Nach US-Luftangriff Assad sitzt in Syrien fest im Sattel

Der US-Luftangriff gegen die syrischen Regierungskräfte ändert die Lage im Bürgerkrieg. Assad steht unter Druck. Doch sein Sturz bleibt unwahrscheinlich.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Bei einem Luftangriff mit Giftgas sind im Nordwesten Syriens mindestens 58 Menschen getötet worden, darunter elf Kinder. Die USA hatten daraufhin mit einem Luftschlag gegen die Regierungstruppen reagiert. Quelle: dpa

Damaskus Die Stimme des syrischen Generals dröhnt, als er im Staatsfernsehen die Erklärung der Armeeführung verliest. Den Rücken hält er aufrecht wie ein Brett, seine Arme stützt er fest auf das Rednerpult. Auch mit seiner Körperhaltung will der Mann in Uniform deutlich machen: Die Führung in Damaskus ist nach dem US-Angriff auf einen syrischen Militärflugplatz fest entschlossen, dem Gegner die Stirn zu bieten. „Diese Aggression bestätigt, dass die Amerikaner ihre falsche Strategie fortsetzen und die Bekämpfung des Terrorismus von Seiten der syrischen Armee untergraben“, donnert der General.

Die fast 60 „Tomahawk“-Marschflugkörper, die die USA am frühen Freitagmorgen abschossen, haben die Lage im syrischen Bürgerkrieg mit einem Schlag geändert. Seit Monaten gab vor allem Russland als wichtigster Unterstützer der Regierung von Präsident Baschar al-Assad den Ton in dem Konflikt an. Den USA - und Europa - blieb nur noch die Rolle als Zaungast, politisch und militärisch mit wenig Einfluss.

Russland und Syriens Regierungskräfte, die auch vom schiitischen Iran massiv unterstützt werden, konnten nicht zuletzt deswegen frei schalten und walten, weil sie mit keinerlei militärischer Reaktion der USA rechnen mussten. Seit langem schon greift die syrische Luftwaffe Zivilisten mit international geächteten Fassbomben an. UN-Ermittler bestätigten, dass in Rebellengebieten gezielt Kliniken bombardiert wurden und die Regierung mehrfach Chlorgas einsetzte. Doch der Westen beschränkte sich bisher auf scharfe Kritik.

Seit dem Angriff am Freitagmorgen ist diese Vorhersehbarkeit der US-Reaktion nicht mehr gegeben, weder für Syriens autokratische Führung noch für Russland. Von jetzt an muss die Regierung in Damaskus mit Angriffen der Amerikaner rechnen, sollte sie nach US-Lesart weitere massive Verstöße begehen.

Die Botschaft laute, dass „die Vereinigten Staaten nicht weiter untätig zusehen werden, während Assad, mit tatkräftiger Unterstützung von Putins Russland, mit chemischen Waffen und Fassbomben unschuldige Syrer abschlachtet“, jubelt der US-Republikaner John McCain. Das allerdings setzt voraus, dass US-Präsident Donald Trump auch künftig Vergeltung anordnet, etwa wenn gezielt eine Klinik bombardiert wird.

So könnte sogar die Blockade der Genfer Friedensgespräche wieder gelöst werden, bei denen sich die Vertreter der syrischen Regierung bisher wenig geneigt zeigten, ernsthaft zu verhandeln. Schließlich sitzt Assad aufgrund russischer und iranischer Unterstützung und seit wichtigen militärischen Erfolgen derzeit wieder fest im Sattel. Im besten Fall könnte der Militärschlag der Diplomatie den Weg öffnen.

Doch es zeichnen sich auch gegenteilige Szenarien ab, schließlich spielt Trump mit dem Feuer. Die Militärintervention verschärft die Konfrontation mit Russland, das in Syrien selbst Truppen im Einsatz hat. Hier kann eine Dynamik entstehen, die nicht mehr zu kontrollieren ist. Ein Zusammenstoß mit Moskaus Kräften eingeschlossen.

Eine entscheidende Frage lautet: Hat die US-Regierung eine längerfristige Strategie für Syrien? Falls ja, dann war sie bisher nicht zu erkennen. US-Außenminister Rex Tillerson erklärte zwar am Donnerstag noch vor dem „Tomahawk“-Angriff, Washington wolle eine internationale Koalition zur Ablösung Assads bilden. Doch wie der Sturz verwirklicht werden sollte, ist bislang völlig unklar. Daran beißen sich der Westen und andere Assad-Gegner seit Jahren die Zähne aus.

Realistisch ist ein Abgang des Präsidenten nicht, solange Russland und Iran ihm die Treue halten. Mit Luftangriffen der USA allein wird sich Assad nicht stürzen lassen. Bodentruppen aber, die der syrischen Regierung mit Hilfe Washingtons gefährlich werden könnten, gibt es praktisch nicht. Die moderateren Kräfte, die als Partner in Frage kämen, sind im Bürgerkrieg längst ins Hintertreffen geraten.

Selbst in vielen Gebieten, die noch von oppositionellen Kräften kontrolliert werden, haben mittlerweile radikale Milizen das Kommando übernommen. Bliebe eine breite amerikanische Militärintervention am Boden wie 2003 im Irak. Doch die Folgen wären unkalkulierbar.

Sollten Trumps Drohungen und dem Luftangriff keine weiteren Schritte folgen, laufen die USA sogar Gefahr, wieder als machtlos entlarvt zu werden. Russland dürfte sich nach dem Bombardement noch enger an Assad binden, will sich Moskau in dem Konflikt von Washington nicht düpieren lassen und seinen starken Einfluss bewahren. Am Ende könnte Assad sogar profitieren.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%