Herr Nasher, US-Präsident Donald Trump hat seine Staatsgäste zuletzt mit einem harschem Händedruck empfangen – wie sollte sich Angela Merkel bei so einer Begrüßung am besten verhalten?
Donald Trump will mit seinem Gehabe Dominanz demonstrieren. Das versuchen viele Politiker, wenn sie zum Beispiel den Arm um ihren Gast legen. Trump macht das bloß sehr aggressiv. Angela Merkel sollte sich davon nicht beeindrucken lassen – und höflich zurück drücken.
Der erste Eindruck entscheidet oft darüber, ob zwei Politiker miteinander klar kommen. Wie sollte Merkel gegenüber Trump auftreten?
Vieles spricht dafür, dass Donald Trump ein Narzisst ist oder zumindest starke narzisstische Züge hat. Solche Menschen wollen vor allem, dass man ihnen huldigt oder zumindest Respekt zeigt. Deswegen sollte Merkel unbedingt mit Respekt an Trump herantreten – auch wenn sie den vielleicht nicht ohne Weiteres empfindet. Sie kann sich aber einen Punkt raussuchen, für den sie Trump respektiert und sich darauf konzentrieren. Das wirkt sich automatisch auf die gesamte Gesprächsatmosphäre aus.
In Deutschland fordern aber viele Politiker und Unternehmer, dass Merkel bloß nicht vor Trump einknicken soll. Muss sie dem US-Präsidenten nicht eher die Stirn zeigen?
Nein, das schließt sich ja auch nicht aus. Bisher hat Angela Merkel im Umgang mit Trump alles richtig gemacht. Sie ist nicht auf seine Pöbeleien und Provokationen eingegangen, sondern hat ihm cool zur Wahl gratuliert. Sie weiß ja, dass sie noch mit ihm zusammenarbeiten muss. Merkel ist vom Typ her der perfekte Verhandlungspartner für Trump. Sie ist kühl und klug. Damit hat sie bei Trump viel bessere Chancen als zum Beispiel ein aufbrausender Mensch wie Erdogan.
Konfliktfelder der US-Regierung mit Deutschland
Die neue US-Regierung hat frühere Äußerungen von Trump, dass die Nato "obsolet" sei, mittlerweile korrigiert. Die neue Konfliktlinie verläuft entlang der Selbstverpflichtung der Nato-Staaten, bis 2024 zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Sicherheit auszugeben. Die USA geben wesentlich mehr aus, Deutschland sehr viel weniger. Trump wird Merkel drängen, die Ausgaben schneller anzuheben als sie versprochen hat.
Die Sorge über eine zu starke Hinwendung Trumps zu Russlands Präsident Wladimir Putin sind verflogen. Dennoch besteht große Unsicherheit über den amerikanischen Russland-Kurs, der sich auf viele Konflikte von Syrien bis zur Ukraine auswirken kann.
Während Trump vor allem den Anti-Terrorkampf gegen Islamisten betont, geht es Deutschland stärker um die Stabilisierung von Ländern - auch mit Blick auf künftige Flüchtlingsbewegungen. Die US-Regierung hat sich zum Engagement in Afghanistan bekannt, was Merkel lobte. Was Trump in Libyen und Syrien genau will, ist bisher unbekannt.
Ein zentraler Streitpunkt könnte der Umgang mit dem aus der EU ausscheidenden Großbritannien werden. Trump hat den Brexit als Vorbild auch für andere EU-Staaten bezeichnet. Merkel betont die Einheit der EU - auch in Handelsfragen.
Führende Vertreter der Trump-Regierung haben angekündigt, auch wirtschaftliche Probleme mit EU-Staaten bilateral klären zu wollen - ungeachtet möglicher EU-Zuständigkeit. Die Bundesregierung lehnt dies ab.
Dies betrifft etwa den deutschen Leistungsbilanzüberschuss. Der Vorwurf der US-Regierung lautet, dass Deutschland etwa den niedrigen Euro-Kurs ausnutzt und dadurch mehr Waren in den USA absetzen kann als die USA etwa in Deutschland. Die Bundesregierung verweist dagegen auf die Zuständigkeit der EU (Handel) und der EZB (Währung).
In Washington wird die Einführung einer Grenzausgleichssteuer ("Border Adjustment Tax", BAT) zur Gegenfinanzierung der von Trump angekündigten Steuersenkungen diskutiert. Für die Exportnation Deutschland wäre das ein schwerer Schlag, weil es deutsche Produkte in den USA verteuern würde. Merkel hat bereits angedeutet, dass die EU entsprechend reagieren werde.
Trump hat sich bisher generell für protektionistische Ideen stark gemacht und selbst das nordamerikanische Nafta-Abkommen infrage gestellt. Ob er wie sein Vorgänger Barack Obama das angestrebte und von der Kanzlerin befürwortete Wirtschaftsabkommen TTIP mit der EU unterstützen wird, gilt als unsicher.
Trump hat sich mehrfach kritisch zu internationalen Vereinbarungen wie etwa zum Klimaschutz geäußert. Noch immer ist unsicher, ob die USA ihre Verpflichtungen etwa aus dem Pariser Klimaabkommen umsetzen werden.
Trump hat sich generell sehr skeptisch zur multilateralen Zusammenarbeit geäußert. Aus seiner Regierung kamen bereits Drohungen, die Zahlungen an die UN zu kürzen, die ihren Hauptsitz in New York hat. Auch humanitäre UN-Programme sollen gekürzt werden. Merkel plädiert dagegen für eine viel stärkere internationale Zusammenarbeit in einer Vielzahl von Politikfeldern.
