Nach dem Anschlag in Barcelona Ziviler Aufstand gegen den Terror

Barcelona steht am Tag nach dem Angriff unter Schock, aber Tausende sind bei der Schweigeminute in der Nähe des Anschlagsortes. Sie zeigen: Wir lassen uns nicht unterkriegen. Doch viele können kaum darüber sprechen.

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Madrid Es ist keine 24 Stunden her, dass ein Terrorist mit einem weißen Lieferwagen in Barcelona in eine Menschenmenge raste, 13 Passanten tötete und 100 verletzte. Rund 100 Kilometer entfernt in Cambrils überfuhren seine Komplizen auf der Flucht vor Einsatzkräften mehrere Menschen, eine weitere Frau starb. Dort wurden die Verdächtigen wurden erschossen. In der Hauptstadt wurde der Täter noch nicht gefasst, die Innenstadt für Autos immer noch gesperrt und Barcelona war am Morgen danach ungewöhnlich ruhig und leer. Der Stadt steht sichtbar unter Schock.

Doch ab 11 Uhr füllten sich die Straßen rund um die zentrale Plaza Catalunya , von wo aus gestern der Attentäter seine Todesfahrt auf der Flaniermeile Las Ramblas startete. Für 12 Uhr hat die Stadt zu einer Schweigeminute und Demonstration gegen die Macht des Terrors aufgerufen. Der spanische König Felipe VI ist gekommen, ebenso Ministerpräsident Mariano Rajoy und zahlreiche katalanische Politiker.

Auch Tausende Spanier und ausländische Touristen und drängen auf den Platz, der von Sicherheitsleuten abgesperrt wird. Schnell bilden sich Hunderte Meter lange Schlangen, doch um kurz vor zwölf geht es plötzlich voran, die Polizei durchsucht Taschen eher noch symbolisch, von allen Seiten springen Teilnehmer, die nicht warten wollen, über die Mauer auf den Platz. Das zeigt wieder, dass absolute Sicherheit im Alltag kaum möglich ist.

Die Stimmung ist gedrückt, bereits vor der Schweigeminute redet kaum jemand. Die meisten blicken versonnen vor sich hin. Viele Katalanen haben im August Urlaub und konnten deshalb kommen. Mireia Galvan ist mit ihrem Sohn da. „Er wollte nicht, weil er Angst hatte“, erzählt sie, „aber ich habe ihm erklärt, dass das wichtig ist. Wir dürfen nicht zuhause bleiben, denn das ist doch, was die Terroristen wollen.“ Sie sei aus Solidarität mit den Opfern da, fügt sie noch hinzu und dann stockt ihr die Stimme. Tränen rollen über das braun gebrannte Gesicht.

Hinter ihr steht Daniel Lorca, der mitten im Zentrum von Barcelona lebt. Er hat gerade zuhause eine Siesta gemacht, als das Attentat um 17 Uhr passierte. Er ist dann, wie von der Polizei empfohlen, nicht vor die Tür gegangen, musste aber um 20 Uhr mit dem Hund raus. „Da lag eine ungeheure Angst in der Luft“, erzählt er. „Immer wieder haben Leute geschrien und angefangen zu rennen, weil die Lage so unklar war.“

Die Belgierin Sylvie Pollet saß gerade mit ihrer Tochter in einer Pferdekutsche auf den Ramblas, als das Chaos ausbrach. Sie sprangen aus der Kutsche und rannten in ein nahe gelegenes Hotel, wo sie sich stundenlang versteckten. Die Tochter verlor dabei ihre Schuhe. Es war der erste Urlaubstag der beiden in Barcelona. Aber abhalten lassen sie sich von dem schaurigen Auftakt nicht: „Wir sind auf dem Weg ins Fußballstadion“, erklärt die Mutter. „Sowas kann überall passieren“, sagt sie.

Trotz und der ziviler Aufstand gegen die Terror-Bedrohung sind auch das, was die meisten der Teilnehmer an der Schweigeminute treibt. Als die beendet ist, fangen sie an zu klatschen und skandieren auf Katalan „Wir haben keine Angst“. Antonio Gomez hat sich ein Pappschild auf einem langen Stiel gebastelt, das er in die Höhe hält. Darauf steht „Nunca seremos esclavos del miedo“ – wir werden nie zu Sklaven der Angst. Er war am Strand, als der Terrorist zuschlug und ist immer noch entsetzt. „Wer tut so etwas, das ist doch unmenschlich“, sagt er. Da schaltet sich ein Passant ein und fügt hinzu: „Die Terroristen, das sind Verrückte!“

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