Herr Buchta, seit fünf Jahren tobt der syrische Bürgerkrieg, Millionen Menschen sind auf der Flucht, Hunderttausende wurden getötet. Erstmals seit Wochen hat der syrische Präsident Baschar al-Assad nun die Luftangriffe auf Aleppo eingestellt. Besteht für die Bevölkerung Anlass zur Hoffnung?
Wilfried Buchta: Nein, der Stopp der Luftangriffe auf Aleppo verschafft der Bevölkerung dort höchstens eine Atempause, leitet aber keinen Strategiewechsel des Assad-Regimes ein. Assad will die Stadt zurückerobern, zumal dies für sein Alawiten-Regime ein enormer symbolischer Sieg über die sunnitische Opposition wäre. Gleichzeitig würde es die Vertreibung oder den Tod Hunderttausender Sunniten bedeuten, aber das nimmt Assad billigend in Kauf. Aleppo war einst das Handels- und Wirtschaftszentrum Syriens, jetzt ist es nur noch eine Trümmerwüste.
Warum diese unfassbare Gewalt gegen Zivilisten?
Das Alawiten-Regime vertreibt und tötet mit den Luftschlägen sunnitische Zivilisten, um die eigene Machtbasis zu stärken. Das ist Kalkül einer konfessionellen Kriegsführung. Die sunnitischen Salafisten-Milizen gehen in den von ihnen eroberten Gebieten ähnlich vor. Assad betreibt die konfessionelle Säuberung aktuell nur mit mehr Härte und Erfolg.
Dank russischer Rückendeckung.
Die Russen sind eine der fünf Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat - solange sie mitmischen, sind der Weltgemeinschaft die Hände gebunden. Wir können an die Russen appellieren, sie an ihre humanitäre Verantwortung erinnern, aber der Westen hat nicht genug Einfluss auf Putin, um ihn davon abhalten, Assad weiter zu unterstützen.
Neben Russland hält der Iran Assads Kriegsmaschinerie am Laufen. Welche Ziele verfolgt Teheran?
Für das iranische Regime ist Syrien ein wichtiger geostrategischer Verbündeter und ein unverzichtbarer Territorial- und Versorgungskorridor zu der vom Iran unterstützten Hisbollah im Libanon. Über Syrien und Libanon hat der Iran Zugang zum Mittelmeer und kann mitspielen im großen, prestigeträchtigen Nahostkonflikt zwischen den Israelis und Arabern. Der Iran kann sich nicht erlauben, dass syrische Assad-Regime fallen zu lassen.
Warum nicht?
Das würde sowohl Irans Hegemonialmachtanspruch untergraben als auch den politischen Einflussgewinn der Iraner im Irak gefährden. Denn in Bagdad dominieren seit dem misslungenen amerikanischen Demokratieexperiment unter George W. Bush schiitische Kräfte, die mehrheitlich wiederum aufs Engste an das Regime im Iran angebunden sind.
Sie schreiben in Ihrem Buch, im Irak herrsche aktuell eine demokratisch-legitimierte Mehrheitsdiktatur. Was meinen Sie damit?
60 Prozent der Bürger im Irak sind schiitische Araber. Die sunnitische Minderheit, die über Jahrhunderte dort an der Macht war, wird heute unterdrückt. Die Schiiten stellen – solange sie sich vor den Wahlen immer wieder zu einer Koalition zusammenschließen – den Regierungschef, kontrollieren alle Schlüsselministerien, den Geheimdienst, die Polizei. Hingegen werden die sunnitischen Kräfte mittels willfähriger sunnitischer Erfüllungsgehilfen ohne reale Macht nur pro forma an der Regierung beteiligt.
"Es herrscht ein erbitterter kalter Krieg"
Die Nähe des Iraks zum Iran ist aus Sicht Saudi-Arabiens, der Schutzmacht der Sunniten und des größten Widersachers des Irans, eine große Gefahr. Was befürchten die Saudis?
Saudi-Arabien steht mit dem Iran in einem Konflikt um die Rolle der führenden Hegemonial-Macht im Nahen Osten. Sie fürchten, dass sich der politische Einflussgewinn der Iraner in Syrien und im Irak dauerhaft verfestigt und zu einer Dominanz der Schiiten im ganzen Nahen Osten führt. Deswegen kämpft Saudi-Arabien mit allen Mitteln dagegen an.
