Nach Amoklauf in Orlando Clinton und Trump streiten im Wahlkampf über den Islam

Nachdem sich der IS zu dem Anschlag in Orlando bekannte, hat der Streit um den Islam den US-Wahlkampf erreicht. Dabei wird auch eine Debatte über ein besonders kontroverses Thema in den USA wieder angeheizt.

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Donald Trump wirft muslimischen Gemeinden vor, nicht mit Behörden im Kampf gegen potenzielle Gewalttäter zusammenzuarbeiten. Seine Widersacherin Hillary Clinton warnte davor, eine ganze Religion zu dämonisieren. Quelle: AFP

Orlando/Washington Das mutmaßlich islamistisch motivierte Massaker in einem Nachtclub in Florida polarisiert den US-Wahlkampf. Die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton warnte am Montag davor, eine ganze Religion zu dämonisieren. Ihr republikanischer Kontrahent Donald Trump warf muslimischen Gemeinden vor, nicht mit Behörden im Kampf gegen potenzielle Gewalttäter zusammenzuarbeiten. Unterdessen wurden weitere Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund des gravierendsten Attentats eines Einzeltäters in der US-Geschichte bekannt, bei dem am Wochenende 50 Menschen starben. Bei dem Todesschützen Omar Mateen handelt es sich um einen 29 Jahre alten US-Bürger afghanischer Abstammung, der laut Polizei dem Anführer des Islamischen Staates Treue gelobte. Der IS selbst bekannte sich zu dem Angriff auf den von Schwulen besuchten Club.

Trump warf US-Präsident Barack Obama vor, in seiner ersten Stellungnahme die Bezeichnung „radikaler Islam“ nicht benutzt zu haben und erklärte: „Allein aus diesem Grund sollte er zurücktreten.“ Obama sprach zunächst von „einem Akt des Terrors und des Hasses“ und sagte: „Wir haben noch keine definitiven Erkenntnisse über die genaue Motivation des Mörders.“ Für Trump ist dagegen ausgemacht, dass die Tat auf einen „radikalen islamistischen Terroristen“ zurückgehe.

„Das, was in Orlando passiert ist, ist nur der Anfang“, twitterte Trump. Der Regierung warf er vor, schwach und ineffektiv zu sein. Er forderte die verstärkte Bombardierung von IS-Milizen und bekräftigte, zumindest zeitweise sollten keine Muslime mehr in die USA reisen dürfen. Der muslimischen Gemeinschaft in den USA warf er vor, den Behörden keine Hinweise auf potenzielle Gefährder zu geben. Man müsse die Moscheen überwachen. „Und glauben Sie mir, die Gemeinden kennen die Leute, die ein Potenzial zum explodieren haben“, sagte Trump.

Clinton hielt Trump entgegen, es sei falsch, kontraproduktiv und gefährlich, sich gegen alle Muslime zu wenden. Es sei vor allem falsch, pauschal muslimischen Flüchtlingen die Einreise zu verbieten. Sie forderte dagegen, die Sicherheitsvorschriften beim Verkauf von Waffen zu verschärfen. Weltweit kondolierten Staats- und Regierungschefs. Bundeskanzlerin Angela Merkel rief zu Offenheit und Toleranz auf.


FBI befragte Mateen 2013 und 2014

Auch am Montag ließ sich der genaue Tathergang in der gut besuchten Schwulen-Bar „Pulse“ in Orlando nicht genau rekonstruieren. Nach Angaben der Ermittler war der 29-Jährige mit einen Sturmgewehr und einer Handfeuerwaffe um zwei Uhr am Sonntagmorgen in das Lokal eingedrungen und eröffnete das Feuer auf die rund 350 Gäste. Dann folgte nach Zeugenangaben ein Blutbad und völliges Chaos. Ein Mann rettete sich unter einem Wagen vor dem Club und bandagierte einen Verletzten mit seinem T-Shirt. Wörter könnten das Erlebte nicht beschreiben, schrieb Joshua McGill auf Facebook. „Mit Blut bedeckt. Versuche, das Leben eines Jungen zu retten.“

Nach dem ersten Feuerüberfall hielt der Attentäter nach Polizeiangaben Dutzende Geiseln auf den Toiletten fest, während vor dem Club Sicherheitskräfte das Gelände abriegelten. Nach drei Stunden stürmten Spezialeinheiten mit Hilfe eines gepanzerten Fahrzeugs den Club und erschossen den Täter. Orlandos Bürgermeister Buddy Dyer sagte, 39 Menschen seien in dem Gebäude getötet worden, zwei seien vor dem Club gestorben und neun auf dem Weg ins Krankenhaus.

Der 29-jährige Täter war Angestellter einer Sicherheitsfirma. Er war 2013 und 2014 vom FBI befragt worden, nachdem er gegenüber Kollegen angedeutet hatte, radikale Gruppen zu unterstützen. Mateen habe auch immer wieder über die beiden Brüder gesprochen, die den islamistisch motivierten Anschlag auf den Boston-Marathon vor drei Jahren verübten. Nach FBI-Angaben soll Mateen zudem 2014 mit Moner Mohammed Abu-Salha in Kontakt gestanden haben. Der US-Bürger aus Florida war 2014 als Selbstmordattentäter in Syrien ums Leben gekommen. Hinweise auf kriminelle Aktivitäten Mateens ergaben sich damals nicht.

Der Sender MSNBC berichtete unter Berufung auf Ermittler-Kreise, Mateen sei 2011 und 2012 nach Saudi Arabien gereist. Das Land fördert weltweit eine besonders orthodoxe Ausprägung des Islam, die als Nährboden für die Radikalisierung von Muslimen gilt. Aus US-Geheimdienstkreisen verlautete jedoch, dass sich der IS zu der Tat bekenne, habe allein noch nichts zu sagen.

Als Motiv für die Tat wurde auch über Schwulenhass spekuliert. Der Vater des Täters sagte in einem Interview des Senders NBC, sein Sohn habe sich zuletzt darüber aufgeregt, dass sich zwei Homosexuelle vor den Augen seiner Familie geküsst hätten. Die Ex-Frau des Schützen sagte Reportern, sie sei von Mateen während Wutausbrüchen geschlagen worden. Er sei dann voller Hass auf alles gewesen. Ihr Ex-Mann sei geistig krank und emotional instabil gewesen.

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