel, dass die wirtschaftliche Erholung enttäuschend war“, analysiert Krystal Tan, Ökonomin des Beratungsunternehmens Capital Economics in Singapur. Damit die Volkswirtschaft ihr Potential entfalten könne, brauche es Stabilität und Klarheit über die Zukunft des Landes.

Die Generäle wollen diese nun mit Macht durchsetzen – und gehen insbesondere gegen Kritiker im Internet vor. Die Anklage von Patnaree ist nicht der einzige aufsehenerregende Fall: Fast gleichzeitig hat ein Verfahren wegen Aufwiegelung gegen acht junge Menschen begonnen, die sich auf einer Facebook-Seite über die herrschende Junta lustig gemacht haben sollen. Zwei von ihnen sind zudem ebenfalls wegen Majestätsbeleidigung in privaten Chats angeklagt. 


Höfliche Sprache für die Regierung

Für Netzaktivisten ist damit eine neue Stufe erreicht. „Das mittlerweile selbst nach möglichen Vergehen in privaten Nachrichten gesucht wird, hat eine neue Qualität“, sagt Sarinee Achavanuntakul, Mitgründerin der Internetorganisation Thai Netizens Network. „Viele verzichten mittlerweile darauf, sich in irgendeiner Form auf Facebook politisch zu äußern.“

Unklar ist, wie die Junta überhaupt an die Informationen kommt. Facebook versichert, man habe keinerlei Daten der Militärregierung zur Verfügung gestellt und sei auch nicht gehackt worden. Sarinee geht davon aus, dass sich der Sicherheitsapparat Zugang über beschlagnahmte Smartphones oder Computer von Festgenommenen verschafft. Sie wirft der Junta außerdem vor, über Phishing-Methoden zu versuchen, an Nutzerdaten zu kommen.

Seit dem Staatsstreich wurden insgesamt 57 Verfahren wegen Majestätsbeleidigung eröffnet, 44 davon wegen Online-Kommentaren. Einem Mann wird dabei vorgeworfen, den Hund des Königs beleidigt zu haben. Menschenrechtsorganisationen werfen der Junta vor, den Paragraphen zum Schutz des Königshauses zu verwenden, um Regierungskritiker mundtot zu machen. 

Doch auch wegen Aufwiegelung werden immer mehr Menschen angeklagt. Eine Frau muss sich dafür verantworten, ein Foto mit einer rote Plastikschüssel mit Neujahrsgruß der Shinawatra-Geschwister gepostet zu haben. Die Regierungen der Shinawatras, die große Unterstützung bei der thailändischen Landbevölkerung genießen, wurden in der Vergangenheit immer wieder vom Militär gestürzt. 

Trotz wachsender internationaler Kritik verteidigt Thailands Regierung ihren Kurs. „Die Einschränkungen werden gemacht, um die öffentliche Ordnung beizubehalten und eine weitere Polarisierung der Gesellschaft zu verhindern“, sagte Justizminister Charnchao.

Für die öffentliche Debatte zum Referendum im August hat die Junta sogar extra ein Gesetz erlassen. Wer über die Verfassung spreche, solle eine „höfliche“ Sprache verwenden und sich nur auf Fakten berufen. Verstöße können mit bis zu zehn Jahren Gefängnis geahndet werden.

Allerdings ist vollkommen unklar, wie diese Regeln interpretiert werden – und die Machthaber warnen, dass selbst ein „Like“ unter einem als gefährlich eingestuften Post als ein Verstoß gegen das Gesetz gewertet werden könne. „Niemand weiß, was noch erlaubt ist, und was nicht“, sagt Netzaktivistin Sarinee. „Mittlerweile kann man fast wegen allem festgenommen werden.“

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