Nach Opec-Entscheidung Moskaus Öl-Poker geht auf

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Für Moskau ist die Förderbegrenzung bequem

“Eine Förderbegrenzung auf dem heutigen Level stellt für Russlands Regierung eine bequeme Lösung dar“, meint Energieexperte der Raiffeisenbank Andrej Polischtschuk. Die Förderung befinde sich auf einem Höhepunkt und könne sowieso nur langsam weiter gesteigert werden. „Für den Staatshaushalt seinerseits bringen fünf Dollar mehr beim Ölpreis deutlich höhere Einnahmen, als eins bis zwei Prozent Plus bei der Förderung“, erklärt der Analyst. Zumal eine gleichbleibende Fördermenge noch lange nicht bedeute, dass der Export nicht zunehmen kann. So stiegen die Ausfuhren, dank sinkendem Inlandsverbrauch von Januar bis September des laufenden Jahres um 5,5 Prozent, doppelt so schnell wie die Förderung. „Wir rechnen damit, dass die Ölverarbeitung derzeit sinkt und dass einige neue Vorkommen eher auf den Export orientiert sind“, ergänzt Polischtschuk.

Gleichzeitig verweisen Branchenkenner darauf, dass es ohnehin für Russlands Regierung ziemlich kompliziert sein dürfte, die geforderte Kürzung statt der von Moskau angestrebten Begrenzung gegenüber der eigenen Ölwirtschaft durchzusetzen. Russlands Steuersystem ist im Energiebereich so ausgelegt, dass der Staat von steigenden Preisen profitiert. „Bei einem Ölpreis von 40 Dollar pro Barrel kassieren Russlands Exporteure etwa 22 Dollar , während der Rest beim Fiskus landet. Steigt der Preis auf 100 Dollar, kassieren die Exporteure lediglich etwa 35 Dollar pro Fass“, rechnet Mikhail Krutikhin vom Branchendienst Rusenergy vor. Die Förderunternehmen haben also viel weniger Interesse an steigenden Preisen.

Das bestätigt auch Raiffeisen-Experte Polischtschuk: „Im Vergleich zu ihren internationalen Konkurrenten geht es russischen Ölkonzernen blendend, weil ein Großteil des Einbruchs beim Ölpreis durch sinkende Steuern und Exportzölle kompensiert wurde“. Für Irritationen sorgte zum Beispiel Rosneft Chef Igor Setschin, als er er Anfang Oktober, erklärte, sein Unternehmen sei nicht zu Kürzungen bereit. Dabei hatte Putin zuvor Bereitschaft für einen Deal mit der OPEC signalisiert. Zwar zog Setschin seine Äußerung später zurück. Den offensichtlichen Interessenskonflikt konnte das aber nicht mehr verdecken.

Das mangelnde Interesse der Konzerne, die eigene Förderung zu kürzen und somit Konkurrenzvorteile aus der Hand zu geben, ist jedoch nicht das einzige Problem, sagen Brancheninsider. Denn auch wenn Russlands staatlicher Einfluss im Ölsektor hoch ist, existiert dort , anders als bei vielen OPEC-Mitgliedern keine Staatsholding. Vielmehr konkurrieren auch Unternehmen untereinander, deren Anteile in staatlicher Hand sind, etwa Rosneft und Gazpromneft. Gleichzeitig gibt es mit Lukoil, Surgutneftegaz und einer Reihe kleinerer Ölförderer viele Unternehmen in privater Hand. Ein Mechanismus, wie deren Förderung kurzfristig geändert und aufeinander abgestimmt werden kann, existiert nicht. Hinzu kommen technische Probleme, denn vor allem in der Polarregion könnte ein Förderstopp die Bohrlöcher beschädigen, weil das Öl zufriert.

„Russland will natürlich, dass der Ölpreis steigt, deswegen wird die Regierung den OPEC-Deal verbal unterstützen“, meint Experte Krutikhin. Der reale Beitrag, den das Land leisten kann, um das Überangebot zu reduzieren, bleibt allerdings äußerst fraglich. „Selbst wenn Russland jetzt alles unterschreibt, wird es sehr sehr schwierig sein, die gegeben Versprechen zu halten“.

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