Neu-Präsident polarisiert Trump bleibt Trump – zum Ärger der Elite

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„Trump muss aufpassen, dass er den Bogen nicht überspannt“

Ein Großteil der 17 Mitglieder der neuen Trump-Regierung, die der künftige Präsident bisher ausgewählt hat, übernimmt zum ersten Mal politische Verantwortung. Die neuen Minister und Berater sind nahezu ausschließlich Vertreter des Anti-Establishment – und weitgehend stinkreich. Gemeinsam verfügen die Auserwählten über ein Vermögen von über 9,5 Milliarden US-Dollar. Und damit mehr als ein Drittel der ärmsten US-Amerikaner, sage und schreibe 43 Millionen Haushalte.

Was ändert sich mit Trump im Weißen Haus?
Blick auf den Central Park Quelle: REUTERS
An diesem Schreibtisch wird bald Donald Trump sitzenFirst Lady Melania wird ihre Büros im Ostflügel haben. Präsident Trump wird im West Wing arbeiten, dort liegt auch das 1909 eingerichtete Präsidentenbüro, das „Oval Office“. Quelle: dpa
Blick in den "Yellow Oval Room" in den Privaträumen der Präsidentenfamilie Quelle: AP
Das Trump International Hotel in Washington Quelle: AP
Der Gemüsegarten des Weißen Hauses Quelle: AP
Barack und Michelle Obama Quelle: dpa
Donald und Melania Trump Quelle: AP

„Sie sind die Besten“, sagt Donald Trump. Seine künftigen Minister würden helfen, „Jobs, Jobs und Jobs in Amerika“ zu schaffen.

Erstaunlich ist, dass seine Wähler dem Reichen-Kabinett das zutrauen. 42 Prozent der US-Bürger glauben laut einer aktuellen Umfrage, dass die Wirtschaft im kommenden Jahr anziehen wird. Das sind 17 Prozent mehr, als noch vor der Wahl – und satte 20 Prozent mehr als vor einem Jahr. Die US-Amerikaner blicken damit so optimistisch in die Zukunft wie seit 2008 nicht mehr. 56 Prozent der Bürger gaben an, „bereit zu sein, Donald Trump zu unterstützen“ und mit ihm als Präsidenten „zufrieden zu sein“.

Wirtschaftlich fragwürdig

Den Eindruck verfestigt hat mutmaßlich auch Trumps Rettungsaktion beim US-Klimagerätehersteller Carrier. Das Unternehmen wollte ursprünglich große Teile der Produktion von Indianapolis nach Mexiko verlagern. Trump machte schon im Wahlkampf massiv Stimmung gegen diese Pläne – und einigte sich dann vor Kurzem auf einen „Deal“ mit dem Konzern. Trump versprach Subventionen und weniger Regulierungen und überzeugte Carrier, mindestens 1000 Jobs in Indianapolis halten.

Ordnungspolitiker stöhnen auf. Trump verzerre den Markt, die Regierung mache sich erpressbar. Und: Werden unrentable Jobs in den USA gehalten, gefährde das die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen. „Die Argumente sind schlüssig. Das Problem: Die Betroffenen halten dies für eine arrogante Diskussion der Intellektuellen“, sagt Martin Thunert. Trump hingegen packe an, helfe. Für die Arbeiter bei Carrier ist er – zumindest für den Moment – der Retter.

„Trump weiß, dass es wichtig ist, eine glaubhafte Geschichte erzählen zu können“, so Thunert. Die Rettung der Carrier-Jobs helfe enorm, seinen Ruf als Anti-Establishment-Kandidat, als Retter der Arbeiter, als Deal-Maker zu festigen. „So wirtschaftlich fragwürdig die Aktion war, so genial war sie aus Trumps Sicht für sich und seine Reputation.“

Neben seiner Symbolpolitik hilft Donald Trump die konjunkturelle Entwicklung in den USA. Die Wirtschaft wächst ordentlich: im kommenden Jahr wird das Bruttoinlandsprodukt um 2,3 Prozent anziehen, glauben OECD und Deutsche Bank. Sollte Trump wie versprochen die Steuern senken und in die Infrastruktur investieren, könnte das Wachstum perspektivisch gar noch höher ausfallen.

