Nach Flugzeugabsturz über Sinai Russen und Briten wollen Sicherheitskontrollen

Alle Welt hatte auf die Auswertung der Blackbox gewartet, doch wirkliche Klarheit bringt sie nicht: Es ist ein explosionsähnliches Geräusch zu hören. Russland und andere Staaten fahren ihre Sicherheitsvorkehrungen hoch.

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Experten sehen in Flügen von ägyptischen Flughäfen wegen mangelnder Sicherheitsvorkehrungen und Kontrollen ein leichtes Ziel für Terroristen. Quelle: ap

Kairo/ Moskau Die britische Regierung hält nach dem Absturz eines russischen Passagierjets verstärkte Sicherheitskontrollen an Flughäfen im Nahen Osten für notwendig. Wenn der Absturz durch eine Bombe der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verursacht sein sollte, dann müsse das Sicherheitsniveau in Gebieten, wo der IS aktiv sei, überprüft werden, sagte Außenminister Philip Hammond dem britischen Sender BBC. Dies könnte zu höheren Kosten und längeren Wartezeiten führen, fügte er hinzu.

Westliche Geheimdienste gehen immer mehr davon aus, dass die russische Maschine über der Sinai durch einen Sprengsatz zum Absturz gebracht wurde. Dabei starben vor einer Woche alle 224 Insassen. „Wir müssen sicherstellen, dass die Flughafensicherheit überall auf dem höchsten Niveau ist, und dass dabei lokale Bedingungen berücksichtigt werden“, sagte Hammond am Sonntag.

Zugleich nahm er zu einem Zwischenfall eines Passagierjets der britischen Linie Thomson Airways Stellung, die im August laut Medienberichten beim Landeanflug auf Scharm el Scheich nur knapp einem Raketentreffer entgangen war. Es habe sich um keinen Angriff auf die Maschine gehandelt, es sei bei einem ägyptischen Militärmanöver zu dem Zwischenfall gekommen. „Die Maschine war zu keinem Zeitpunkt in Gefahr.“ Laut Medienberichten näherte sich die Rakete der Maschine zeitweise auf bis zu 300 Meter.

Nicht nur in London denkt man jetzt über schärfere Sicherheitsmaßnahmen nach, auch Russland sucht nach Mängeln. Eine Gruppe russischer Experten flog nach Angaben des russischen Vizeregierungschefs Arkadi Dworkowitsch nach Ägypten, um dort mit den Behörden über die Sicherheit an Flughäfen zu beraten. Weitere Spezialisten sollten folgen. Dabei würden Empfehlungen für zusätzliche Maßnahmen gegeben. Die Ermittlungen zur Absturzursache konzentrieren sich nach vermehrten Hinweisen auf eine Bombe an Bord des russischen Ferienfliegers auf ein verdächtiges Geräusch unmittelbar vor der Katastrophe.


Russland schließt kein Szenario aus

Der Chef des internationalen Ermittlerteams, Ayman al-Mokadem, sagte am Samstag in Kairo, ein Geräusch sei „in der letzten aufgenommenen Sekunde des Flugschreibers gehört“ worden. Die Sequenz müsse nun von Spezialisten untersucht werden. Für Rückschlüsse sei es aber noch zu früh. Ausgeschlossen werde kein Szenario. Die Trümmerteile des Flugzeugs lägen über eine Länge von 13 Kilometern verstreut, dies könne auf ein Auseinanderbrechen der Maschine in der Luft - 23 Minuten nach ihrem Start im Badeort Scharm el Scheich - hindeuten. Das Wrack solle zur weiteren Untersuchung nach Kairo gebracht werden.

An den Ermittlungen seien 58 Experten aus Ägypten, Russland, Deutschland, Frankreich und Irland beteiligt. Außenminister Samih Schukri erklärte, man werde sich „keine Hypothese zu eigen machen, bevor die Untersuchung nicht abgeschlossenen ist“.

Internationale Geheimdiensthinweise legten zuletzt nahe, dass der Airbus A321 der sibirischen Airline Kolavia durch einen Sprengsatz der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) an Bord vom Himmel geholt wurde. Nach Informationen der „Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung“ vermutet auch die Bundesregierung den IS hinter dem Absturz.

Die Sicherheitsmaßnahmen an ägyptischen Flughäfen gelten als gering. Reisende berichten von unzureichenden oder ganz ausbleibenden Kontrollen. Es ist ohne weiteres möglich, Flaschen mit Flüssigkeiten oder Glas im Handgepäck in die Maschine zu bringen. Die schlecht bezahlten Angestellten führten ihre Arbeit häufig unmotiviert wirkend und oberflächlich aus. Ein internationaler Sicherheitsexperte sagte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, dass es an ägyptischen Flughäfen leicht sei, verbotene Gegenstände an Bord zu schmuggeln, solange man jemanden vom Personal kenne oder genügend Geld bezahle.

Das ägyptische Luftfahrtministerium hingegen betonte, alle Flughäfen im Land entsprächen internationalem Standard. Sie würden regelmäßig auf nationaler wie internationaler Ebene überprüft.

Derweil wurden seit Russlands Stopp der regulären Flugverbindungen nach Ägypten am Freitag bereits rund 11 000 festsitzende russische Touristen nach Hause gebracht. „Heute werden es wahrscheinlich deutlich mehr sein“, sagte Vizeregierungschef Arkadi Dworkowitsch am Sonntag in Moskau. Insgesamt waren nach Behördenangaben rund 80 000 russische Urlauber in Ägypten gestrandet. Russland hatte am Freitag wegen Sicherheitsbedenken sämtliche Flüge in das Land am Nil. Auch Tausende britische Touristen sind nach wie vor im Südsinai gestrandet.

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