Mullah-Staat Verhandlungen mit dem Iran immer schwieriger

Halbzeit bei den Gesprächen der sechs Mächte mit dem Iran: Beide Seiten haben Konzessionen gemacht, aber jetzt kommt die iranische Innenpolitik störend ins Spiel – und das Kalkül Moskaus. Gefährdet sind dadurch der Erdölmarkt – und vor allem der Weltfrieden.

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Welche EU-Staaten am meisten importieren
Ölraffinerie: Großbritannien bezieht ein Prozent seiner Ölimporte aus dem Iran, und damit 11.000 Barrel pro Tag. Quelle: Reuters
Ölfässer in Hamburg: Auch Deutschland stillt ein Prozent seines Öldurstes mit iranischen Importen. Hier entspricht das 17.000 Barrel pro Tag. Quelle: dpa
Eine Shell-Ölraffinerie in Rotterdam: Ihren Bedarf an Rohöl decken die Niederlande zu zwei Prozent mit iranischen Importen, was einer Menge von 33.000 Barrel pro Tag entspricht. Quelle: dpa
Tankstelle des Mineralölkonzerns Total Quelle: dpa-dpaweb
Benzinpumpen an einer Tankstelle in Spanien: Das Land deckt 13 Prozent seines Ölbedarfs aus Iran-Importen. In Barrel pro Tag macht das 137.000. Quelle: Reuters
Das Logo des italienischen Tankstellennetzes Agip: Ebenfalls zu rund 13 Prozent deckt Italien seinen Ölbedarf mit Importen aus dem Iran. Das bedeutet 183.000 Barrel pro Tag. Quelle: ap
Griechische Fahnen vor der Akropolis: Unter den EU-Staaten deckt Griechenland den größten Teil seines Bedarfs mit Ölimporten aus dem Iran - nämlich rund 14 Prozent. Quelle: dapd

Ende voriger Woche verbreitete sich Freude auf dem Teheraner Imam-Chomeini-Flughafen. An gar nicht so abgelegener Stelle stand ein mittelgroßes Privatflugzeug mit aufgemalter amerikanischer Flagge und US-amerikanischer Kennnummer herum. Flughafenmitarbeiter und Passagiere trugen die Nachricht in die iranische Hauptstadt, und die Kunde vom scheinbaren Ende eines wichtigen Bestandteils der Sanktionen gegen das Mullah-Regime fand seinen Weg in die sozialen Medien und einige Zeitungen.

Dann die Aufklärung: Das Flugzeug, formal im Besitz einer kleinen Bank im Bundesstaat Utah, war an einen Kaufmann aus Ghana verpachtet, der seit langem und offenbar unter den wachsamen Augen interessierter Geheimdienste im Iran Geschäfte macht – wahrscheinlich im Rahmen des Tauschhandels, der an die Stelle normaler internationaler Finanztransaktionen getreten ist. Am Sanktionsregime gegen die Mullahs und ihr Land hat sich nichts Wesentliches geändert.

Irans Wirtschaft in Zahlen

Wenn es dabei bleibt, steuert die Welt einer Krise entgegen, die alles in den Schatten stellen kann, was die Ukraine und Russland derzeit zu bieten haben. Dabei haben sich der Iran und die großen Mächte – dazu zählen die fünf ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat und Deutschland – Ende November darauf geeinigt, binnen eines halben Jahres ein Abkommen zu erzielen, dass für den Iran das Ende der Sanktionen bedeutet und für die Welt das Ende der Angst vor einer möglichen iranischen Atombombe. Die Hälfte dieser Zeit ist jetzt vorbei, und über die laufenden Verhandlungen ist von beiden Seiten offiziell nur zu erfahren, dass noch „viel intensive Arbeit zu leisten“ sei.

Die wird zum Teil schon geleistet. Die Iraner haben der Übereinkunft vom November entsprechend einen Teil ihrer vielfältigen nuklearindustriellen Aktivitäten gestoppt, was allerdings nichts daran ändert, dass alles schnell wieder den Betrieb aufnehmen könnte. Nach einem Bericht Internationalen Atomenergie-Behörde IAEA hat der Iran seine Bestände an hoch radioaktivem Material um fast 75 Prozent reduziert. Gerade darum wird es allerdings langsam ernst aus Teheraner Sicht: Das Regime hat nach außen und innen verkündet, alle Konzessionen an die sechs Kontrahenten ändere nichts an den seit langem proklamierten Zielen zur friedlichen Nutzung der Atomenergie.

