Münchner Sicherheitskonferenz Russlands Kalter Krieg ist längst ein heißer

In Vertretung von Wladimir Putin spricht der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew von einem „neuen Kalten Krieg“ – und verkennt die Lage: Konflikte zwischen Ost und West sind „heißer“ als zu Zeiten des Ost-West-Konflikts. Vor allem wegen Moskaus Politik.

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Der russische Ministerpräsident Dimitri Medwedew in München. Quelle: dpa

Natürlich war nicht zu erwarten, dass Dmitri Medwedew die Herrschaften auf der Münchner Sicherheitskonferenz mit einer Geste der Entspannung verzückt. Sein „Neustart“ mit den USA, den er 2009 als Präsident unter dem einzig wahren russischen Herrscher Wladimir Putin verkündete, die klangvolle Modernisierungspartnerschaft mit Europa – all dies ist Schönwetterpolitik von gestern. Seit geraumer Zeit segelt der einstige Duzfreund der Bundeskanzlerin als willfähriger Ministerpräsident im Windschatten von Putin und sagt, was dieser denkt.

Nicht anders in München: „Wir sind heruntergrollt zu den Zeiten eines neuen Kalten Krieges“, stellt er im abgeriegelten Nobelhotel Bayrischer Hof am Samstagmorgen nüchtern fest. „Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland sind verdorben.“

Es sind fatalistische Worte in offizieller Vertretung des Kremlchefs – und sie machen deutlich: Eine kooperative Lösung der Konflikte in Syrien und der Ukraine, die Europa beide viel mehr belasten als Russland, ist im Moment kaum zu denken.

Die Russen sind im Syrien-Konflikt keine Vermittler

Manuel Valls, sein Amtskollege aus Frankreich, muss die Zähne zusammenbeißen. Er sieht aus, als wolle er vor Wut platzen. Denn Dmitri Medwedew plappert souverän die Lesart seines Präsidenten nach: Sein Land kämpfe in Syrien gegen Terroristen, man sei entsetzt über die mangelnde Kooperation des Westens im Kampf gegen den Terror. Indes werde man „weiterhin an der Umsetzung der gemeinsamen Friedensinitiativen arbeiten“, auch wenn sie schwierig liefen, so Medwedew. Die Welt könne sich kein weiteres Libyen, Jemen oder Afghanistan leisten.

All das soll vernünftig klingen, doch die meisten im Saal kennen die Wahrheit: Die Russen sind im Syrien-Konflikt keine Vermittler – sondern Kriegspartei auf der Seite des Diktators Baschar al-Assad. Erst in der Nacht vor Medwedews Rede flog die russische Luftwaffe wieder mindestens zwölf Angriffe auf Siedlungen unweit der Grenze zur Türkei, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete. Vor wenigen Wochen war bei einem Lufteingriff einer der Teilnehmer der Friedensgespräche umgekommen, die Moskau vorgeblich unterstützt.

Die Akteure im Syrien-Konflikt

Aus Videos russischer Blogger geht hervor, dass Russland in Syrien eigene Haubitzen einsetzt und Assads Armee personell zumindest mit Militärinstrukteuren unterstützt. Medwedew aber stellt sich vor die sicherheitspolitische Elite der Welt und warnt: „Es darf jetzt nicht damit gedroht werden, Bodentruppen nach Syrien zu entsenden.“ Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ist die Spielchen der Russen leid und antwortet auf ähnliche Drohungen aus Moskau: „Unsere Abschreckung hat ebenfalls eine atomare Komponente.“

Und der Kalte Krieg, von dem Medwedew in München spricht – er ist bereits ein heißer. In der Ukraine gibt es trotz eines unterschriebenen Friedensplans weiter täglich Schießereien zwischen der Armee des Landes und den aus Russland personell und materiell unterstützten Separatisten.

In Syrien führen Nato-Mitglieder und Russland einen Stellvertreterkrieg: Die russischen Angriffe richten sich gerade gegen Gruppen wie die turkmenische Minderheit, die etwa die Türkei mit Waffen unterstützt. Die intensive Bombardierung der Stadt Aleppo schlägt zehntausende Syrer in die Flucht, die in der Türkei oder Deutschland stranden und dort zu einer Verschärfung des Flüchtlingsproblems beitragen werden.

Es ist nicht auszuschließen, dass dieser Nahost-Krieg noch heißer wird. Mehrfach drangen russische Kampfjets in türkischen Luftraum ein – egal, ob aus Versehen oder als absichtsvolle Provokation: Ankaras hitzköpfigem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist zuzutrauen, dass er sich irgendwann so herausgefordert fühlt, dass er erneut einen russischen Flieger abschießt oder sich den Russen in Syrien mit Bodentruppen entgegenstellt.

Und dann? Wie reagiert der Westen, wenn die Türken als Nato-Mitglied den Bündnisfall ausrufen? Zieht Europa dann in einen Krieg gegen Russland? Oder würde dies eher die Nato spalten? Am Ende dieses Morgens in München steht nur eines fest: Der Sicherheitskonferenz zum Trotz ist die Welt so unsicher wie seit Jahrzehnten nicht. Manch einer wünscht sich da schon den labilen Frieden des kalten Kriegs zurück.

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