Was ist passiert?
Hillary Clinton hat zwar insgesamt mehr Stimmen geholt als Donald Trump, aber in den entscheidenden Bundesstaaten lag die Demokratin hinter dem Republikaner. Das US-amerikanische Wahlsystem kürt eben denjenigen zum Sieger, der die meisten Bundesstaaten für sich holt. Jeder Staat schickt eine bestimmte Anzahl von Wahlmännern nach Washington – abhängig von der Bevölkerungszahl.
Die Wahl in drei Bundesstaaten Wisconsin (10 Wahlmänner), Michigan (16) und Pennsylvania (20) war besonders eng. Trump lag in Michigan nur 0,3 Prozent vor Clinton, in Wisconsin 1,2 Prozent und in Pennsylvania 0,7 Prozent. Experten für Cyberkriminalität hatten den Verdacht geäußert, die Wahl könne manipuliert beziehungsweise gehackt worden sein. Sie stützen sich auf statistische Evidenz. In Bezirken mit elektronischen Wahlautomaten hatte Clinton nämlich gegenüber Bezirken mit Wahlzetteln aus Papier sieben Prozentpunkte weniger als Trump geholt, sprich: eine auffallend hohe Differenz. Für die Experten sei das Beweis genug, um eine Nachzählung in Gang zu bringen. Möglich ist das. In Wisconsin müsste ein solcher Antrag noch heute eingereicht werden, in Pennsylvania am Montag und in Michigan bis nächsten Mittwoch.
Wird nun nachgezählt?
Die Grüne Präsidentschaftskandidatin Jill Stein, die bei der Wahl ein Prozent aller Stimmen bekommen hat, könnte zur unerwarteten Siegesgöttin von Clinton avancieren. Sie hat bereits knapp drei Millionen Dollar eingesammelt, um einen „Recount“ in den drei Bundesstaaten zu erwirken. Das ist allerdings noch nicht genug, um eine erfolgreiche Klage in allen drei Bundesstaaten auf den Weg zu bringen. Sie selbst geht von mindestens 4,5 Millionen Dollar aus. Zählt man die Anwaltskosten noch mit dazu, könnten die Ausgaben bei sechs bis sieben Millionen Dollar liegen. Die Zeit drängt. Ohnehin ist damit noch nicht sichergestellt, dass die Indizienkette für eine Klage wirklich ausreicht.
Darum hat Trump gewonnen
Clinton schnitt trotz Trumps frauenfeindlicher Äußerungen in der Wählergruppe deutlich schwächer ab als im Vorfeld erwartet. Zwar erhielt sie von Frauen zwischen 18 und 34 Jahren deutlich mehr Unterstützung als Trump, insgesamt aber betrug ihr Vorsprung bei Frauen mit 49 Prozent nur zwei Prozentpunkte. Zum Vergleich: Der scheidende Präsident Barack Obama schnitt 2012 bei Frauen sieben Prozentpunkte besser ab als sein damaliger Herausforderer.
Clinton kam Umfragen zufolge deutlich besser bei Amerikanern mit spanischen Wurzeln, Afroamerikanern, und Amerikanern mit asiatischen Wurzeln an. Allerdings erhielt sie nicht so viel Rückhalt wie Obama vor vier Jahren, der seine Wiederwahl besonders den Stimmen der Minderheiten verdankte.
Trump punktete besonders bei Wählern ohne College-Ausbildung. Insgesamt betrug sein Vorsprung auf Clinton in dieser Gruppe zwölf Prozentpunkte. Bei weißen Männern ohne höheren Bildungsabschluss schnitt er sogar um 31 Prozentpunkte besser ab, bei weißen Frauen ohne Abschluss waren es 27 Prozentpunkte.
Streng gläubige weiße Amerikaner haben Trump die Treue gehalten - trotz der sexuellen Missbrauchsvorwürfe, die gegen den Milliardär im Wahlkampf erhoben wurden. Etwa 76 Prozent der Evangelikalen gaben an, für Trump gestimmt zu haben.
Clinton tat sich in Ballungsräumen schwer, obwohl dort in der Regel viele Anhänger der Demokraten leben. Ihr Vorsprung auf Trump betrug dort gerade einmal sechs Prozentpunkte. In ländlichen Regionen schnitt Trump dagegen um 27 Prozentpunkte besser ab.
