Naher Osten An Moskau führt kein Weg vorbei

Wladimir Putin könnte die Syrienkrise in wenigen Monaten entschärfen und Russland wieder als globale Macht etablieren. Verlierer wären die USA und die von der französischen Regierung aufgerüsteten Golfstaaten Saudi-Arabien, Katar und VAE. Ein Kommentar.

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Bashar al-Assad zusammen mit Vladimir Putin. Quelle: dpa

Der Westen und seine arabischen Verbündeten blicken in Syrien auf ein unbeschreibliches Chaos, das sie zum Teil selbst zu vertreten haben. Amerikas Einfluss im Nahen Osten schwindet zusehends. In dieses Vakuum treten nun Russland und der Iran. Beide Länder bilden militärisch eine schlagkräftige Verbindung, die innerhalb kürzester Zeit das Regime des syrischen Staatspräsidenten Baschar al-Assad stabilisieren konnte.

Gelingt die Stabilisierung Syriens mittelfristig, wäre dies eine Blamage für die Regierungen in Washington, London und Paris. Diese lehnen eine Lösung des Konflikts unter Beteiligung von Assad bisher kategorisch ab. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel Ende September den Vorschlag unterbreitete, Assad in die Lösung des Konfliktes mit einzubeziehen, erntete sie bei den Partnern dafür nur Kopfschütteln.

Wie Muskelprotz Putin sich fit hält
In Sotschi ließ sich Sportfan Wladimir Putin nicht nur auf den Tribünen blicken. Hier posiert er mit Teilnehmern der Paralympischen Spiele. Quelle: dpa
Mit schicker Sonnenbrille... Quelle: rtr
...verfolgte er die Wettkämpfe auf den Pisten von Krasnaya Polyana. An seiner Seite: der russische Sportminister Vitaly Mutko. Quelle: dpa
Hier geht es im Sessellift mit Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew (Mitte) auf den Berg – zur nächsten Abfahrt. Quelle: rtr
Um ein wenig Muskeln aufzubauen, hat Wladimir Putin als schmächtiger Junge den Nutzen von Judo erlebt. 2005 stieg er zu Showzwecken noch einmal auf die Matte. Quelle: AP
Mit seinen Kampfsportkenntnissen – die er hier bei einer Trainingsstunde in St. Peterburg noch einmal vorführte – konnte sich der als schwächlich beschriebene „Wolodja“ in seiner Heimatstadt gegen stärkere Nachbarjungs verteidigen. Quelle: REUTERS
Legendär sind die Aufnahmen, die Putin in freier Wildbahn zeigen. Hier als Indiana-Jones-Double in Sibirien... Quelle: AP

Die Arbeitsteilung zwischen Russland und dem Iran funktioniert offenbar. Die russische Luftwaffe bombardiert, während die Truppen der von Teheran finanzierten Hisbollah am Boden für entscheidende Terraingewinne sorgen. Regierungen und Militärfachleute im Westen reiben sich die Augen. Amerikanische und französische Luftangriffe hatten zuvor kaum etwas erreicht. Der Versuch des Westens, das Assad-Regime zu destabilisieren, sorgt jetzt dafür, dass der Iran seinen Machteinfluss in der Region ausweitet und Russland wieder als Supermacht auf die globale Bühne zurückkehrt. Die nächste Station wäre der Irak.

Gegengewicht zu Saudi-Arabien

Für den Öl- und Gasmarkt bedeutete das eine tektonische Verschiebung. Zwischen Teheran und Moskau laufen bereits Verhandlungen, Teile der russischen Ölproduktion über den Iran in Richtung Asien zu verschiffen. Zusammen bildete Russland gemeinsam mit dem Iran und dem Irak am Ölmarkt ein Gegengewicht zu Saudi-Arabien. Am Erdgasmarkt wäre das Emirat Katar der große Verlierer.