Die Akteure im Syrien-Konflikt
Anhänger von Präsident Baschar al-Assad kontrollieren weiter die meisten großen Städte wie Damaskus, Homs, Teile Aleppos sowie den Küstenstreifen. Syriens Armee hat im langen Krieg sehr gelitten, konnte aber infolge der russischen Luftunterstützung seit September 2015 wieder Landgewinne verzeichnen. Machthaber Assad lehnt einen Rücktritt ab.
Die Terrormiliz beherrscht im Norden und Osten riesige Gebiete, die allerdings meist nur spärlich besiedelt sind. Durch alliierte Luftschläge und kurdische Milizen mussten die Islamisten im Norden Syriens mehrere Niederlagen einstecken. Unter der Herrschaft der Miliz, die auch im Irak große Gebiete kontrolliert, verbleibt die inoffizielle Hauptstadt Raqqa, die bedeutende Versorgungsstrecke entlang des Euphrat und ein kleiner Grenzübergang zur Türkei. Offiziell lehnen alle lokalen und internationalen Akteure den IS ab.
Sie sind vor allem im Nordwesten und Süden Syriens stark. Ihr Spektrum reicht von moderaten Gruppen, die vom Westen unterstützt werden, bis zu radikalen Islamisten.
Die zu Beginn des Kriegs bedeutende Freie Syrische Armee (FSA) hat stark an Einfluss verloren. Sie kämpft vor allem gegen Diktator Assad.
In der „Islamischen Front“ haben sich islamistische Rebellengruppen zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist der Sturz Assads und die Errichtung eines „Islamischen Staates“ – die gleichnamige Terrormiliz lehnen sie jedoch ab. Sie werden von Saudi-Arabien unterstützt und sind ideologisch mit al-Qaida zu vergleichen. Militärisch untersteht ihr auch die „Dschaisch al-Fatah“, die von der Türkei unterstützt wird. Teilweise kooperieren sie mit der al-Nusra-Front, Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida.
Sie ist zersplittert. Das wichtigste Oppositionsbündnis ist die Syrische Nationalkoalition in Istanbul. Diese wird von zahlreichen Staaten als legitim anerkannt, von vielen lokalen Akteuren wie al-Nusra oder der kurdischen PYD jedoch abgelehnt.
In Damaskus sitzen zudem Oppositionsparteien, die vom Regime geduldet werden. Bei einer Konferenz in Riad einigten sich verschiedenen Gruppen auf die Bildung eines Hohen Komitees für Verhandlungen, dem aber einige prominente Vertreter der Opposition nicht angehören.
Kurdische Streitkräfte kontrollieren mittlerweile den größten Teil der Grenze zur Türkei: Sie sind ein wichtiger Partner des Westens im Kampf gegen den IS.
Dabei kämpfen sie teilweise mit Rebellen zusammen, kooperieren aber auch mit dem Regime. Führende Kraft sind die „Volksverteidigungseinheiten“ YPG der Kurden-Partei PYD, inoffizieller Ableger der verbotenen türkisch-kurdischen Arbeiterpartei PKK. Diese streben einen eigenen kurdischen Staat an – die Türkei lehnt das vehement ab.
Washington führt den Kampf gegen den IS an der Spitze einer internationalen Koalition. Kampfjets fliegen täglich Angriffe. Beteiligt sind unter anderem Frankreich und Großbritannien. Deutschland stellt sechs Tornados für Aufklärungsflüge über Syrien, ein Flugzeug zur Luftbetankung sowie die Fregatte „Augsburg“, die im Persischen Golf einen Flugzeugträger schützt. Washington unterstützt moderate Regimegegner.
Die Türkei setzt sich für den Sturz Assads ein und unterstützt seit langem Rebellengruppen wie die islamistische Dschaisch al-Fatah. Neben der Sicherung ihrer 900 Kilometer langen Grenze ist die Türkei seit August 2016 auch mit Bodentruppen in Syrien vertreten. Ziel ist neben der Vergeltung für Terroranschläge des IS auch, ein geeintes Kurdengebiet im Norden Syriens zu verhindern.
Der Abschuss eines russischen Flugzeugs über türkischem Luftraum im November 2015 führte zu Spannungen zwischen Russland und der Türkei.
