Merkel in Russland Deutsche Wirtschaft hofft auf Neuanfang

Trotz Sanktionen zieht der deutsch-russische Handel wieder an. Von Merkels erster Russland-Reise seit zwei Jahren erhoffen sich deutsche Unternehmen weiteren Rückenwind. Ost-Ausschuss-Chef Büchele drängt auf Wandel.

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Der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft sieht Merkels Besuch bei Putin mit Optimismus entgegen. Quelle: dpa

„Die Talsohle ist durchschritten, es geht wieder aufwärts.“ Wolfgang Büchele, der CEO des Stuttgarter Maschinenbauers M+W und Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, schaut wieder etwas optimistischer nach Osten. Und er weiß auch warum: Trotz der anhaltenden Sanktionen hat der deutsch-russische Handel im Januar und Februar gegenüber dem Vorjahr bereits wieder um 37 Prozent auf zehn Milliarden Euro zugelegt.

Für Büchele ist klar: „Die Sanktionen waren bekanntlich nur zum Teil für die Rezession in Russland verantwortlich. Der größere Teil geht auf den starken Ölpreisverfall und die erhebliche Abwertung des Rubels zurück.“ Nun hätten Ölpreis und Rubel wieder angezogen, somit die Kaufkraft – und die Importe.

Angela Merkels Sotschi-Reise - erstmals seit zwei Jahren wieder zu Russlands Präsident Wladimir Putin - sieht der Chef des wichtigsten deutschen Wirtschaftsverbandes für Osteuropa sehr positiv: „Wir verbinden damit vor allem die Hoffnung, dass die Reise zum Auftakt für einen wieder intensiveren Dialog wird.

Das sind die Dialogforen der G20

Es ist Zeit, die ausgesetzten bilateralen und europäischen Dialogformate zu reaktivieren“, forderte er im Handelsblatt-Interview. „Eine Dauerkonfrontation kommt uns in Europa teuer zu stehen, beide Seiten brauchen einander zur Lösung fundamentaler europäischer und weltpolitischer Fragen“, sagte Büchele.

Doch der M+W-Chef, der schon für den deutschen Chemieriesen BASF, den mittlerweile einem chinesischen Investor gehörenden ungarischen Chemiekonzern BorsodChem, die finnische Chemiefirma Kemira und als CEO des Gasherstellers Linde Russland-Erfahrung gesammelt hat, sieht die Entwicklung des östlichen Riesenreichs zwiespältig.

Einerseits sei es Russland gelungen, wieder steigende Auslandsinvestitionen einzuwerben: Vor allem, weil die russische Regierung massiv auf Produktion vor Ort - sogenannte Lokalisierung - dränge, wenn große Produzenten ihre Waren auch zwischen Kaliningrad und Kamtschatka absetzen wollten. Andererseits würden viele Firmen angesichts der niedrigen Lohnkosten infolge von Rubelabsturz und Ölpreisverfall Russland auch Basis zum Export ihrer dort gefertigten Produkte in Drittstaaten nutzen.


Korruption als weitere Herausforderung

Doch bei all diesen positiven Tendenzen ist Büchele doch nicht ganz wohl in Sachen Russland: „Russland ist temporär stabil, das könnte aber womöglich kippen, weil das Land immer noch extrem von Rohstoffen abhängig ist, der Mittelstand schwach und der Wohlstand noch nicht in der Breite der Bevölkerung angekommen ist und die Themen Korruption und Transparenz weiterhin Herausforderungen darstellen.“

So umreißt der Ost-Ausschuss-Vorsitzende in einem langen Satz fast alle Probleme der russischen Wirtschaft. Doch auch andere Länder Osteuropas und China kommen wegen ähnlicher Probleme in seinem Urteil momentan nicht gut weg.

Immerhin: Der wieder steigende Warenaustausch zwischen Deutschland und Russland sieht er positiv. Infolge der Sanktionen des Westens gegen russische Banken und Energiekonzerne sowie die russischen Gegensanktionen gegen europäische und amerikanische Agrarprodukte war der deutsch-russische Handel seit 2014 richtiggehend eingebrochen.

Doch die Agrarsanktionen zeigten am Ende, dass sich nur die Warenströme geändert, die Produzenten nach Monaten der Krise neue Absatzmärkte gefunden hätten: „Russland nimmt nun mehr aus dem Osten und wir exportieren mehr nach Westen.“
Bücheles Hoffnung ist außerdem, dass sich nach dem Treffen von Merkel und Putin in puncto Umsetzung des Minsker Abkommens doch noch etwas bewegt. Bisher scheinen alle Versuche erfolglos, Entwaffnung in der Ostukraine oder wirtschaftliche Wiederannäherung zwischen der Ukraine und den Separatistengebieten zu erreichen.

Doch nicht nur Büchele, auch die deutsche Außenpolitik, wirbt unermüdlich für einen „Einstieg in den Ausstieg“ der Sanktionen – im, wie es der Unternehmenschef formuliert, „Austausch für die schrittweise Einlösung der Minsker Abkommen“. Bisher aber, so Büchele, „hat sich die deutsche Wirtschaft mit den Sanktionen arrangiert“.

Und auch Russlands Finanzminister Anton Siluanow ist wenig hoffnungsvoll bei diesem Thema: „Wir gehen nicht von einer Aufhebung der Sanktionen aus“, sagte Russlands Finanzminister Anton Siluanow dem Handelsblatt (Dienstags-Ausgabe). Momentan sei keine Verbesserung der Beziehungen des Westens zu Russland zu spüren.

Allerdings könne es „nicht ewig“ schlechte Beziehungen geben, „der Pragmatismus wird früher oder später siegen“, so Siluanow. Die Hoffnung – so lautet ein altes Sprichwort im Osten – stirbt zuletzt.

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