Nariman Behravesh "Deutschland kann von Trump sogar profitieren"

Trump, Brexit - und keine Wachstumsphantasien: Das Weltwirtschaftsforum Davos gleicht einem Selbsthilfekreis für ehemalige Überflieger. Wohin driftet die Weltwirtschaft? Fragen, an den Chef-Ökonomen der amerikanischen Politik- und Wirtschaftsberatung IHS, Nariman Behravesh.

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USA, China, Europa: Wohin driftet die Weltwirtschaft? Quelle: Getty Images

Der chinesische Präsident Xi Jinping gilt nach seinem Auftritt beim Weltwirtschaftsforum in Davos als neuer Hoffnungsträger von Manager und Ökonomen. Wie fanden Sie ihn?
Ich fand, das war eine sehr gute Rede. Vor allem, weil es eine ganz klare Botschaft war: China unterstützt den Freihandel. Es ist doch wichtig, dass sich da ein Anführer eines großen Landes hinstellt und sagt: Es ist nicht an allen Problemen der Welt die Globalisierung Schuld. Und gleichzeitig hat er eben Zugeständnisse gemacht, dass China sich künftig stärker für den freien Handel einsetzen will, dass es Handelsbarrieren abbauen und Investitionsbeschränkungen lockern will.

Xi hat den Namen nicht genannt, dürfte sich aber vor allem an den neuen US-Präsidenten Donald Trump gewandt haben. Versteht der die subtile Botschaft?
Ich denke, Trump dürfte die Botschaft verstanden haben, dass China sich eher als der bedachtere Part der Weltpolitik inszenieren möchte und nicht auf die Provokationen einsteigt.

Zur Person

Xi hat weitgehend Dinge gesagt, die bereits bekannt waren.
Klar, Worte sind nicht teuer und China hat ja früher schon häufiger Dinge versprochen, die es dann nicht gehalten hat. Handeln ist eben teurer als sprechen.

Ist es nicht ironisch, dass ausgerechnet ein autoritärer Hardliner nun der neue Hoffnungsträger der Freihandels-Befürworter ist?
Sehr ironisch sogar. Man darf sich keine Illusionen machen, natürlich: Xi ist ein autoritärer Führer. Andererseits beginnen die Chinesen zu verstehen, dass die Lage auf der Welt für sie brenzlig wird – und sie sich ändern müssen.

Dem neuen US-Präsidenten scheint es egal zu sein, ob China sich ändert oder nicht – er will den Handel kappen.
Trump wird mit ihnen reden. Ihr Europäer müsst Trump verstehen, der ist Geschäftsmann: Der macht erstmal einen deutlichen Punkt, dann wartet er die Antwort ab und dann wird verhandelt.

Liegt es an dieser, nun ja, anderen Mentalität, dass die meisten Amerikaner optimistisch in die Zukunft schauen?
Es gibt hier einen großen Graben zwischen der Stimmung unter den Amerikanern und der unter den Europäern. Es gibt eben einen großen Optimismus in Amerika, dass Trump die Wirtschaft kräftig ankurbeln wird.

Woher rührt dieser Optimismus? Trump springt doch auch mit US-Unternehmen nicht gerade zimperlich um, wenn Sie sich die Drohungen gegen Ford oder GM anschauen.
Die Stiche gegen einzelne Unternehmen wegen Job-Verlagerungen sind vergleichsweise klein im Vergleich zu den Vorteilen, die aus einer umfassenden Steuerreform oder vielleicht auch einem umfangreichen Infrastrukturprogramm entstehen können.

"Das Thema Freihandel wird für ein oder zwei Jahre von der Agenda verschwinden"

Wenn Trump das Land gegen Importe abschottet, dürfte der langfristige Schaden ungleich größer sein, als der kurzfristige Nutzen einer Steuerreform.
Das Thema Freihandel wird für ein oder zwei Jahre von der Agenda verschwinden. Danach kann man wieder drüber reden. Was es aber geben wird: einzelne Vereinbarungen. Trump wird zum Beispiel die Brexit-Pläne der britischen Regierung nutzen, um das Land an sich zu binden.

Und wer nicht in diese Einzel-Abkommen passt, zahlt. Was wird aus Ländern wie Deutschland oder China, deren Volkswirtschaften in den vergangenen Jahren massiv auf Export gesetzt haben?
Ich glaube erstmal nicht, dass es ganz krasse Verlierer geben wird. China vielleicht, aber die haben auch so schon Probleme. Japan und Deutschland dagegen könnten sogar gewinnen, weil der erwartbar stärkere Dollar ihre Ausfuhren begünstigt. Kritisch könnte es noch für einige Schwellenländer werden, wenn die USA ihren Markt abriegeln, andererseits dürften sie von steigenden Rohstoffpreisen in nächster Zeit profitieren.

Die Länder mit den meisten Teilnehmern beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos

Trumps Ausfälle gegen deutsche Autobauer Anfang dieser Woche klangen weniger positiv.
Trump wird Europa nicht extra ärgern, dafür findet er es viel zu uninteressant. Die jetzigen Drohungen gegen BMW sind eine Albernheit, mehr nicht.

Wenn Trump der Weltwirtschaft Ihrer Ansicht nach also eher nicht schadet, warum sind dann die Wachstumsaussichten dennoch eher durchwachsen?
Ungleichheit ist das größte Problem der Weltwirtschaft. Was es anrichten kann, zeigt ja die Freihandels-Debatte. Wenn die Globalisierung nicht zu so einer ungleichen Profitverteilung geführt hätte, wäre uns die ganze Debatte erspart geblieben. Wir hier, die Ökonomen und Entscheider, haben Ungleichheit immer beklagt. Aber nichts gemacht. Bis es fast zu spät war.

Was ist der wichtigste Schritt, das Problem zu lösen?
Das wahre Problem wird gerade erst erkannt: Noch stärker als die Globalisierung stärkt die Digitalisierung die Ungleichheit. Die sorgt dafür, dass noch mehr Menschen zurückbleiben, kein oder kaum ein Einkommen mehr erzielen.

Und nun, Digitalisierung abschaffen?
Wenn wir die nächste Populismus-Welle verhindern wollen, müssen wir jetzt investieren: In Bildung, in soziale Auffangnetze und in eine Digitalisierung, die Menschen mitnimmt, nicht zurücklässt.

Die Welt nächstes Jahr um diese Zeit, was wird das für ein Ort sein?
Das liegt in den Händen von Donald Trump, Theresa May und Angela Merkel. Ich glaube aber, es wird eine noch instabilere Welt sein.

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