Seit September 2015 fliegt auch Russlands Luftwaffe Angriffe in Syrien. Moskau ist einer der wichtigsten Unterstützer des syrischen Regimes: Rebellenorganisationen werden pauschal als „Terroristen“ bezeichnet und aus der Luft bekämpft. Der Kampf gegen islamistische Rebellen soll auch ein Zeichen an Separatisten im eigenen Land senden.
Geostrategisch möchte Russland seinen Zugriff auf den Mittelmeerhafen Tartus nicht verlieren.
Teheran ist der treueste Unterstützer des Assad-Regimes, auch aus konfessionellen Gründen. Iraner kämpfen an der Seite der syrischen Soldaten. Die von Teheran finanzierte Schiitenmiliz Hisbollah ist ebenfalls in Syrien im Einsatz. Sie fürchten die Unterdrückung der schiitischen Minderheit im Falle eines Sieges sunnitischer Rebellen, aber auch den Verlust von regionalem Einfluss.
Riad ist ein wichtiger Unterstützer vornehmlich islamistischer Rebellen. Sie fordern, dass Assad abtritt. Saudi-Arabien geht es auch darum, den iranischen Einfluss zurückzudrängen. Der Iran ist der saudische Erzrivale im Nahen Osten.
Trotz religiöser Ähnlichkeiten zwischen IS und dem saudischen Wahabismus engagiert sich Saudi-Arabien im Kampf gegen den IS.
Konkreter?
Seit den Fünfziger- und Sechzigerjahren verbreitet Saudi-Arabien, gestützt auf Milliarden an Petrodollars, mit Erfolg seinen extrem unduldsamen wahhabitischen Islam. So finanziert es Tausende salafistischer Moscheen in aller Welt, aber auch salafistische und dschihadistische Milizen, darunter auch die, die gegen Assad kämpfen. Saudi-Arabien will eine salafistische Regierung in Syrien an der Macht sehen. Umgekehrt verfahren die Iraner genauso und finanzieren und bewaffnen schiitische Milizen, sei es im Irak, Libanon, Syrien und Jemen. Es herrscht ein erbitterter kalter Krieg zwischen beiden Mächten, die jedoch tunlichst vermeiden direkt miteinander in einen leicht eskalier fähigen Konflikt zu geraten. Stattdessen benutzen sie Stellvertreter.
Schiiten und Sunniten
Mit dem Tod des Propheten Mohammed im siebten Jahrhundert spaltete sich die muslimische Gemeinschaft. Grund war die Frage der Nachfolge des Propheten. Eine Minderheit verlangte, dass der Nachfolger aus der Familie Mohammeds stammen müsste und wählte seinen Vetter Ali aus. Sie wurden „Schiat Ali“ genannt – Partei Alis. Daraus entwickelte sich später der Begriff Schiiten. Sunniten leitet sich von der Sunna ab – den Überlieferungen des Propheten.
Die Schiiten fühlen sich als Opfer der Sunniten. In den meisten Ländern stellen sie eine Minderheit dar. Es gibt aber Ausnahmen wie den Irak und den Iran. Im Irak waren die Schiiten, obwohl sie zweidrittel der Bevölkerung darstellten, bis zur Besetzung durch die USA eine unterdrückte Minderheit. Während des Regimes von Saddam Hussein waren sie weder in den Geheimdiensten noch im Militär, den Elite-Truppen oder der politischen Elite in großer Zahl vertreten. Die Sunniten, die nur 20 Prozent der Bevölkerung ausmachten, hatten die Macht inne. Der Iran sieht sich als Interessenvertreter der Schiiten.
Die Sunniten lehnen die Heiligenverehrung und den Märtyrerkult der Schiiten ab. Das Königreich Saudi-Arabien sieht sich als Schutzmacht der Sunniten. Zu den Sunniten zählen auch die Salafisten, die eine Rückkehr zu einem fundamentalistischen Ur-Islam anstreben und einen Gottesstaat errichten wollen. Auch die Kämpfer des Islamischen Staats und die Mitglieder der Muslimbruderschaft sind Sunniten.
Weltweit sind 90 Prozent der Muslime Sunniten – was aber nicht heißt, dass sie allesamt Salafisten oder Vertreter anderer radikaler Auslegungen des Islams sind. Die radikalen Gruppen gehören zu einer Minderheit, die das Bild des Islams prägt.
