Mexiko Regierungspartei greift zu alten Methoden

Mexikos Regierungspartei kämpft bei den anstehenden Gouverneurswahlen ums Überleben und um eine gutes Ergebnis bei den Präsidentschaftswahlen 2018. Nun sollen alte und mehr als fragwürdige Methoden den Machterhalt sichern.

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Die regierenden Partei der institutionalisierten Revolution (PRI) hatte in Mexiko trotz Vorwürfen gestohlener oder gekaufter Wahlen 71 Jahre lang regiert, bevor sie 2000 von der Macht vertrieben wurde. Quelle: Reuters

Mexiko-Stadt Die Szene war so typisch für Mexikos seit langem dominierende Regierungspartei, dass sie sich schon vor einem halben Jahrhundert abgespielt haben könnte. Ärmliche Frauen versammelten sich in der heißen Sonne, um auf den Auftritt eines Politikers zu warten, der dann mit Stunden Verspätung im Stadion erschien. Die Frauen waren verpflichtet, an der Kundgebung teilzunehmen. Andernfalls, so hatte man ihnen gedroht, würden sie Hilfen aus einem Programm zur Bekämpfung der Armut verlieren.

Aber anders als vor 50 Jahren waren eine Reihe Journalisten unabhängiger Medien vor Ort. Sie interviewten die müden und verschwitzten Wartenden, die ihrer Empörung darüber Luft machten, dass ein Regierungsprogramm als Druckmittel für politische Zwecke verwendet worden war. Das endete abrupt, als Mitarbeiter der regierenden Partei der institutionalisierten Revolution (PRI) auftauchten, um die Reporter zu vertreiben und den Frauen zu sagen, sie sollten ihren Mund halten. Einem Kameramann wurde die Ausrüstung entrissen, bevor er dann handgreiflich aus dem Stadion entfernt wurde - begleitet von Drohung, man werde ihn und andere Journalisten „verschwinden lassen“.

„Als sie uns in den Toilettenraum (des Stadions) brachten, sagten sie, „ihr werdet sterben“, und da bekam ich wirklich Angst“, schilderte David Morales, Chef des Internet-Nachrichtendienstes „Chiapas Without Censorship“ die Ereignisse vor der Kundgebung für PRI-Senator Roberto Albores Gleason in Tuxtla Gutierrez.

Derartige Drohungen lösen Schrecken im ländlichen Mexiko aus, wo in den vergangenen Jahren dutzende Journalisten getötet worden sind. Und sie spiegeln wider, was viele für eine Rückkehr korrupter alter Praktiken der PRI halten, die bei Gouverneurswahlen im Juni in einigen ihrer letzten Bastionen - dem Bundesstaat México und dem nördlichen Staat Coahuila - ums Überleben kämpft. Auch bei den Präsidentschaftswahlen 2018 sieht es nach bisherigem Stand alles andere als gut für sie aus.

Die Partei der Revolution hatte in Mexiko trotz Vorwürfen gestohlener oder gekaufter Wahlen 71 Jahre lang regiert, bevor sie 2000 von der Macht vertrieben wurde. Als sie 2012 unter Präsident Enrique Peña Nieto wieder ans Ruder kam, wurden führende Vertreter nicht müde zu betonen, wie sehr sich die PRI geändert habe.

Aber mittlerweile sitzen mehrere frühere Gouverneure der Partei wegen Korruption im Gefängnis, stehen im Mittelpunkt von Ermittlungen oder sind auf der Flucht vor der Polizei. Die PRI befindet sich in schwerem Fahrwasser, Peña Nietos Popularität hat ein Rekordtief erreicht, und Experten meinen, dass die Partei nun wieder auf alte Methoden zurückgreift, um an der Macht zu bleiben.


PRIs aktiver Kampf gegen Korruption

Doch die journalistische Landschaft sieht heute anders aus. So waren die Reporter bei der PRI-Veranstaltung in Tuxtla Gutierrez mit einem neuen Werkzeug ausgestattet: Facebook live. Und so wurde denn übertragen, wie einer der Organisatoren der Kundgebung die Frauen aufforderte, nicht mit den Journalisten zu sprechen. Doch offenbar hatten die Veranstalter den Bogen überspannt, indem sie die Frauen trotz 38 Grad Hitze stundenlang warten ließen: Deren Zorn war schließlich so groß, dass sich gegenüber den Journalisten die Schleusen öffneten.

Die Reporter wurden ungefähr eine Stunde lang festgehalten und dann der örtlichen Polizei übergeben, die sich weigerte, sie festzunehmen. Albores Gleason, der PRI-Senator, verurteilte das Vorgehen in einer schriftlichen Erklärung und betonte, er sei „ein großer Unterstützer des Rechts auf freie Meinungsäußerung“. Darauf, dass die Frauen zur Teilnahme an der Kundgebung gezwungen worden waren, ging er nicht ein. Dem mexikanischen Ministerium für soziale Entwicklung zufolge wurden vier Mitarbeiter des Programmes gegen Armut im Zusammenhang mit dem Vorfall gefeuert.

Ein anderes Beispiel jüngster Gewaltanwendung durch die PRI oder deren Unterstützer wurde aus dem Bundesstaat México gemeldet, einer der langjährigen Hochburgen der Partei. Als Mitglieder der konservativen Nationalen Aktionspartei PAN auf einem Wochenmarkt in einem Vorort von Mexiko-Stadt Werbung betreiben wollte, wurden sie von einer Gruppe von Schlägern verjagt.

Die PRI antwortet auf solche Vorwürfe mit der Aussage, dass sie aktiv dabei sei, Korruption auszurotten. Dabei verweist sie auf die jüngste Festnahme von zwei ehemaligen Gouverneuren aus ihren Reihen. Aber keiner von ihnen wurde daheim gestellt, sondern der eine in Guatemala und der andere in Italien, nach vier Jahren Flucht, während der er sich des Schutzes durch Offizielle in Mexiko erfreute.

Mexikos jüngster Skandal um den Linken-Führer Andres Manuel Lopez Obrador schmeckt ebenfalls nach alten PRI-Methoden, wie manche sagen. So tauchte kürzlich ein clever produziertes Video mit Untertiteln auf, das angeblich zeigt, wie eine Mittelsfrau von „Geschäftsleuten“ für Lopez Obrador bestimmte Geldbündel in Empfang nimmt. Dieser spricht von einem schmutzigen Trick des politischen Establishments, ihn in Misskredit zu bringen.

Allerdings ist die PRI nicht die einzige Partei, die mehr als fragwürdige Praktiken anwendet. So wurde im März in Chiapas eine Bürgermeisterin der mit der PRI verbündeten Grünen-Partei festgenommen. Ihr wird angelastet, über 1500 falsche Staatsbürgerschaftspapiere an Migranten aus Guatemala ausgegeben zu haben - damit sie bei einer Wahl für sie stimmten. Sie gewann, wenn auch knapp.

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