Nach den Wahlen Serbien auf dem Weg zum Ein-Mann-Staat

Der mächtigste Politiker Serbiens gewinnt die Präsidentschaftswahlen. Über seine Partei kontrolliert Aleksander Vucic fast den ganzen Staat. Der frühere Propagandaminister unter Milosevic holt die absoluter Mehrheit.

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Aleksander Vucic feiert seinen Erfolg bei den Präsidentschaftswahlen in Serbien. Quelle: Reuters

Belgrad Mit gefalteten Händen präsentierte sich Aleksander Vucic auf den Plakaten für die Präsidentschaftswahlen mit denen Serbien landauf, landab zugepflastert war. Das Beten um den Sieg hätte der 47-jährige Ministerpräsident im Rennen um die Position des Staatsoberhauptes gar nicht notwendig gehabt. Denn der Chef der rechtspopulistischen Regierungspartei SNS setzte sich bereits im ersten Wahlgang deutlich gegen seine Gegenkandidaten durch.

Der frühere Propagandaminister unter dem Kriegsverbrecher Slobodan Milosevic holt 55,7 Prozent der Stimmen. Sein schärfster Konkurrent, der liberale Menschenrechtsanwalt und Ombudsmann der Regierung Sasa Jankovic, kommt gerade mal auf 15,6 Prozent. Alle anderen Bewerber um das Präsidentenamt bewegen sich im einstelligen Prozentbereich.

Vucic sagte in einer ersten Reaktion auf den Wahlausgang, dass er „sehr stolz auf das große Vertrauen seiner Bürger“ sei. Er betonte, er habe „zwölf Prozent mehr Stimmen als alle andere Kandidaten zusammen“ erhalten. Er sprach von einer „großen Mehrheit in Serbien mit der Unterstützung den Reformprozess in Richtung Europa fortzusetzen und die traditionell freundschaftlichen Beziehungen zu Russland und China beizubehalten. Während des Wahlkampfes war Vucic auch vom russischen Präsidenten Wladimir Putin empfangen worden. Mit der Russland-Visite punkte er in Serbien bei den Nationalisten. Noch im Mai plant er auf Einladung der Regierung in Peking nach China zu reisen.

Der klare Ausgang ist keine Überraschung. Politische Beobachter in Belgrad hatten angesichts der medialen Übermacht und der breiten Unterstützung durch das Ausland kein anderes Ergebnis erwartet. Der seit 2014 regierende Vucic genießt die Unterstützung der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der bisherige Premier, der die deutsche Regierungschefin gerne vertrauensvoll „Angela“ nennt, war im Wahlkampf sogar nach Berlin eingeladen wurden, um zuhause demonstrieren zu können, welches Ansehen Serbien beim größten EU-Mitgliedsland genießt. Vucic, ehemals Ultranationalist und heute ein bekennender Pro-Europäer, will sein Land möglichst schnell in die EU führen. Dafür verordnet er dem Land einen umfassenden Reformkurs. Doch die immer wieder versprochene schärfere Gangart gegen die weit verbreitete Korruption ist bislang ausgeblieben.

Zum eindeutigen Wahlerfolg von Vucic trug auch die allmähliche Überwindung der schweren Wirtschaftskrise in Serbien bei. In diesem Jahr erwartet das über sieben Millionen große Balkanland ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 2,8 Prozent. Im vergangenen Jahr waren es bereits 2,5 Prozent. Das größte Problem des EU-Beitrittskandidaten hat Vucic bislang noch nicht lösen können.


Gefahr durch immense Macht

Die Arbeitslosenrate pendelt seit Jahren zwischen 18 und 20 Prozent. Durch die hohe Staatsverschuldung ist der finanzielle Bewegungsspielraum der Belgrader Regierung traditionell klein. Zuletzt belief sie sich auf 77 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Vucic war in der Vergangenheit auch zu unpopulären Schritten bereit, wie beispielsweise die Kürzung der Renten und der Gehälter im öffentlichen Dienst. Zudem hat er in den vergangenen beiden Jahren 16.000 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst abgebaut.

Ausländische Analysten warnen unterdessen vor der Gefahr eines Ein-Mann-Staates. Seit Milosevic hatte in Serbien noch kein Politiker so viel Macht auf sich vereinigt. Das Balkanland droht nach dem Wahlerfolg von Vucic nach Ungarn den Weg zu einer „illiberalen Demokratie“ einzuschlagen. Denn der national-konservative Politiker, der sich vom Extremisten zum Pro-Europäer gewandelt hat, beherrscht das Balkanland, politisch und medial. Mit dem Aufstieg zum serbischen Präsidenten steht Vucic im Zenit seiner Macht. Für ihn sind Führer wie Putin oder Ungarns rechtspopulistischer Ministerpräsident Viktor Orbán politische Vorbilder, die alle Teile der Gesellschaft vom Parlament über Justiz bis zu den Medien kontrollieren.

Das Modell einer „illiberalen Demokratie“ zeichnet sich durch eine autoritäre Führung auf Basis einer repräsentativen Demokratie, die auf Nationalismus aufbaut und demokratische Grundrechte bei Bedarf aushöhlt. Neben Ungarn gelten Russland unter Präsident Wladimir Putin und die Türkei unter Recep Tayyip Erdogan als Musterbeispiele einer „illiberalen Demokratie“.

Im Belgrader Parlament besitzt Vucic‘ Partei SNS ein ordentliche Zwei-Drittel-Mehrheit. Auch als Staatsoberhaupt mit wenigen Kompetenzen laut serbischer Verfassung wird der starke Mann nach eigenem Gutdünken schalten und walten. In Belgrad kursieren Spekulationen, dass ihm als Ministerpräsident der Ökonom Dusan Vujovic nachfolgen soll. Der ehemalige Wirtschaftsprofessor ist Finanzminister und war zuvor Wirtschaftsminister. Der frühere Berater der Weltbank gilt aber intern als Technokrat und ist kein populärer Volkstribun wie Vucic.

Eine offizielle Bestätigung für die Nachfolge gab es bislang nicht. Sicher ist nur, der nächste Regierungschef wird ein treuer Gefolgsmann von Vucic werden. Mit den von Vucic begonnenen Privatisierungen wird es weitergehen. Derzeit läuft ein Bieterverfahren für den Belgrader Flughafen. Unter den Interessenten befindet sich auch Fraport. Deutschland ist vor Italien, Russland und China der wichtigste Handelspartner für Serbien.

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