Das waren zwar niemals plausible Ziele: Alle Welt sah in der iranischen Politik nukleare Aufrüstung und sonst nichts. Wenn Teheran das jetzt zugibt, wäre es das Eingeständnis einer Lüge – und wenn die Fiktion aufrecht erhalten ist, das ganze Programm habe der friedlichen Energieversorgung gedient, wird der Verzicht unter internationalem Druck zur schmählichen Kapitulation.

Rowhani braucht den Wirtschaftsaufschwung

Die größten Ölreserven der Welt
Eine Frau trocknet Wäsche auf einer Erdöl-Pipeline Quelle: ASSOCIATED PRESS
Libyen Quelle: REUTERS
Logo von Rosneft Quelle: ITAR-TASS
Ölraffinerie in den Vereinigten Arabischen Emiraten Quelle: AP
Ktar Quelle: REUTERS
Kuwait Quelle: REUTERS
Irak Quelle: REUTERS

Für den seit letztem Sommer amtierenden Präsidenten Hassan Rowhani wird es darum schwierig. Seine Politik der vorsichtigen Entspannung hat nur dann eine Chance, wenn er seinen frustrierten Landsleuten einen spürbaren wirtschaftlichen Aufschwung präsentieren kann. Dazu haben die bisherigen Konzessionen der USA und ihrer Verbündeten offenbar wenig beigetragen. Washington hat bisher 4,2 Milliarden der ungefähr 100 Milliarden Dollar frei gegeben, die der iranische Staat und staatsnahe Einrichtungen auf Konten in den USA halten. Für Petrochemie und Automobilbau im Iran sind die Sanktionen weitgehend aufgehoben worden, aber das bleibt weitgehend theoretisch, solange der Iran keine normalen Bankgeschäfte mit der Welt machen kann.

Immerhin sind die Erdölexporte nach Ostasien auf deutlich gestiegen: Amerika und die anderen Mächte haben den Iranern den Export von einer Million Barrel pro Tag für die Zeit bis zu einem endgültigen Abkommen erlaubt, das entspricht etwa dem Stand von 2012. Im Februar verließen nach Erkenntnissen der Energieagentur IEA 1,65 Millionen pro Barrel pro Tag die iranischen Häfen – was in den USA natürlich die Hardliner auf den Plan ruft, die nach härteren Sanktionen rufen. Das wäre sicher das Ende aller Verhandlungen.

Denn der vorsichtige Entspannungspolitiker Rowhani muss sich mindestens so sehr um die eher kriegerisch gestimmte Opposition sorgen wie sein Kollege Barack Obama in Washington. Sein Quasi-Vorgesetzter, der Revolutionsführer Ali Chamenei, hält nach wie vor wüste antiamerikanische Reden. Sein bärbeißiger Vorgänger, der unsägliche Mahmud Ahmadinedschad, ist wieder in der Öffentlichkeit aufgetaucht und versucht sich bei Chamenei als eine Art Oppositionsführer einzuschmeicheln.

Und das alles, während Rowhani und seine Wirtschaftsberater der maroden iranischen Wirtschaft durch Abbau der unbezahlbaren Subventionen für Grundnahrungsmittel und Energie neuen Schwung geben wollen. Die Mehrheit der Parlamentsabgeordneten und Rowhanis eigener Vizepräsident Eshag Dschahangiri lehnen das ab. In dieser innenpolitischen Situation lassen sich die nötigen Konzessionen im Atomstreit nur durchsetzen, wenn die Gegenseite schnell dafür sorgt, dass die iranische Bevölkerung den Nutzen sieht. Der ist bislang ausgeblieben.

Niemand macht den entscheidenden Schritt zu stärkeren Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Iran und dem Rest der Welt – und dabei könnte es ohne weitere iranische Vorleistungen auch bleiben. Die aber sind nur vorstellbar, wenn die Welt einen Wirtschaftsaufschwung im Iran anfeuert: Da droht ein Teufelskreis.

Und der passt mindestens einem Teilnehmer der 6+1-Verhandlungen ganz gut ins Konzept. Russland, in den vergangenen Jahren bester Fürsprecher des Irans im UN-Sicherheitsrat, würde im Zeichen der Ukraine-Krise von einer erneuten Isolierung des Irans nur profitieren. Denn die sicherste Folge wäre ein Anstieg der Weltmarktpreise für Öl und Gas.

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