Mexiko und die Drogenbanden Bikinis, Drogen, Auftragskiller

Einst war Acapulco Treffpunkt der Reichen und Schönen. Doch der mexikanische Küstenort ist zum Kampfplatz für Drogenkartelle geworden. Auf der Strandpromenade lauern 300 bezahlte Killer auf ihre Opfer.

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Der mondäne mexikanische Badeort Acapulco ist fest in der Hand der Drogenkartelle.

Acapulco Am Strand von Acapulco tragen manche Männer nicht mehr nur Sandalen oder Badetuch, sondern auch eine kleine, schwarze Ledertasche – mit Pistole. Das beliebte neue Accessoire sagt viel aus über die Gewalt, die den einst mondänen mexikanischen Badeort im Griff hält. „Als ich euch vor meinem Büro stehen sah, hätte ich fast nach meiner Tasche gegriffen“, sagt ein Geschäftsmann, der bereits Todesdrohungen und Geldforderungen von Verbrecherbanden erhalten hat, zu einer Gruppe Reportern. „Ich fürchte um mein Leben.“

Der Tod lauert dieser Tage überall in Acapulco. Im Januar wurde am Strand ein Händler ermordet, der Täter entkam auf einem Jet Ski. Ein anderer Mann wurde in einem Strandlokal getötet. In den Slums auf den Hügeln der Stadt wurde die zerstückelte Leiche einer 15-Jährigen gefunden. Ihr abgetrennter Kopf lag in einem Eimer in der Nähe, zusammen mit der Signatur einer Drogenbande.

Acapulco ist zu einer der gefährlichsten Städte Mexikos geworden. Touristen kommen aus Furcht kaum noch, und die US-Regierung untersagte ihren Angestellten kürzlich jegliche Reisen dorthin, egal aus welchem Anlass. Als Reaktion auf die Lage entsandte die mexikanische Regierung schwer bewaffnete Polizisten und Soldaten nach Acapulco, ähnlich wie zuvor in andere Städte. Das Rezept ist immer dasselbe: Wenn die Mordrate steigt, wird die Gegend mit Truppen geflutet. Heute ist es an der Strandpromenade fast leichter, einen Lastwagen voller Soldaten zu finden als ein Taxi.

„Diese Gegend ist kugelsicher gemacht worden“, sagt der Generalstaatsanwalt des Staats Guerrero, Xavier Olea. Doch das ist nicht wahr. Erst kürzlich wurden wieder drei junge Männer am helllichten Tag in Strandnähe erschossen. Zwei waren Kellner, der dritte ein Händler. Sie hatten vermutlich keine Verbindungen zu Drogenbanden und wurden zufällig Opfer einer Auseinandersetzung zwischen zwei Kartellen.

AP-Reporter trafen vor kurzem in einem Restaurant mit einem Mann zusammen, der Beziehungen zur Unterwelt hat, um über die Sicherheitslage zu sprechen. Geschützt wurde er von einem Leibwächter, der um den Hals eine kleine schwarze Tasche mit Pistole trug. „An der Küstenpromenade gibt es 300 bezahlte Killer“, erklärte der Gewährsmann. „Ein anständiger Killer macht etwa 5000 Pesos (240 Euro) pro Woche.“

Experten sagen, Acapulco zeige die Grenzen der Sicherheitsstrategie der Regierung auf. Beamte der Bundespolizei, von denen fast keiner aus der Stadt komme, verirrten sich jenseits der Küstenpromenade leicht. Ihre schweren Waffen seien für städtische Verhältnisse ungeeignet, und sie hätten keine Ausbildung als Ermittler.


„Morgens tauchen Tote in den Straßen auf“

„Es ist dasselbe Problem in Guerrero, in Tamaulipas, in Michoacán“, sagt der Sicherheitsfachmann Alejandro Hope unter Anspielung auf drei mexikanische Staaten, in denen die Gewalt zuletzt drastisch zunahm. „Plötzlich gibt es einen Notstand, dann schicken sie Truppen dahin, wo das Problem ist, und kurzfristig sinkt die Verbrechensrate. Aber dann gibt es woanders einen Notstand, und dann müssen die Truppen abziehen, und sie haben keine örtlichen Polizeikapazitäten aufgebaut.“

Die jüngste Welle der Gewalt in Acapulco begann am 24. April, als an der Küstenpromenade zahlreiche Schüsse fielen. Es war der erste derartige Vorfall seit 2012, als die Mordrate in der Stadt mit 800.000 Einwohnern bei 146 pro 100.000 Bewohnern lag. Seither ging sie auf 112 pro 100.000 zurück, liegt aber noch immer deutlich über dem Landesschnitt und scheint wieder zu steigen. Auslöser sind laut Staatsanwalt Olea und dem AP-Gewährsmann Machtkämpfe zwischen verschiedenen Drogenkartellen.

Der Drogenhandel ist ein einträglicher Geschäftszweig in Acapulco. In einer einzigen Nacht kann ein illegaler Drogenladen schätzungsweise 150.000 Pesos einnehmen. Laut dem Gewährsmann gibt es etwa 50 solcher Läden in der Stadt, so dass sich die Einnahmen auf täglich rund 7,5 Millionen Pesos belaufen dürften. Damit können viele Auftragskiller bezahlt werden.

Wegen der Sicherheitsprobleme hätten bereits etwa 1.600 Geschäfte geschlossen, sagt der Leiter der Handelskammer, Alejandro Martínez. Und der Rückgang des Tourismus habe die Besitzer von Geschäften getroffen, die ohnehin bereits von Banden erpresst würden. Einige wurden gezielt getötet, in einem Fall wurde ein Unbeteiligter von einem Querschläger tödlich getroffen. Joaquín Badillo, Betreiber der führenden privaten Sicherheitsfirma der Stadt, schätzt, dass 95 Prozent der gewaltsamen Todesfälle direkt oder indirekt mit Verbrecherbanden zu tun haben.

Obwohl die Morde in den Touristenvierteln mehr Aufsehen erregen, leiden die Bewohner der Slums am meisten unter der Gewalt. Der neue Polizeichef Max Sedano sagt, die Banden hätten sich in die Slums zurückgezogen. In einem dieser Armenviertel, Ciudad Renacimiento, sitzt Pedro Ramírez an seinem Straßenstand und blickt auf eine Grundschule, die von Soldaten in Kampfausrüstung bewacht wird. Die Sicherheitsvorkehrungen an Schulen in der ganzen Stadt wurden verschärft, nachdem Bandenmitglieder Lehrer erpresst hatten und einen Teil ihres Gehalts forderten.

Tagsüber sei alles ruhig, sagt der 71-jährige Ramírez. Gefährlich werde es, sobald die Soldaten abzögen. „Als ob es eine Ausgangssperre gäbe, niemand geht mehr nachts raus“, erklärt Ramírez, der seit den 1980er-Jahren in dem Slum lebt. „Morgens tauchen Tote in den Straßen auf.“

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