Katar verfügt über die weltweit drittgrößten Erdgasreserven. Mangels Pipeline muss das Erdgas in Katar aber erst verflüssigt und dann mit Spezialschiffen über das Meer transportiert werden, was mit hohen Kosten verbunden ist. Deshalb will Katar eine Erdgasleitung über Syrien in die Türkei legen - ohne Assad. Gelingt Russland nun auch energiepolitisch der Schulterschluss mit dem Iran, wären diese Träume ausgeträumt. Die Erdgaslieferungen nach Europa kämen dann via Russland oder der Türkei aus dem Iran.

Golfstaaten geht es um Übernahme Syriens

Für die Herrscher in Katar geht es um viel Geld und möglicherweise schon ums Überleben. Aus Katar und Saudi-Arabien wurde der syrische al-Qaida-Ableger Jabhat al-Nusra sowie die Kämpfer der Terrorgruppe "ISIS" finanziert und mit Waffen ausgestattet. Aus den Golfstaaten finanzierte und organisierte Terroranschläge in Europa können angesichts dieser Hintergründe nicht ausgeschlossen werden.

Zumindest haben die Golfstaaten an einer Befriedung Syriens ebenso kein Interesse wie an der Aufnahme syrischer Flüchtlinge. Ihnen geht es um die Übernahme von Syrien. Durch den Eintritt Russlands in die Arena ist dieses Vorhaben nun in Gefahr.

Ausgerechnet das jetzt durch die Terroranschläge paralysierte Frankreich rüstet diese Golfstaaten seit Monaten massiv auf. Noch nie hat Frankreich so viel Waffen exportiert wie in diesem Jahr. Bis Ende Oktober exportierte die französische Rüstungsindustrie Kriegsgerät im Volumen von rund 15 Milliarden Euro. 2014 beliefen sich die französischen Rüstungsexporte auf 8,2 Milliarden Euro, ein Jahr zuvor waren es 4,8 Milliarden Euro, berichtet die französische Zeitschrift "Le Pèlerin". Das französische Kriegsgerät ging zuletzt nahezu ausschließlich in die Golfstaaten und das alliierte Ägypten.

Die einflussreichsten Rebellengruppen in Syrien

Jeweils 24 Rafale-Kampfjets des französischen Rüstungskonzerns Dassault Aviation wurden an die Luftwaffen in Ägypten und Katar ausgeliefert. Am 13. Oktober brüstete sich der französische Premier Manuel Valls nach der Rückkehr aus Riad, dass mit Saudi-Arabien Rüstungsaufträge über 10 Milliarden Euro unterschriftsreif wären. Ein weiterer Riesenauftrag über 60 Rafale-Kampfjets aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) stehe nach französischen Medienberichten ebenfalls kurz vor der Unterschrift.

Katar einer der größten Investoren Frankreichs

Frankreich ist im Nahen Osten Kriegspartei - an der Seite von Saudi-Arabien, Katar und den VAE. Mit Blick auf die Milliarden schweren Rüstungsgeschäfte, die Frankreich in diesem Jahr abgeschlossen hat, wird Staatspräsident François Hollande in seiner Heimat, in Anlehnung an Lawrence von Arabien, als “Francois d`Arabie” bezeichnet. Nebenbei ist Katar ist einer der größten ausländischen Investoren in Frankreich. Über den Staatsfonds QIA hat sich das Emirat in Frankreich Immobilien, Industriebeteiligungen und mit Paris Saint-Germain einen großen europäischen Fußballclub zugelegt.

Derzeit führen die Golfstaaten Krieg im Jemen. Nach Bombardierungen schiitischer Huthi-Stellungen durch Saudi-Arabien sind im Juli Truppen der VAE im Südjemen gelandet. Wie in Syrien tobt auch hier ein Stellvertreterkampf.

In Syrien geht es um Erdgas, im Jemen um die Kontrolle des Golf von Aden. Der Gegner der Golfstaaten ist jetzt auch hier der Iran.

Frankreich hat für die Golfstaaten eine Sicherheitsgarantie gegeben und Soldaten in Abu Dhabi stationiert. Nach den Anschlägen von Paris hat Merkel den Franzosen “jedwede Unterstützung” zugesichert. Deutschland aber sollte sich hüten, sich an den außenpolitischen und militärischen Abenteuern der französischen Führung zu beteiligen -  weder in Syrien noch anderswo.

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