Der Wahhabismus der Saudis ist eine besonders aggressive und intolerante Spielart des Islams. Hat dessen Verbreitung in aller Welt durch die Saudis zum Aufstieg des IS beigetragen?
Saudi-Arabien hat den IS nicht direkt und aktiv unterstützt, aber die Ideologie des Wahhabismus ist zu 98 Prozent identisch mit dem, was der IS religiös vertritt und politisch will. Der einzige große Unterschied besteht darin, dass der IS die Monarchie als Prinzip und damit auch den Herrschaftsanspruch der Königsfamilie Saud entschieden ablehnt. Der IS will ein Kalifat. Abgesehen davon setzen Wahhabisten wie Salafisten aber gleichermaßen auf die Ablehnung aller anderen Religionen und die Ausgrenzung von religiösen Minderheiten innerhalb des Islams. Mit dem Export des Wahhabismus haben die Saudis auch der radikalen Islam-Auslegung des IS den Boden in aller Welt bereitet.
Was müsste passieren, damit sich Sunniten und Schiiten einander annähern könnten?
Aufgrund der sehr tiefen theologischen Unterschiede auf religiöser Ebene kann es faktisch keine Annäherung geben. Dafür wäre eine Neuschreibung der gemeinsamen, von konfliktträchtigen Legenden bestimmten Geschichte notwendig. Das wiederum erforderte einen lagerübergreifenden Konsens zwischen den führenden Theologen der Sunniten und der Schiiten, unabhängig von den jeweiligen politischen Interessen der Machthaber im Iran, Saudi-Arabien und Ägypten. Das jedoch ist nicht einmal in Ansätzen gegeben. Es gibt keine Aussicht darauf, dass sich die extrem divergierenden Geschichtsbilder in den nächsten Jahrzehnten annähern werden.
Sowohl unter den Sunniten wie unter den Schiiten gab es zahlreiche Reformer, die den Streit zwischen beiden Konfessionen befrieden wollten. Heute sind sie nahezu allesamt tot. Warum konnten sie sich nie durchsetzen?
Es gab Ansätze von den Vierzigern bis in die Siebzigerjahre, sie wurden aber gewaltsam erstickt. Wer historisch-kritische Deutungsmethoden an den Koran oder die Scharia anlegt, der berührt nicht nur die Grundfesten der Religion, sondern immer auch die der Politik. Es gibt bis heute ein Kanzel- und Thron-Bündnis von regierungstreuen Klerikern und den Machthabern – das findet sich in fast jedem islamischen Staat. Die Machthaber instrumentalisieren den Theologenstand für ihre Zwecke. Sie bezahlen die religiösen Schriftgelehrten und nehmen somit Einfluss auf ihre Predigten. Die Machthaber achten im Gegenzug darauf, dass die Legitimität der Interpreten des konservativ-orthodoxen Islams unangetastet bleibt.
"Es gibt kaum Aussicht auf Lösung des Konflikts"
Warum sind die Prediger so wichtig für die Machthaber?
Die Schriftgelehrten haben die Aufgabe, die Legitimität der Machthaber gegenüber dem Volk zu unterstreichen. Insofern ist jede Kritik am Islam, an der islamischen Geschichtsdeutung, an der Herleitung bestimmter Verse des Koran immer auch Kritik an den Säulen der politischen Macht.
Am Ende Ihres Buches steht ein düsterer Ausblick für das Jahr 2026: Der Bürgerkrieg in Syrien wird weiter toben, mehr und mehr Nationalstaaten in der Region werden zerbrechen, radikale Kräfte aufseiten der Sunniten und Schiiten an Boden gewinnen, der islamistische Terror in der westlichen Welt zunehmen. Was macht Sie so pessimistisch?
Ursprünglich hatte ich zwei Szenarien aufgeschrieben, eines war positiver. Aber das habe ich ad acta gelegt, weil es unrealistisch ist. Ich habe 15 Jahre in verschiedenen Ländern im Nahen Osten gelebt und so weh mir das tut – ich sehe keinen Anlass für Optimismus.
Warum?
