Merkel, Hollande und Renzi Flugzeugträger „Garibaldi“ – Bühne für Europas Dreiergipfel

Europa muss einig sein und bleiben – das ist die Botschaft von Angela Merkel, Matteo Renzi und Francois Hollande. Bei ihrem Dreiertreffen auf einem Flugzeugträger in Süditalien sind Symbole beinahe wichtiger als Worte.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Starke Symbole standen beim Dreiertreffen von Merkel, Hollande und Renzi im Vordergrund. Quelle: AFP

Die drei Regierungschefs der größten Mitgliedsländer der EU kommen an Bord, das heißt höchste Sicherheitsstufe. 150 Journalisten und Kameraleute werden schon am Morgen an der Mole Pisacane im Hafen von Neapel minutiös kontrolliert, bis sie an Bord des Flugzeugträgers „Giuseppe Garibaldi“ dürfen. Gastgeber Matteo Renzi, die Bundeskanzlerin und der französische Präsident Francois Hollande fliegen erst am Nachmittag per Hubschrauber ein.

Auf dem Oberdeck des Marineschiffs findet die Pressekonferenz statt, eine offizielle Erklärung gibt es nicht. Eine Gipfelregie der ganz eigenen Art: Erst dann ziehen sich die drei Regierungschefs zum Arbeitsessen in den Bauch des Flaggschiffs der italienischen Marine zurück. Am Abend fliegen die Deutsche und der Franzose zurück nach Berlin und Paris.

Viel Zeit zum Beraten haben sie nicht bei ihrem zweiten Treffen nach der Premiere in Berlin direkt nach dem Brexit. Alles in allem sind Renzis Gäste gerade mal fünf Stunden im Land. Das Programm ist ausgefeilt und wird noch bis zur letzten Minute umgeändert.

Ein Hubschrauberflug von Neapel nach Ventotene, dieser für Europa so symbolträchtigen Insel, ein kurzer Besuch am Grab von Altiero Spinelli und dann der Transfer auf den Flugzeugträger. Auf dem Oberdeck des 13-Tonnen-Schiffs, auf dem 825 Militärs arbeiten und an diesem Tag noch jede Menge Sicherheitskräfte sind, stehen die transparenten Rednerpulte umrahmt von den drei Fahnen und der Europaflagge für die Pressekonferenz bereit – eine Traumkulisse mit der Insel Ventotene als Hintergrund bei strahlendem Sonnenschein und 32 Grad im Schatten.

Symbole und vor allem demonstrierte Einigkeit sind nach dem Brexit-Trauma für Europa wichtig bei dieser Begegnung, wichtiger als Absichtserklärungen. Die EU muss sich neu erfinden und gleichzeitig müssen die drei Regierungschefs alles vermeiden, damit sie nicht von den anderen EU-Staaten als „Direktorium“ wahrgenommen werden. Die Kanzlerin gebraucht das Wort „ergebnisoffen“, wenn sie über Diskussionen über Europas Zukunft spricht.

Man muss es dem italienischen Premier lassen: In der Bildsprache ist er unübertroffen. Nicht nur die Insel, auf die zu Zeiten des Mussolini-Regimes Dissidenten verbannt wurden und wo das „Manifest von Ventotene“ entstand, ist wichtig für Europa, erinnert es doch an den Pioniergeist der Gründerväter.

Auch die Entscheidung, sich an Bord der „Garibaldi“ zu treffen, hat Gewicht für Europa: In den vergangenen Wochen war das Schiff unterwegs, um Schlepper aufzuspüren, Menschenschmuggel zu bekämpfen und gegen Waffenschmuggel nach Libyen vorzugehen. „Operation Sophia“ heißt die von der „Garibaldi“ als Flaggschiff angeführte europäische Mission vor der libyschen Küste, an der auch Deutschland mit der Fregatte „Karlsruhe“ und dem Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ beteiligt ist. Italien verzeichnet in den Sommerwochen einen neuen Rekord-Ansturm von Flüchtlingen, die auf Schlauchbooten von der libyschen Küste starten. Die Auffangstrukturen sind überfüllt, Italien erhofft sich mehr Unterstützung von den anderen EU-Ländern.


Merkels Woche der Pendeldiplomatie

Ihre Botschaft haben sich die drei Regierungschefs schon beim ersten Treffen in Berlin wohl überlegt: Die EU muss sich verstärkt um die Sorgen der Bürger kümmern. Eine Politik der kleinen Schritte also. Praktisches Handeln, Maßnahme für Maßnahme statt Formulierungen über Neugründungen.

„Es ist leicht, Europa alle Schuld zu geben, aber es ist schwieriger, zu versuchen, ein anderes Europa zu konstruieren, eines das den großen Werten gegenüber aufmerksamer ist als der großen Finanz.“ So hatte Renzi schon am Morgen die Richtung des Gipfels vorgegeben. „Wir versuchen Europa zu verändern, Schritt für Schritt.“

Diese Schritte sind zunächst bessere Investitionen in die gemeinsame Verteidigung, in die digitale Innovation, in das Bildungswesen und in die Kultur – eher der kleinste gemeinsame Nenner von Merkel, Hollande und Renzi. Zwar haben sich die Regierungschefs der drei noch in der G7-Gruppe verbliebenen europäischen Länder zusammengetan, aber sie gehören zu unterschiedlichen politischen Lagern. Zu viele sozialdemokratische Gedanken dürften der Kanzlerin nicht gefallen.

Man sei in einer Reflexionsphase, hatte sie in Berlin zum weiteren Vorgehen in der EU-Politik gesagt. Entscheidungen sollen noch nicht fallen. Für sie ist der Gipfel auf der „Garibaldi“ nach der Stippvisite auf der Insel Ventotene der Auftakt zu einer Woche der Pendeldiplomatie.

Bis Samstag trifft Merkel noch ihre Amtskollegen in Prag, Tallin und Warschau, dann die Ministerpräsidenten der Niederlande, Finnlands, Schwedens und Dänemarks, und am Samstag kommen der österreichische Bundeskanzler sowie die Regierungschefs von Slowenien, Bulgarien und Kroatien. Alle Begegnungen dienen als Vorbereitung des informellen Gipfels der 27 EU-Staaten, der am 16. September in Bratislava stattfindet – der erste ohne Großbritannien.

Für Renzi ist der Gipfel wichtig. Er steckt in einer schwierigen innenpolitischen Situation, da wirken staatstragende Bilder gut. Er wirbt für ein „Ja“ bei der für den November angesetzten Volkabstimmung über eine Änderung der Verfassung. Erhält die keine Mehrheit, kann seine Regierung schnell stürzen.

Eigentlich wollte er während des Gipfels das Thema Flexibilität gegenüber der Kanzlerin anschneiden. Um das schwache Wachstum in Italien anzutreiben, will die Regierung in Rom auch für den Haushalt 2017 Ausnahmeregelungen. Aber die Arbeit am neuen, bürgernahen Europa passt nicht richtig zu solchen Partikularinteressen.

Sein Finanz- und sein Industrieminister haben schon Maßnahmen und Investitionen angekündigt, um das schwache Wachstum anzukurbeln. Er muss den Spagat schaffen, auch die schon mit Brüssel abgesprochenen Deckelungen des Defizits einzuhalten.

Aber er sieht die Kanzlerin schon bald wieder – und unter vier Augen. Ende August sind deutsch-italienische Regierungskonsultationen. Auch dafür hat  Renzi einen symbolträchtigen Ort ausgewählt: Maranello ausgewählt, die Ferrari-Stadt, wo einst Michael Schumacher arbeitete.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%