Nach dem Brexit-Votum Ukip droht der Untergang

Die britische Ukip-Partei hat erfolgreich für den Brexit gekämpft – und damit der EU ein Problem aufgehalst. Nun droht die Partei selbst auseinanderzubrechen. Die neue Ukip-Chefin übernimmt eine schwierige Aufgabe.

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Die EU-Abgeordnete Diane James ist auf einem Parteitag zur neuen Ukip-Chefin gewählt worden. Quelle: Reuters

London Triumphierend streckt Diane James die Arme auf dem Parteitag im südenglischen Küstenort Bournemouth in die Höhe, genießt den Applaus: Mit deutlichem Abstand wurde die 56-jährige zur neuen Parteivorsitzenden der EU-skeptischen Partei Ukip gewählt. Von insgesamt rund 18.000 Stimmen konnte sie fast 8.500 für sich verbuchen. Die zweitplatzierte Lisa Duffy kam lediglich auf knapp 4.600 Stimmen.

Doch nun steht James vor schwierigen Aufgaben. Zum einen ist die Partei nach Machtkämpfen tief gespalten. Die Partei ähnle einem „Puzzle, das auf dem Boden ausgeschüttet“ worden sei, sagte Vizeparteichef Paul Nuttall, der nicht für die Wahl kandidiert hatte. „Der neue Parteichef muss es wieder zusammensetzen“.

Für Streit hatte etwa die Kandidatur von Steven Woolfe gesorgt. Er war eigentlich Favorit für die Nachfolge von Nigel Farage, der im Juli sein Mandat niedergelegt hatte. Doch Woolfe hatte seine Unterlagen für die Kandidatur 17 Minuten zu spät eingereicht und war deswegen nach langen Diskussionen des zuständigen Komitees nicht zur Wahl zugelassen worden. Mehrere Mitglieder des Gremiums legten daraufhin ihr Amt nieder.

Ein Rückschlag für das Ansehen der Partei war auch der Seitenwechsel der ehemaligen Ukip-Medienchefin Alex Phillips zu den Konservativen. Sie sei „beeindruckt“ von Theresa May, begründete Phillips, die zwei Jahre lang bei Ukip die Pressearbeit verantwortete, ihre Entscheidung. Ukip befinde sich in einem „katastrophalen“ Zustand. „Es herrscht viel Misstrauen, viel Neid und es gibt viel Bitterkeit und Wut“, sagte sie der BBC.

Selbst der langjährige Parteichef Nigel Farage äußerte sich kritisch. Viele der wichtigen Parteimitglieder hätten keine politische Erfahrung und müssten professioneller werden, bemängelte er. Seine Nachfolgerin müsse dieses Problem angehen. „Neue Besen kehren gut“, sagte er mit Blick auf Diane James.

Es seien mittlerweile Leute in der Partei, die nur an ihre eigene Karriere dächten, das sei früher anders gewesen, beklagte Farage. „Es ist“, so warnt auch das Umfrageinstitut YouGov, „nicht einmal klar, dass es Ukip nach dem Brexit schafft, als Partei zusammenzuhalten“.


Die neue Ukip-Chefin bekämpft den „Brexit light“

Aber der fehlende Zusammenhalt ist nur eine der Aufgaben für die schlanke Frau mit dem modischen Kurzhaarschnitt, die zuletzt Parteisprecherin für Innen- und Justizpolitik war. Es fehlt den EU-Skeptikern auch ein Ziel. So hatte sogar Farage, einer der Gründer der Partei und Gesicht der Brexit-Kampagne, bei seinem Rücktritt erklärt, er habe alles erreicht, was er sich politisch vorgenommen habe. Die Briten hatten Ende Juni bei einem Referendum über einen EU-Austritt für „Leave“ gestimmt.

Farage - ehemals Mitglied der konservativen Tory-Partei - hatte die „UK Independence Party“ 1993 zusammen mit Gleichgesinnten aus Protest gegen den Vertrag von Maastricht gegründet – mit dem Ziel, Großbritannien aus dem Staatenbündnis herauszulösen. Der Grund dafür sei „nicht, weil wir Europa hassen, oder Ausländer, oder überhaupt irgendjemanden“, heißt es heute auf der Website der Partei, „sondern weil sie (die EU) undemokratisch ist, teuer und uns sagen will, was wir zu tun haben. Und dabei wurden wir immer noch nicht gefragt, ob wir überhaupt dazugehören wollen“.

Die EU sei aber nur „das stärkste Sympton des eigentlichen Problems: Dass unsere Demokratie von einer mächtigen, abgehobenen politischen „Elite“ gestohlen wurde, die vergessen hat, dass sie eigentlich dem Volk dienen soll“.

Ukip habe das Ziel eines Brexit erreicht, nun müsse die Partei ihren „Sieg respektieren und gehen“, meint dazu die britische Zeitung „The Guardian“ – nicht als einzige. Nicht wenige Kritiker bemängeln nun, dass es der Partei an Themen mangele.

Diane James war im parteiinternen Wahlkampf vorgeworfen worden, dass sie keine konkreten politischen Ziele und Projekte nennen wollte. Nach ihrer Ernennung kündigte sie an, die Partei bis zur nächsten Wahl zur zweitstärksten politischen Kraft nach den Konservativen in Großbritannien machen zu wollen. „Sie sehen die nächste Oppositionspartei“, sagte sie an Premierministerin Theresa May gerichtet und forderte einen „hundertprozentigen Brexit“.

„Theresa May: Nimm dich in Acht!“, rief sie. Die Premierministerin solle bald Artikel 50 auslösen und damit den Startschuss für den Austritt aus der europäischen Union geben. Großbritannien wolle keinen „Brexit light“, betonte James: „Nein zur Mitgliedschaft im europäischen Binnenmarkt, zum Brexit light, zum Beibehalten der Freizügigkeit. Ja zum Austritt aus der EU, zu einem souveränen Vereinigten Königreich, zum Handel und zu einem Einwanderungssystem, das denen mit von Großbritannien gewünschten Fähigkeiten und Werten Einlass gewährt“, rief sie ihren Parteimitgliedern zu.

Wie das Umfrageinstitut YouGov diese Woche ermittelte, bekäme Ukip bei einer Wahl derzeit 13 Prozent der Stimmen. 24 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, sich zu überlegen, ob sie hinter der Partei ein Kreuzchen auf dem Wahlzettel machen würden. Allerdings haben gerade einmal acht Prozent der Umfrageteilnehmer den Namen Diane James gehört. Für Schlagzeilen in den Medien hatte sie bislang allenfalls mit ihrem Bekenntnis gesorgt, Fan von Russlands Premier Wladimir Putin zu sein, den sie als „sehr starken Führer“ bewundere. Es ist ein langer, steiniger Weg, den James vor sich hat.

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