Trump hat Merkels Flüchtlingspolitik auch nach seiner Wahl noch scharf kritisiert und will selbst eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen. Merkel wiederum hat Abschottungspläne der USA mehrfach entschieden kritisiert.
Bei Merkels Besuch in Washington geht es um riesige Themenkomplexe wie Handelspolitik oder Verteidigung. Wie kann Merkel ihre Interessen durchsetzen?
Sie darf auf keinen Fall irrsinnigen Forderungen große Aufmerksamkeit schenken. Es bringt nichts, sich an solchen Punkten festzubeißen. Besser wäre, wenn Merkel das einfach ignoriert und ihren eigenen Standpunkt betont. Bei Trump könnte es auch gut funktionieren, ihm einen Happen hinzuwerfen, mit dem er bei Twitter schnell einen scheinbaren Erfolg verkaufen kann – aber gleichzeitig in entscheidenden Details hart zu bleiben und seine Ziele durchzusetzen.
So einfach ist das?
Naja, Donald Trump ist nicht dumm. Er hat in der Vergangenheit ziemlich komplexe Deals ausgehandelt – und dabei gut abgeschnitten. Seine Taktik ist, dass er erst einmal alles offen lässt. Er sagt: Wir haben Atomwaffen, und klar, die können wir auch nutzen. Oder: Im Nahen Osten kann ich mit einer Ein-Staaten-Lösung genauso leben wie mit einer Zwei-Staaten-Lösung. Diplomatisch richtet so eine Haltung enormen Schaden an. Aber das nimmt Trump in Kauf. Wenn er sich vorab nicht festlegt, stärkt das seine Verhandlungsposition.
Merkel reist mit Unterstützung aus der Wirtschaft an. Lässt sich Trump dadurch beeindrucken?
Auf den ersten Blick wirkt das gewieft. Trump kommt selbst aus der Wirtschaft, da ist die Hoffnung berechtigt, dass er einem Unternehmer vielleicht eher glaubt, dass Freihandel sinnvoll sein kann als Berufspolitikerin Merkel. Das Problem ist, dass Merkel nur Manager ausgesucht hat – und für die hat Trump wenig übrig. Sie sind für ihn bloß teure Angestellte, aber keine echten Unternehmer. Statt des Vorstandsvorsitzenden von Schaeffler hätte sie besser die Eigentümer des Unternehmens eingeladen.
Wie wichtig die USA für die deutsche Wirtschaft sind
2015 wurden die USA der wichtigste Exportkunde der deutschen Unternehmen, nachdem über mehr als sechs Jahrzehnte Frankreich diese Position innehielt. 2016 behaupteten die Vereinigten Staaten ihre Spitzenposition: Waren im Wert von rund 107 Milliarden Euro wurden damals dorthin verkauft - vor allem Fahrzeuge, Maschinen und chemische Produkte. Das entspricht einem Anteil von etwa zehn Prozent an den gesamten Ausfuhren. Umgekehrt importierte Deutschland Waren im Wert von knapp 58 Milliarden Euro aus den USA, was sechs Prozent aller deutschen Einfuhren entspricht.
Mehr als eine Million Jobs in Deutschland hängen direkt oder indirekt von den Exporten in die USA ab. Weitere 630.000 Arbeitsplätze gibt es in Betrieben, die von US-Firmen kontrolliert werden. Allein McDonald's Deutschland zählt etwa 58.000 Mitarbeiter, der Personaldienstleister Manpower 27.000 und die Ford-Werke gut 25.000.
Umgekehrt schaffen deutsche Unternehmen in den USA ebenfalls Hunderttausende Stellen. Zu den größten deutschen Arbeitgebern dort gehören die Deutsche-Post-Tochter DHL mit rund 77.000 Beschäftigten, Siemens (50.000) und Volkswagen (60.000).
Die deutschen Unternehmen haben mehr als 271 Milliarden Euro an Direktinvestitionen in den USA - etwa Fabriken und Immobilien. Mehr als 3700 Unternehmen sind in den Vereinigten Staaten tätig. Allein die 50 größten deutschen Firmen dort kommen auf einen Jahresumsatz von 400 Milliarden Dollar.
Auch US-Unternehmen haben erhebliche Beträge in Deutschland investiert: Der Bestand summiert sich auf rund 27 Milliarden Euro. 2015 wurden 252 neue Projekte hierzulande von US-Firmen gestartet, von Neuansiedlungen auf der grünen Wiese über Erweiterungen bis hin zu Standortwechseln. Nur chinesische Unternehmen waren aktiver. Die 50 größten US-Unternehmen kommen in Deutschland auf einen Jahresumsatz von rund 170 Milliarden Euro.
Wie bereitet man sich als Politiker eigentlich auf so ein wichtiges Treffen vor?
Das Wichtigste ist, seine Ziele und ein Worst-Case Szenario zu definieren. Dann weiß man selbst, wo man steht. Manchmal macht es auch Sinn, das Gespräch vorab zu simulieren. Vor allem ist es wichtig zu wissen, wer was entscheidet – sonst verhandelt man womöglich mit dem Falschen.
Ist Trump der wichtigste Ansprechpartner für Angela Merkel?
Er ist der Präsident. Aber ich glaube, dass er sich nicht so sehr für Details interessiert, sondern hauptsächlich ein paar gute Schlagzeilen haben will, die ihn gut dastehen lassen. Das ist für Merkel eine riesige Chance. Sie kann mit ihrem Team die wichtigsten Berater von Trump aufspüren – und dann auf zweiter oder dritter Ebene ihre Punkte durchbringen.