Es gibt kaum Aussicht auf Lösung des sunnitisch-schiitischen Konflikts, denn sowohl Saudi-Arabien als auch der Iran sind auf Konfrontationskurs. Die konfessionell heterogenen Nationalstaaten zerfallen weiter, es gibt kaum noch funktionierende nationalistische Ideologien, die den Menschen im Nahen Osten die Vision einer nationalen Einheit von Sunniten und Schiiten glaubhaft machen können. Der Westen ist gelähmt und hat in der Region keine verlässlichen Partner mehr. Alle unsere Verbündeten verfolgen egoistische Machtinteressen, die sich nicht mit der Stabilisierung der Region in Einklang bringen lassen. Ich sehe daher auf absehbare Zeit keine friedliche Lösung.
Der IS ist mittlerweile auf ein Drittel seines früheren Territoriums zurückgedrängt worden. Sollte das nicht Anlass zur Hoffnung geben?
Ich sehe, dass der IS in den letzten Monaten massiv an Territorium verloren hat. Aber wir sollten den IS weder politisch noch militärisch abschreiben. Sein Hauptoperationsgebiet ist weiterhin sein Stammland im Norden des Iraks, wo er die Kontrolle über die Zwei-Millionen-Stadt Mossul hat. Im Augenblick wird eine Schlussoffensive der Kurden, der Schiiten und der Zentralregierung in Bagdad geplant. Aufgrund des starken Rückhalts des IS in der sunnitischen Bevölkerung von Mossul sehe ich aber kaum Aussicht auf Erfolg. Schiitische Milizen haben bei jeder Rückeroberung von IS-Territorien Tausende Zivilisten als vermeintliche IS-Kollaborateure hingerichtet. Das schürt Ängste und stärkt den IS.
Terroristische Einzeltäter in Europa
Ein Islamist ersticht im Umland von Paris einen Polizisten und verschanzt sich in dessen Haus. Die Polizei stürmt das Gebäude und erschießt den Täter. Später wird dort auch die Lebensgefährtin des Opfers tot aufgefunden.
Ein 25-jähriger Marokkaner eröffnet in einem Zug von Amsterdam nach Paris das Feuer und wird von mehreren Fahrgästen überwältigt. Die Pariser Staatsanwaltschaft geht von terroristischen Motiven aus.
Ein 35-Jähriger wird überwältigt, als er in einem Industriegas-Werk bei Lyon eine Explosion verursachen will. Er hatte zuvor seinen Arbeitgeber enthauptet und den Kopf mit zwei Islamisten-Flaggen auf den Fabrikzaun gesteckt.
Ein arabischstämmiger 22-Jähriger feuert in Kopenhagen auf ein Kulturcafé. Ein Mann stirbt. Vor einer Synagoge erschießt der Attentäter einen Wachmann, bevor ihn Polizeikugeln tödlich treffen.
In Brüssel erschießt im Jüdischen Museum ein französischer Islamist vier Menschen. Kurz darauf wird er festgenommen. Als selbst ernannter „Gotteskrieger“ hatte er zuvor in Syrien gekämpft.
Ein junger Kosovo-Albaner erschießt auf dem Flughafen Frankfurt/Main zwei US-Soldaten und verletzt zwei weitere schwer. Der Mann gilt als extremistischer Einzeltäter.
Der norwegische Rechtsterrorist Anders Behring Breivik tötet bei zwei Anschlägen insgesamt 77 Menschen. Er zündet zuerst eine Bombe im Osloer Regierungsviertel und erschießt dann 69 meist jugendliche Teilnehmer eines sozialdemokratischen Ferienlagers.
Was bedeutet ein weiterer Zerfall des Nahen Ostens für Europa?
Wir müssen mit weiteren, noch größeren Fluchtbewegungen rechnen. Die Fluchtursachenbekämpfung der Kanzlerin kommt nicht voran. Gleichzeitig wächst die Bevölkerung in all diesen Ländern enorm – in den meisten Ländern des Nahen Osten sind 60 Prozent der Bevölkerung unter 25 Jahre alt. Für sie gibt es zu wenige Arbeitsplätze, Schulplätze und auch die infrastrukturelle Versorgung ist kurz vor dem Erliegen. Die Lebensumstände der Menschen dort werden immer prekärer. Angesichts Krisen und Kriegen sehen viele nur zwei Optionen: sich radikalen Gruppen anzuschließen oder die Flucht gen Westen. Europa bleibt letztlich nichts, als den Vertriebenen mehr humanitäre Hilfe zukommen zu lassen – insbesondere in Jordanien, im Libanon und in der Türkei.