Vier Buchstaben pro Wort, neun Wörter je Satz
„Ich bin sehr gebildet. Ich kenne Wörter. Ich habe die besten Wörter.“Zu diesen Wörtern gehörten im Wahlkampf wüste Beschimpfungen und abwertende Adjektive. Trumps Sprache wurde oft als rassistisch oder auch sexistisch beschrieben. So sagte er etwa über mexikanische Einwanderer: „Sie bringen Drogen, sie bringen Kriminalität, sie sind Vergewaltiger, und einige, nehme ich an, sind auch nette Leute.“ Sprach- und Kommunikationswissenschaftler aus Mainz, Siegen, Mannheim und dem amerikanischen Berkeley haben sich jeweils Interviews, Reden und Tweets von Trump vor und nach dem Wahlsieg des 70-Jährigen angeschaut. Eine Analyse. Quelle: dpa
LieblingswörterTrump sprach vor der Wahl häufig von „wir“ und „sie“ – Zeichen eines Weltbilds mit scharfen Grenzen zwischen dem Eigenen und dem Fremden. Nach der Wahl stellt er sich mit „ich“ massiv selber in den Vordergrund, wie eine Korpusanalyse von Ulrike Schneider, Anke Lensch und Matthias Eitelmann vom Fachbereich Englisch und Linguistik der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz zeigt. Quelle: AP
LieblingsthemaIm Wahlkampf ging es Trump um Bedrohung durch Mexikaner und Muslime, um ein ausblutendes Land und eine im Sterben liegende Nation – das sagt die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling, die im kalifornischen Berkeley forscht. Doch schon in der Dankesrede sei es ihm darum gegangen, die Nation zu einen: „Jetzt ist es an der Zeit für Amerika, die Wunden der Trennung zu schließen; wir müssen zusammenfinden. Ich sage zu allen Republikanern und Demokraten und Unabhängigen überall im Land, es ist Zeit für uns, als vereintes Volk zusammenzukommen.“ (Dankesrede am 09.11.2016) Quelle: AP
WertungSeit der Wahl lobt Trump auch sehr gerne – oder straft krass ab. Dabei gebe er sich wie ein strenger Vater, meint Wehling. Diese Art der Bewertung und Einteilung sei raffiniert, weil Trump so vielen Menschen das Gefühl gebe, er biete Orientierung. Ein Beispiel? Trumps Twitter-Reaktion nachdem Darsteller des Musicals „Hamilton“ sich an Trump-Vize Mike Pence gewandt hatten: „Das Theater muss immer ein sicherer und spezieller Ort sein. Das Ensemble von „Hamilton“ war letzte Nacht sehr unhöflich zu einem sehr guten Mann, Mike Pence. Entschuldigt euch!“ Quelle: REUTERS
Politischer GegnerHillary Clinton wird von Trump vor der Wahl vergegenständlicht („Marionette“), entpersonifiziert („Katastrophe“) und bekommt das Adjektiv „korrupt“ zugeschrieben. Nach der Wahl ist sie „Secretary Clinton“ und „sehr, sehr stark und sehr intelligent“. Das zeigen die Linguistinnen Eva Gredel und Konstanze Marx von der Universität Mannheim auf. Zwei Beispiele: „Das ist das Vermächtnis von Hillary Clinton: Tod, Zerstörung, Terrorismus und Schwäche.“ (Rede auf Parteiversammlung am 21.07.2016) „Hillary hat sehr lange und sehr hart gearbeitet, über einen langen Zeitraum hinweg, und wir sind ihr großen Dank schuldig für ihren Dienst für unser Land.“ (Dankesrede am 09.11.2016) Quelle: REUTERS
SatzlängeTrump spricht in kurzen, oft sehr kurzen Sätzen, mit den wichtigsten Begriffen am Ende. Das hat sich auch nach dem Wahlsieg nicht geändert, wie die Korpusanalyse der Mainzer Sprachwissenschaftler zeigt. Der durchschnittliche Satz ist nur neun Wörter lang. Übrigens sind auch seine Wörter simpel: Im Schnitt umfasst ein Wort nur vier Buchstaben. Quelle: REUTERS
WiederholungenDie Reden von Trump sind gespickt mit Wiederholungen. Mit diesen Wörtern oder Phrasen hangele sich Trump gerne an seinem Beitrag entlang, meint Antje Wilton, Professorin für Englische und Angewandte Sprachwissenschaft an der Universität Siegen. Sie kann bei diesem Mittel keinen Unterschied zwischen vor und nach dem Sieg feststellen. Ein Beispiel: „Menschen geben fantastische Karrieren auf, um sich euch Leuten auszusetzen und vielen anderen Leuten auszusetzen. Aber sie geben viel auf. Ich meine, einige geben fantastische Unternehmen auf, um für vier oder vielleicht acht oder wie lange der Zeitraum auch ist, zu sitzen. Aber ich denke, wir werden einiges an fantastischem Talent sehen, fantastisches Talent kommt.“ (Interview der „New York Times“ vom 23.11.2016) Quelle: AP

Die Konjunkturexperten sind sich einig: Trump bietet Chancen. Gleichzeitig aber ist der Präsident auch ein Risiko. Nämlich dann, wenn er die Kontrolle über sich verliert. So attackierte auf Twitter die US-Großkonzerne Lockheed Martin und Boeing; der Flugzeugbauer stellt gerade zwei neue Air-Force-One-Maschinen her. „Die Kosten seien außer Kontrolle“, kommentierte Trump. „Auftrag stornieren.“ Der Aktienkurs von Boeing gab daraufhin nach.

„Trump muss aufpassen, dass er den Bogen nicht überspannt“, sagt Martin Thunert. Boeing wie Lockheed Martin seien große Arbeitgeber, die hoch bezahlte Jobs in den USA in der Produktion garantieren. „Das ist genau das, was Trump will. Mit denen sollte er es sich also nicht verscherzen.“

Trump spielt ein gefährliches Spiel. Im Versuch, seine Wähler zu begeistern, droht er außenpolitisch jahrzehntelange Verbündete zu verschrecken – und in der Wirtschaft die hervorragenden Geschäftsaussichten der heimischen Industrie zu konterkarieren. Trump wäre gut beraten, sich zu mäßigen – und sich zu ändern, sobald er ins Weiße Haus einzieht. Wahrscheinlich ist das allerdings nicht.

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