Moldau nach der Wahl Mütterchen Russland ruft

Europa ade: In Moldau spricht die Regierung von europäischen Werten, dabei ist das System von Korruption zerfressen. Der neue Präsident will sich Richtung Moskau orientieren. Für Russland ist das selbstverständlich.

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Chisinau, Moldau: Eine Frau auf dem Weg zur Stimmabgabe. Quelle: dpa

Moskau Von „forgotten men“ in den USA zum „forgotten country“ in Osteuropa: Die Ex-Sowjetrepublik Moldau ist seit Jahren das Armenhaus Europas. Das Durchschnittsgehalt liegt bei offiziell 234 Euro, während Oligarchen, allen voran Milliardär Wladimir Plahotniuc, die Politik bestimmen. Die Regierung spricht von europäischen Werten, dabei ist das System von Korruption zerfressen. Der verarmte Agrarstaat zwischen der Ukraine und Rumänien steckt seit Jahren in einer tiefen politischen Krise.

Die Unzufriedenheit mit dem aktuellen Kurs dokumentierte das Ergebnis der Präsidentenwahl am Sonntag, bei der der prorussische Kandidat Igor Dodon (41) den Sieg davontrug. In der Stichwahl setzte sich Dodon mit 52,57 Prozent gegen die liberale Kandidatin Maia Sandu (47,43 Prozent) durch; die Wahlbeteiligung lag bei 53 Prozent.

Der Wahlkampf wurde mit harten Bandagen geführt: Beide Kandidaten hatten sich vorgeworfen, im Filz der Korruption gefangen zu sein. Sandu war zwischen 2012 und 2015 Bildungsministerin, Dodon leitete von 2006 bis 2009 das Wirtschaftsministerium. Gegen als Kandidatin des Westens geltende Sandu wurden zudem Gerüchte gestreut, sie habe vor der Wahl Bundeskanzlerin Angela Merkel versprochen, ihr Land nehme 30.000 syrische Flüchtlinge auf.

Trotzdem konnte die 44-jährige Betriebswirtin und Ex-Weltbankberaterin ihren Rückstand zum Sozialistenführer aus der ersten Wahlrunde vor zwei Wochen deutlich verringern. Damals hatte sie noch mit rund zehn Prozent hinter ihrem Rivalen gelegen. Die Aufholjagd gelang durch eine stärkere Mobilisierung der jungen Wähler und auch der im Ausland lebenden Moldauer.

Diesbezüglich beklagte Sandu allerdings bereits am Wahltag Unregelmäßigkeiten, so hätten die Stimmzettel in den ausländischen Wahllokalen nicht gereicht.


Für Moskau ist der Wahlausgang „logisch“

Tatsächlich war die Wahlbeteiligung bei der ersten direkten Präsidentenwahl Moldawiens seit 20 Jahren vor allem im Ausland ungewöhnlich hoch. In London, Venedig, aber auch in Moskau gingen laut Augenzeugen die Stimmzettel aus. Während Sandu als Konsequenz die Absetzung der Wahlkommission forderte, rief Dodon nach seinem Sieg zur Besänftigung der Gemüter auf. Hass und Teilung der Gesellschaft müssten aufhören.

„Ich werde Präsident aller sein, der Linken und der Rechten, derjenigen, die in die EU wollen und derjenigen, die nach Russland streben“, kündigte er an. Trotzdem will er seine erste Auslandsreise nicht nach Bukarest machen, mit dem Chisinau traditionell enge Verbindungen unterhält, sondern nach Moskau. Schon im Wahlkampf hatte Dodon erklärt, sich enger an Russland orientieren zu wollen. So plädierte er dafür, das Assoziationsabkommen mit der EU wieder rückgängig zu machen.

Juristisch hat Dodon dafür noch keine Handhabe. Der Präsident in der Republik Moldau besitzt bisher vor allem repräsentative Funktion. Doch Dodon ist gewillt, seine Machtbefugnisse auszubauen. Die Direktwahl gebe ihm ein „moralisches Vorrecht“ bei der Durchführung von Reformen gegenüber dem Parlament, das mehrheitlich von proeuropäischen Parteien beherrscht wird.

Aus Moskau wurde der Wahlausgang, der für den Kreml ebenso positiv ausfiel wie die Präsidentenwahl im ebenfalls osteuropäischen Bulgarien, bereits als „logisch“ kommentiert. „Die prowestlichen Liberalen haben die Republik Moldau betrogen und bestohlen. Die Assoziation mit der EU hat nichts gebracht. Die Menschen erwarten eine neue Politik“, twitterte der russische Senator und Außenpolitiker Alexej Puschkow.

Kremlsprecher Dmitri Peskow äußerte sich zurückhaltender: „Im Kreml erkennen wir natürlich die Wahl des moldauischen und des bulgarischen Volkes an und gratulieren den Kandidaten, die gewonnen haben“, sagte er.

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