Eine erneute Auszählung wäre möglich, würde aber viel Zeit in Anspruch nehmen. Vor allem die Wahlmaschinen in Pennsylvania gelten als technisch völlig veraltet. Gleichzeitig ist der nord-östliche Bundesstaat einer von wenigen, die voll elektronisch wählen lassen. Die Maschinen werfen aber keine Papierzettel aus, die man schnell überprüfen könnte. Jede Maschine müsste von Computerexperten separat unter die Lupe genommen werden.
Wie wahrscheinlich ist ein nachträglicher Sieg von Clinton?
Ganz neu sind Nachzählungen nicht. Im Jahr 2000 stand die Wahl zwischen dem Demokraten Al Gore und dem Republikaner George W. Bush auf Messers Schneide. Am Ende gewann der Republikaner Florida mit 537 Stimmen. Der Supreme Court hatte letztlich eine Entscheidung herbei geführt, obwohl die Nachzählung noch nicht offiziell beendet gewesen ist. Aber die Präsidentschaftswahl musste damals bis zum 12. Dezember 2000 entschieden werden. Eine erneute Nachzählung, wie von Al Gore verlangt, hätte den Zeitplan durcheinander gebracht.
Trotz der aktuellen Vermutungen der Cyber-Experten halten Beobachter es für sehr unwahrscheinlich, dass sich das Wahlergebnis gleich in drei Bundesstaaten zugunsten von Clinton drehen würde. Die Wahlmaschinen sind zum Beispiel nicht an das Internet angebunden. Das macht es etwa für ausländische Hacker schwierig, die Automaten zu manipulieren. Es hat im Laufe des Wahlkampfes immer wieder den Verdacht gegeben, dass russische Hacker versuchen würden, die Wahl zum Vorteil von Trump zu beeinflussen.
Was sind Swing States und warum sind sie so wichtig?
Die sogenannten „Swing States“ (Wechselwählerstaaten) oder auch „Battleground States“ (Schlachtfeld-Staaten) sind besonders heiß umkämpft. Anders als in anderen Staaten wie beispielsweise New York oder Texas machen hier nicht regelmäßig nur Demokraten oder Republikaner das Rennen, sondern Mehrheiten können auch mal von der einen zur anderen Partei wechseln.
Quelle: dpa
Die Demokraten schneiden an der Ost- und Westküste und die Republikaner im Süden und im mittleren Westen traditionell gut ab. Nur reichen diese Hochburgen für die Demokratin Hillary Clinton oder den Republikaner Donald Trump allein nicht aus, um ins Weiße Haus einzuziehen. Wahlentscheidend sind letztendlich die „Swing States“
In diesem Wahljahr stehen nach Angaben der „Washington Post“ in 15 Staaten spannende und teils ganz enge Rennen bevor. Besonders begehrt sind dabei Florida, North Carolina, Ohio und Pennsylvania, weil diese im Vergleich zu anderen Staaten mehr Wahlmänner und -frauen bestimmen. Diese wählen stellvertretend für das amerikanische Volk den US-Präsidenten und seinen Vize. Jeder Bundesstaat entsendet eine bestimmte Anzahl von Wahlmännern, die sich nach der Bevölkerungsgröße des Staates richtet. Und dann gibt es Staaten, die Clinton oder Trump eigentlich schon fest auf der Haben-Seite verbucht hatten, in denen es aber plötzlich wieder eng wurde. Dazu gehört beispielsweise New Hampshire. Lange sah es so aus, als ob Clinton den Ostküstenstaat sicher gewinnen würde.
Doch sollte sich herausstellen, dass Clinton in allen drei Bundesstaaten die Mehrheit der Stimmen gewonnen hätte, würde sie de facto zur neuen Präsidentin der USA gewählt werden müssen. Sie würde sofort damit beginnen, ihr Übergangsteam zusammen zu trommeln, um ihre Kabinettsmitglieder zu bestimmen. Dafür hätte sie Zeit bis zur offiziellen Amtsübergabe am 20. Januar. Solange ist ja auch Trump noch nicht offiziell Präsident.
Welche Folgen hätte das für die Gesellschaft?
„Not my president“, ist der Protestruf von Tausenden von Anti-Trump-Wählern, die nach der Wahl auf die Straße gingen. Die Proteste verliefen weitestgehend gewaltfrei. Doch sollte eine Nachzählung Clinton zur Präsidentin erklären, wären Proteste von der Gegenseite zu erwarten, die angesichts der dramatischen Wende möglicherweise schnell in gewalttätige Exzesse münden könnten.