Nach Attentat auf Generalstaatsanwalt Ägypten versinkt in Gewalt

Nach dem Attentat auf Generalstaatsanwalt Barakat nimmt in Ägypten die Gewalt zu. Sicherheitskräfte töten bei einer Razzia neun Muslimbrüder. Extremisten wiederum ermorden mit Selbstmordanschlägen über 60 Soldaten.

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Nach dem Anschlag auf Generalstaatsanwalt Barakat nimmt die Gewalt in Ägypten zu. Quelle: dpa

Al-Arisch Die Auseinandersetzung Ägyptens mit radikalen Islamisten hat zu den schwersten und tödlichsten Kämpfen in dem Land seit 1973 geführt. Bei koordinierten Selbstmordanschlägen und anderen Angriffen auf der Sinai-Halbinsel wurden am Mittwoch mindestens 64 Soldaten getötet, wie Militärsprecher Mohammed Samir sagte. Die Armee teilte im Staatsfernsehen mit, bei zwei Gegenangriffen mindestens 100 „Terrorunterstützer“ getötet zu haben. Beamte sprachen aber auch von vier toten Zivilisten. Bei einer Razzia in Kairo wurden neun Mitglieder der Muslimbruderschaft erschossen, die im Gegenzug zu einer „Rebellion“ gegen Präsident Abdel Fattah al-Sisi aufrief.

Die Kämpfe folgen auf das tödliche Attentat auf den Generalstaatsanwalt Hischam Barakat am Montag. Al-Sisi hatte daraufhin ein hartes Vorgehen gegen Extremisten angekündigt.

Bei einer Razzia erschossen Sicherheitskräfte neun Mitglieder der verbotenen Muslimbruderschaft. Die Beamten seien in eine Wohnung in einer Kairoer Vorstadt eingedrungen und unter Beschuss geraten, teilten Sicherheitsbeamte mit. Die Spezialeinheit habe das Feuer erwidert und neun Personen getötet, darunter den früheren Parlamentsabgeordneten Nasr al-Hafi. In der Wohnung seien drei Gewehre und viel Munition sichergestellt worden.

Die als Terrorgruppe eingestufte Organisation warf den Sicherheitskräften kaltblütigen Mord vor. Die Tötungen seien ein Wendepunkt, der ein Nachspiel für Präsident Al-Sisi haben werde, teilte die Muslimbruderschaft am Mittwoch in einer englischsprachigen Erklärung mit. „Kommt heraus zur Rebellion und zur Verteidigung eures Landes, von euch selbst und euren Kindern“, hieß es in der Mitteilung an die ägyptische Bevölkerung gerichtet. „Zerstört die Zitadellen seiner (al-Sisis) Unterdrückung und Tyrannei und verlangt Ägypten einmal mehr zurück.“


Muslimbrüder dementieren Mittäterschaft

Das Innenministerium teilte mit, bei den neun Getöteten habe es sich um flüchtige Anführer der Bruderschaft gehandelt, die Terroranschläge auf das Militär, die Polizei, Gerichte und Medien geplant hätten. Zwei der Erschossenen seien bereits vorher zum Tode verurteilt worden.

Behörden und regierungsnahe Medien machen die Bruderschaft für die jüngste Gewalt in Ägypten verantwortlich. Die Islamisten dementieren aber, dass sie daran beteiligt seien.

Das erneute Blutvergießen auf dem nördlichen Sinai kommt zwei Tage vor dem zweiten Jahrestag des Sturzes von Ex-Präsident Mohammed Mursi – einem Muslimbruder – am 3. Juli 2013. Die Extremisten haben ihre Angriffe seit Mursis Sturz intensiviert. Im vergangenen Jahr gelobte die größte Rebellengruppe auf dem Sinai, die sich nach der Provinz benannt hat, der Terrormiliz Islamischer Staat ihre Gefolgschaft.

Die koordinierten Anschläge am Mittwoch fokussierten sich auf die Stadt Scheich Suweid. Dort wurden laut offiziellen Angaben sechs Militärposten und die größte Polizeiwache angegriffen. Der IS-Ableger auf dem Sinai bekannte sich zu der Anschlagswelle und sprach von 15 angegriffenen Armee- und Polizeiposten sowie drei Selbstmordanschlägen. Die Kämpfe hielten bis zum Abend an.

Es waren die heftigsten Gefechte in Ägypten seit dem arabisch-israelischen Krieg 1973. Die US-Regierung verurteilte den Angriff. Die Vereinigten Staaten stünden entschlossen an der Seite Ägyptens, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Ned Price. Die Sicherheitspartnerschaft mit Kairo werde fortgesetzt.

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