Michail Chodorkowski Sein Helfer aus dem Sauerland

Der russische Ex-Milliardär ließ sich mit einer Maschine des Unternehmers Ulrich Bettermann nach Berlin ausfliegen. Kein Journalist war dem Mittelständler so nah wie WirtschaftsWoche-Redakteur Reinhold Böhmer.

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Der Eigentümer der OBO Bettermann, Ulrich Bettermann, hat Michail Chodorkowski nach Deutschland geflogen Quelle: dpa

Mir ist, als wäre es gestern gewesen. Beim Besuch am Firmensitz in Menden im Sauerland drängte mir Ulrich Bettermann eine Karton Schweizer Weißwein auf: „Nehmen Sie, den müssen Sie unbedingt probieren“. Ich willigte ein, um ihn bei Stimmung zu halten. Ein paar Tage später rief er bei mir zu Hause an und lud meine Frau und mich zu einem Wochenendtrip nach Budapest ein, mit seinem Privatjet, versteht sich. Wir lehnten freundlich und dankend ab, mein Sohn war nur wenige Monate alt. In seinem Haus in der Schweiz, der "Casa bianca" am Vierwaldstätter See, musste ich wenig später dagegen wieder nachgeben. Bettermanns Frau, in Leoparden-Shorts im Türrahmen, reichte mir kurze Hosen ihres Gatten, die ich doch bitte anziehen möchte, um von seinem Domizil mit dem Motorboot zum Mittagessen in einem entlegenen Restaurant zu brettern. Ich streifte sie über. Bettermann beichtete mir wenig später seine Enttäuschung. Das seine Frau uns nicht begleitete, ließ mich meine Blicke in die Berge bohren.

Alles für den Ruhm

Das war vor rund 20 Jahren. Natürlich gab es Streit, als Bettermann schließlich das Porträt über sich in der WirtschaftsWoche las. Er warf mir vor, den Wein angenommen zu haben. Selbstverständlich schickte ich die Flaschen zurück. Er scheiterte mit dem Versuch, den Deutschen Presserat zu einer Rüge zu veranlassen, weil das Porträt Bemerkungen über seinen längst verstorbenen Vater widergab, die Bettermann selbst gemacht hatte.

Der Helfer Chodorkowskis ist der Typ erfolgreicher Mittelständler, den es fast zwanghaft nach Ruhm außerhalb seiner Region drängt – und der dazu vor kaum einem Mittel zurückschreckt.

Was hat der Eigentümer der OBO Bettermann GmbH & Co. KG in dem Sauerland-Städtchen Menden nicht alles angestellt, um berühmt zu werden. Schon Ende 1993 ließ er für umgerechnet 270 000 Euro in seinem Unternehmen drei Männer auftreten, die die Welt noch nie als Trio erlebt hatte: Henry Kissinger, Hans-Dietrich Genscher und Michail Gorbatschow. Er lud den einstigen Kanzlerberater Eduard Ackermann zu sich ein, der ihm vor allen Anwesenden schmeichelte: "Sie könnte ich mir gut als Wirtschaftsminister vorstellen." Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte über ihn, er sei nicht nur ein vorbildlicher Unternehmer, "sondern ein guter Mensch in des Wortes traditioneller Bedeutung".

Der ungekrönte Herrscher

Doch das alles hat ihm wenig genützt. Bis zur Beförderung Chodorkowskis am vergangenen Samstag kannte ihn praktisch niemand in Deutschland. Die Bezeichnung OBO, die Bettermann für seine Befestigungstechnik ersann, weil diese sich ohne Bohren anbringen lasse, verharrte im Schatten von Marken wie Würth oder Dübelfischer.

Bettermann, Jahrgang 1946, gilt, obwohl inzwischen auch Schweizer Staatsbürger, noch immer als ungekrönter Herrscher von Menden. Der Stadtteil Hüingsen, der großenteils identisch ist mit Bettermanns Werksgelände, heißt bei den Mendenern "Bettermannhausen". In Menden versuchte er bis zuletzt, die Kommunalpolitik zu bestimmen. So startete und finanzierte er vor gut einem Jahr eine Kampagne, um den sozialdemokratischen Bürgermeister Volker Fleige per Volksentscheid abzusetzen. "Menden hat wirklich Besseres verdient", wetterte Bettermann und ließ an die Wahlberechtigten der 55.000-Einwohner-Stadt einen Abwahlaufruf mit Titel verschicken: "Fleige macht die Fliege!" Doch der Aufrührer scheiterte, weil er nicht genügend Stimmen für den geplanten Putsch zusammenbekam.

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